Mit ihrer Kundmachung am 13.12.2021 trat die im Wiener Landtag beschlossene Novelle zur Wiener Bauordnung in Kraft. Die Novelle betrifft im Wesentlichen die Bebaubarkeit in der Bauklasse I, wodurch der Erhalt des Wiener Stadtbildes gefördert und die Errichtung von überdimensionierten Mehrparteienhäuser in Wohnsiedlungsgebieten verhindert werden sollen. Neu ist weiters eine Verschärfung des Strafrahmens auf eine Geldstrafe von bis zu EUR 300.000.
Insgesamt verfolgt die Bauordnungs-Novelle das Ziel, eine intelligente Stadtentwicklung weiter zu fördern und den Erhalt des Wiener Stadtbildes zu sichern. Die Novelle enthält insbesondere Änderungen von gesetzlichen Bestimmungen, die den Erhalt des Siedlungscharakters in Gebieten der Bauklasse I sichern soll. Weiters umfasst ist die Ergänzung der Ziele der Stadtplanung durch ausdrückliche Nennung des Schutzes der „UNESCO-Welterbestätten“, sowie eine Verschärfung der Sanktionen von Verwaltungsübertretungen durch Einführung einer Geldstrafe bis zu EUR 300.000. Außerdem wurde eine besondere Regelung zum Betrieb von Seveso-Anlagen geschaffen sowie die Bewilligungsfreiheit für das Aufstellen von Containern, anlässlich besonderer Ereignisse wie zB Pandemien, erweitert. Dies betrifft vor allem die mittlerweile weit verbreiteten Corona-Test-Container. Vergeblich muss man nach Regelungen im Bereich des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit in der Novelle suchen, obwohl gerade im Baurecht durchaus Potenzial vorhanden wäre, um klimapolitische Ziele zu fördern.
Die wichtigsten Neuerungen der Novelle im Überblick:
Durch die Novelle sollen überproportionale Bauten, die das Bild der typischen Wiener Siedlungen verändern, verhindert werden und Gebäude insgesamt kleiner dimensioniert werden. Unverändert aufrecht bleibt, dass das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen darf. Neu ist, dass die maximal bebaute Fläche von Gebäuden in der Bauklasse I von bislang maximal 470m² auf 350 m² reduziert wurde. Durch die Verringerung der erzielbaren Wohnnutzfläche des Grundstückes soll die Errichtung von großflächigen Mehrparteienhäusern sowie die damit einhergehende zunehmende Bodenversiegelung hintangehalten werden.
Um überdimensionale Dachbauten zu unterbinden und die Wahrung der Proportionen zu gewährleisten, wurde in der Bauklasse I die maximal erlaubte Firsthöhe – sohin der Abstand zwischen Dachrinne und First – von 7,5 Meter auf 4,5 Meter reduziert. Weiters wurden die Ausgestaltungsmöglichkeiten von Giebelflächen und des Dachvolumens reduziert. Auch die erlaubte Giebelfläche wurde in der Bauklasse I reduziert. Daraus ergibt sich eine Reduktion der Ausgestaltung von Giebelflächen auf nur mehr 25m² pro Giebelfläche bzw 50m² pro Gebäude.
Eine Neuregelung brachte die Novelle auch bei den einzuhaltenden Abständen zu den Nachbargrenzen in der Bauklasse I. Ein Heranrücken neu errichteter Gebäude zur Grundgrenze ist nunmehr höchstens bis zur halben Gebäudehöhe jener Front, die der jeweiligen Nachbarliegenschaft zugewandt ist, möglich. Ein Mindestabstand von drei Meter ist jedoch immer zu gewährleisten. Dadurch entsteht mehr Luftraum bzw Grünfläche zwischen den Gebäuden und gilt künftig, je höher das Gebäude, umso mehr Abstand zwischen den Nachbarhäusern.
Neben der Einschränkung der Bebaubarkeit in der Bauklasse I bringt die Novelle auch eine Verschärfung der Strafbestimmungen mit sich. Für illegale Gebäudeabrisse, dh wenn ein vor dem 1.1.1945 errichtetes Gebäude ohne die gemäß § 60 Abs 1 lit d Wr. BO erforderliche Baubewilligung abgerissen wird, ist nunmehr eine Höchststrafe von bis zu EUR 300.000 vorgesehen. Bei einer vorsätzlichen Übertretung beträgt die Mindeststrafe EUR 30.000. Alternativ oder für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe kann eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe von bis zu 6 Wochen verhängt werden. Handelt es sich bei dem Bestraften um einen Gewerbetreibenden, hat die Behörde das Straferkenntnis zusätzlich der Gewerbebehörde zu übermitteln, um eine Überprüfung der für die Ausübung des Gewerbes erforderlichen Zuverlässigkeit zu ermöglichen.
Für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 13.12.2021 bereits anhängigen Verfahren sind die Novellierungen nicht zu beachten und gelten daher noch die bisherigen Bestimmungen.
Im Vordergrund der Novelle steht vor allem die Sicherung des klassischen Charakters des Wiener Stadtrandes und der Erhalt von Einfamilienhaus- und Gartensiedlungsgebieten. Daher betreffen die aktuellen Novellierungen hauptsächlich die Beschränkung der Bebaubarkeit in der Bauklasse I. Die Novelle enthält keine Innovationen im Bereich des Klimaschutzes. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, was die für 2022 angekündigte Enquete zum Baurecht 2022 im Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit bringen wird.
Gabriele Etzl ist Partnerin bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal, und leitet die Praxisgruppe Real Estate. Zuvor war sie 14 Jahre lang Partnerin im Immobilienbereich einer der größten Anwaltskanzleien Österreichs. Sie ist Expertin für Immobilienrecht mit dem Schwerpunkt nationale und internationale Immobilientransaktionen, Immobilienfinanzierung, Immobilienrestrukturierung, gewerbliches und privates Miet- und Wohnrecht, Bauträgervertragsrecht, sowie öffentliches Immobilienrecht. Sie spricht fließend Deutsch und Englisch und verfügt über Grundkenntnisse der spanischen und französischen Sprache. Gabriele Etzl ist Lehrbeauftragte für Immobilienrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Wien und Autorin mehrerer immobilienbezogener Publikationen, insbesondere auch zu Immobilienrecht und Immobilienfinanzierungen in Österreich und CEE.
Kevin Nager ist Rechtsanwaltsanwärter bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Seine Tätigkeitsschwerkpunkte liegen vor allem im Bereich Real Estate und Real Estate Finance.