Posted: 11 May 2022 5 min. read

Aktuelles zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Überblick

Im Jahr 2020 wurde dem EuGH vom deutschen BFH die Frage vorgelegt, wer der Steuerpflichtige einer Organschaft ist. Nach dem dUStG ist – ähnlich wie in Österreich –der Organträger der Steuerschuldner der Organschaft. Die Organgesellschaften gelten insoweit als unselbständig. Der deutsche BFH hatte diesbezüglich Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht. Überdies wurde eine weitere Frage betreffend die Anforderungen an die notwendige finanzielle Eingliederung vorgebracht. Im Jänner 2022 gab nun die Generalanwältin im Rahmen der Schlussanträge zu diesen Vorlagefragen eine erste Stellungnahme ab.

Sachverhalt

NGD ist eine GmbH nach deutschem Recht, wobei A zu 51 % und der C e.V. zu 49 % an der NGD beteiligt sind. Alleiniger Geschäftsführer von NGD war im Streitjahr E, der zugleich alleiniger Geschäftsführer von A und Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des C e.V. war. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass zwischen A und NGD - entgegen der Ansicht der NGD - keine Organschaft bestehe. A sei zwar mit 51 % mehrheitlich an NGD beteiligt, aber aufgrund der Regelungen des Gesellschaftsvertrags verfüge A nicht über die Mehrheit der Stimmrechte und sei daher nicht in der Lage, Beschlüsse bei NGD durchzusetzen. Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens entschied das Finanzgericht, dass die Anforderung des Finanzamts, dass die Organträgerin neben einer Mehrheitsbeteiligung auch über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Organgesellschaft verfügen muss, zu weit gehe und somit eine Organschaft vorliege. Der deutsche BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH vier Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Vorlagefragen

Der EuGH hat die Generalanwältin nur um Stellungnahme zu folgenden zwei Fragen ersucht:

Frage 1: Ist es mit der MwStSyst-RL vereinbar, dass es Mitgliedstaaten gestattet ist, anstelle der Mehrwertsteuergruppe (des Organkreises) ein Mitglied der Mehrwertsteuergruppe (den Organträger) zum Steuerpflichtigen zu bestimmen?

Frage 4: Ist die MwStSyst-RL dahingehend auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat gestattet, im Wege der Typisierung eine Person als nicht selbständig anzusehen, wenn sie in der Weise finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers (Organträgers) eingegliedert ist, dass der Organträger seinen Willen bei der Person durchsetzen und dadurch eine abweichende Willensbildung bei der Person verhindern kann?

Schlussanträge

Die Generalanwältin hat ihre Würdigung in drei Schritte untergliedert. In einem ersten Schritt prüfte die Generalanwältin die im Unionsrecht festgelegten Voraussetzungen für Mehrwertsteuergruppen. In diesem Zusammenhang führte sie aus, dass das Unionsrecht den Mitgliedstaaten gestattet, eng miteinander verbundene Personen, die einer Mehrwertsteuergruppe angehören, für die Zwecke der Erfüllung der Mehrwertsteuerpflichten als einen einzigen Steuerpflichtigen anzusehen. Dies steht jedoch einer Regelung entgegen, die nur das die Gruppe beherrschende Mitglied unter Ausschluss der übrigen Gruppenmitglieder als Steuerpflichtigen bestimmt. Nach der entsprechenden deutschen Norm ist die Organgesellschaft jedoch bloß ein unselbständiger Bestandteil des Unternehmens des Organträgers. Folglich geht die deutsche Regelung über das Unionsrecht hinaus.

In einem zweiten Schritt untersuchte die Generalanwältin den rechtlichen Status der Mehrwertsteuergruppe und ihrer Mitglieder. Grundsätzlich ist das Konzept der Mehrwertsteuergruppe eine Vereinfachungsmaßnahme. Die einzelnen Erklärungen der Gruppenmitglieder werden zu einer Erklärung zusammengefasst. Jedoch bleiben die Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe weiterhin als Einzelpersonen steuerpflichtig. Nach dem Unionsrecht ist der Steuerpflichtige, der die Mehrwertsteuer schuldet, die Mehrwertsteuergruppe selbst und nicht ein bestimmtes Mitglied der Gruppe wie zB nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz der Organträger. Es könnte durchaus ein Interesse bestehen, dass zB das Unternehmen mit der größten Liquidität die von der Gruppe geschuldete Mehrwertsteuer entrichtet. Wenn nun eine nationale Regelung vorsieht, dass immer der Organträger der Steuerpflichtige ist, wird die Freiheit der Organschaft, ihren Vertreter zu bestimmen, eingeschränkt.

In einem letzten Schritt stellte die Generalanwältin noch fest, dass die deutsche Regelung vor dem Hintergrund der Verhinderung von Missbrauch bzw der Vermeidung von Steuerumgehungen nicht gerechtfertigt sei.

Als Ergebnis schlug die Generalanwältin folgende Beantwortung der Vorlagefragen vor: Eng miteinander verbundene Personen, die einer Mehrwertsteuergruppe angehören, können für Zwecke der Erfüllung der Mehrwertsteuerpflichten als ein einziger Steuerpflichtiger angesehen werden. Es ist jedoch nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn nur das die Gruppe beherrschende Mitglied – das über die Mehrheit der Stimmrechte und über eine Mehrheitsbeteiligung am beherrschten Unternehmen in der Gruppe der steuerpflichtigen Personen verfügt – unter Ausschluss der übrigen Mitglieder der Gruppe als Vertreter der Mehrwertsteuergruppe und als Steuerpflichtiger dieser Gruppe bestimmt wird.

Fazit

Da die österreichische Bestimmung betreffend Organschaften ähnlich jener in Deutschland ausgestaltet ist, sind die ersten Einschätzungen der Generalanwältin auch für Österreich relevant. Jedoch handelt es sich hierbei bloß um Schlussanträge und der EuGH könnte in seinem Urteil noch völlig anders entscheiden. Wenn sich der EuGH jedoch den Schlussanträgen anschließt, bleibt abzuwarten, ob die bisherigen Steuererhebungen beim Organträger unionsrechtswidrig sind und wie/ob diese abgeändert werden. Für weitere Details möchten wir an dieser Stelle gerne noch auf unseren SWK-Beitrag im Heft 8/2022 vom 10.3.2022 verweisen.


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Mag. (FH) Verena Gabler

Mag. (FH) Verena Gabler

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Verena Gabler ist Partner im Bereich Steuerberatung und leitet die Tax Management Consulting Abteilung bei Deloitte Österreich. Die Umsatzsteuer-Spezialistin hat sich auf die Prozessberatung spezialisiert und unterstützt ihre Klienten bei der Entwicklung und Implementierung von Steuerkontrollsystemen. Dabei begleitet sie ihre Klienten bei der Analyse und Reduktion von steuerlich relevanten Risiken, der Optimierung von Prozessen und der Erhöhung des Automatisierungsgrades der Steuerfunktion durch den Einsatz von steuerrelevanter Software.