Mit 1.9.2021 ist die seit längerer Zeit erwartete Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) in Kraft getreten. Damit sollen bestehende Unklarheiten und Widersprüche zur Judikatur des EUGH sowie zur EU-Entsenderichtlinie bzw der entsprechenden Änderungsrichtlinie beseitigt werden. Weiters sollen den in der Praxis gewonnenen Erfahrungswerten bei der Rechtsanwendung Rechnung getragen werden. Die neue Rechtslage ist auf Entsendungen und Überlassungen anzuwenden, die nach dem 31.8.2021 begonnen haben.
Nachstehend finden Sie eine Übersicht der wesentlichsten Änderungen:
Nach der Novellierung sind für grenzüberschreitende Dienstleistungsentsendungen nunmehr ein entsprechender Dienstleistungsvertrag zwischen entsendendem Unternehmen und einem im Inland tätigen Dienstleistungsempfänger sowie ein aufrechtes Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und der Dienstnehmerin oder dem Dienstnehmer notwendig.
Weiters wurden im Zuge der Novelle die Ausnahmetatbestände im Hinblick auf den Anwendungsbereich des LSD-BG erweitert. Vom Anwendungsbereich des LSD-BG sind nunmehr zusammengefasst ausgenommen:
Es kommt nunmehr zu einer Gleichstellung der nach Österreich entsandten und überlassenen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer mit österreichischen Arbeitskräften, sofern die tatsächliche Entsendung oder Überlassung aus dem EWR oder der Schweiz die Dauer von 12 Monaten (bzw in Ausnahmefällen 18 Monate) überschreitet. Ab diesem Zeitpunkt sind die österreichischen Arbeitsrechtsnormen zur Gänze anzuwenden, soweit diese günstiger sind als die entsprechenden Normen des Entsendestaates. Ausnahmen bestehen hinsichtlich der Regelungen des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes (BMSVG) und des Betriebspensionsgesetzes (BPG) wie hinsichtlich der Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung von Dienstverträgen.
Mit der Novelle wurde nunmehr klargestellt, dass entsandte Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer einen Anspruch auf Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten haben, die während der Entsendung in Österreich anfallen. Die Höhe des Aufwandersatzes orientiert sich an der normierten Ersatzhöhe für vergleichbare Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer von vergleichbaren Dienstgeberinnen und Dienstgebern in Österreich.
Es ist nunmehr keine Verwaltungsübertretung, wenn irrtümlich ein falsches Formular für die Meldung einer Entsendung oder Überlassung verwendet wird (für Entsendungen ist grundsätzlich das ZKO3- und für Überlassungen das ZKO4-Formular zu verwenden).
Rahmenmeldungen können für Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer erstattet werden, die wiederholt grenzüberschreitend zur Erfüllung von Dienstleistungs- oder Dienstverschaffungsverträge oder konzernintern eingesetzt werden. Bisher war eine Rahmenmeldung nur bis zu einem Maximalausmaß von drei Monaten möglich. Seit Inkrafttreten der Novelle können Rahmenmeldungen für einen Maximalzeitraum von bis zu sechs Monaten erstattet werden.
Erleichterungen im Zusammenhang mit der Bereithaltung der notwendigen Lohnunterlagen bei einer Entsendung oder Überlassung wurden geschaffen. Nunmehr ist es möglich, Dienstzettel bzw Dienstvertrag, die Dienstnehmeranmeldung zur Sozialversicherung, sowie die sonstigen Lohnunterlagen in deutscher oder englischer Sprache bereitzuhalten. Werden Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, die keine mobilen Arbeitskräfte sind, nicht länger als 48 Stunden entsandt, ist die Bereithaltung des Dienstvertrages bzw Dienstzettel sowie der Arbeitszeitaufzeichnungen ausreichend.
Im Zuge der Novellierung kam es auch zu einer Erweiterung der Befugnisse der Finanzpolizei. Diese kann nunmehr bis einen Monat nach Beendigung der Entsendung oder Überlassung die Vorlage der Lohnunterlagen verlangen, weshalb eine entsprechende Bereithaltung auch über die Beendigung der Entsendung oder Überlassung hinaus geboten ist.
Mit Inkrafttreten der Novelle wurde das sogenannte „Kumulationsprinzip“ abgeschafft. Demnach liegt nunmehr unabhängig von der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Anzahl der Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Zugleich wurden aber neue Strafrahmen ohne Mindeststrafen eingeführt. Demnach sind je nach Art und Schwere der Verwaltungsübertretung Strafen von bis zu EUR 400.000 möglich. Ebenso wurden die Bedingungen zur Verhängung eines Zahlungsstopps, Zahlungsverbotes und zum Erlag einer Sicherheitsleistung novelliert.
Es ist nunmehr normiert, dass den Beschäftiger einer nach Österreich grenzüberschreitend überlassenen Arbeitskraft eine Informationspflicht gegenüber der Dienstgeberin oder dem Dienstgeber (Überlasser) und der Arbeitskraft hinsichtlich der geltenden gesetzlichen arbeitsrechtlichen Regelungen und der für die Entlohnung geltende Kollektivvertragsbestimmungen trifft.
Mit der Novelle wurden einige notwendige Änderungen vorgenommen, um die Anwendung des LSD-BG auch für die unmittelbare Rechtsanwenderin bzw den unmittelbaren Rechtsanwender einfacher zu gestalten. Dennoch handelt es sich bei grenzüberschreitenden Entsendungen und Überlassungen nach Österreich weiterhin um sehr komplexe Themen mit zahlreichen Unklarheiten und Stolperfallen. Bei diesen Sachverhalten ist Dienstgeberinnen und Dienstgebern zu empfehlen, sich durch ausgewiesene Rechtsexperten beraten zu lassen. Gerne steht Ihnen das Team von Deloitte Legal bei allfälligen Fragen tatkräftig zur Seite.
Stefan Zischka ist Partner und leitet den Fachbereich Arbeitsrecht bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Arbeits- und Sozialrecht sowie Zivilprozessrecht (Litigation). Im Jahr 2017 schloss er sich JWO als Partner an. Vor JWO war Stefan Zischka als Rechtsanwalt in einer der größten Rechtsanwaltkanzleien Österreichs (CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte) und als Legal Counsel in der Erste Bank tätig.
Friederike Hollmann ist Rechtsanwältin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal und Mitglied des Praxisteams Employment Law. Ihre Tätigkeitssschwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsrecht und Litigation. Sie verfügt über langjährige Beratungspraxis und vetritt Mandanten regelmäßig vor Gerichten und Behörden.