Posted: 21 May 2021 5 min. read

ZURÜCKWEISUNG EINER BESCHWERDE BEI FEHLENDER BEGRÜNDUNG?

Hintergrund

Wird eine Beschwerde mangelhaft eingebracht, kann dieser Mangel fristwahrend unter Setzung einer behördlichen Nachfrist berichtigt werden (Mängelbehebungsauftrag). Nach jüngster VwGH Judikatur (VwGH 18.1.2021, Ra 2020/13/0065) ist ein Mängelbehebungsauftrag dem Abgabepflichtigen auch dann zu erteilen, wenn dieser Mangel bewusst herbeigeführt wird, um eine Fristverlängerung zu erwirken. Zudem kann durch Antrag auf Verlängerung der Frist zur Mängelbehebung eine Hemmung des Fristenlaufes erreicht werden.

Sachverhalt

Der steuerliche Vertreter der Revisionswerberin erhob fristwahrend gegen einen Bescheid Beschwerde, welche als Begründung lediglich den Wortlaut „Begründung folgt“ enthielt. Das Finanzamt erteilte daraufhin einen Mängelbehebungsauftrag. Weiters wurde um Fristverlängerung zur Beschwerdeergänzung ersucht, welche von der zuständigen Abgabenbehörde nicht gewährt wurde. Die Begründung der Beschwerde wurde vom steuerlichen Vertreter innerhalb der beantragten Frist nachgereicht. Nach abgewiesener Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Da die Beschwerde durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter - bei welchem die Kenntnis über die rechtlichen Anforderungen einer Beschwerde vorauszusetzen sind - eingebracht wurde, erwog das BFG, dass eine offenkundig bewusst mangelhaft eingebrachte Beschwerde rechtsmissbräuchlich sei und somit ohne Mängelbehebungsauftrag zurückzuweisen war. Dagegen richtete sich die gegenständliche Revision.

Entscheidung des VwGH

Nach den Grundsätzen der Bundesabgabenordnung (BAO) sollen Abgabepflichtige vor Folgen von versehentlich oder unwissentlich herbeigeführten Fehlern mit einem Mängelbehebungsverfahren geschützt werden. Dabei ist zu beachten, dass auch ein mangelhafter Fristverlängerungsantrag einem Mängelbehebungsverfahren zugänglich ist. Zudem kann die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung auch mit der sonstigen Maßnahme eines Antrags auf Aufhebung gem § 299 BAO bis ein Jahr nach Bekanntgabe des zu Grunde liegenden Bescheides geltend gemacht werden - also lange nach Ablauf der Frist für das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde, ohne dass für die Inanspruchnahme dieser längeren Frist eine Begründung erforderlich wäre. Der Gesetzgeber räumt damit der Rechtsrichtigkeit im Abgabenverfahren einen höheren Stellenwert ein als der Rechtsbeständigkeit. Aus den genannten Gründen darf auch bei Vorliegen eines bewusst herbeigeführten Mangels ein Mängelhebungsverfahren nicht verwehrt werden.

Fazit

Im vorliegenden Judikat hat der VwGH klargestellt, dass es – entgegen der Ansicht des BFG – nicht darauf ankommt, ob eine Partei einen Mangel in einer Beschwerde bewusst herbeigeführt hat, um eine faktische Verlängerung der Beschwerdefrist zu erlangen. Ein Mängelbehebungsauftrag ist von den Abgabenbehörden somit auch dann zu erteilen, wenn eine „leere“ Beschwerde eingebracht wurde.  


Ihr Kontakt

Anna Roth, LL.M., BSc.

Anna Roth, LL.M., BSc.

Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Anna Roth ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Abgabenverfahrensrecht und Rechtsmittelverfahren.