Das BFG hat sich in seiner Entscheidung vom 20.7.2021, RV/7102008/2017, mit der Frage der KESt-Rückerstattung bei Cum-/Ex-Geschäften für eine ausländische Gesellschaft beschäftigt. Die betreffenden KESt-Rückerstattungen bezogen sich auf Dividenden von Aktien börsennotierter inländischer Unternehmen, welche over the counter (kurz: OTC) bezogen wurden. Im Fokus standen jene Aktien, die rund um den Dividendenstichtag gehandelt werden. Es stellte sich die Frage, wer - Verkäufer oder Käufer - zur Rückerstattung der KESt berechtigt war.
Die Beschwerdeführerin ist eine in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ansässige Kapitalgesellschaft, die an mehreren Aktientransaktionen folgender Art beteiligt war: Knapp vor dem Dividendenstichtag erwarb die Beschwerdeführerin außerbörslich (OTC) Aktien mit Dividendenanspruch. Aufgrund der Abwicklungsusancen der OeKB für das vollständige Settlement (t+3) wurden die Aktien drei Tage später auf das Depot des Käufers eingeliefert und eingebucht. Die Einlieferung erfolgte somit nach dem Dividendenstichtag (ex Dividende). Die Beschwerdeführerin erhielt eine Ausgleichszahlung iHd Nettodividende und beantragte die KESt-Rückerstattung auf Basis des anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens.
Das BFG entschied, dass eine KESt-Rückerstattung nur dann möglich ist, wenn die Dividende dem Rückerstattungswerber ertragsteuerlich zurechenbar ist. Für die Berechtigung zur KESt-Rückerstattung ist nach Ansicht des BFG die Depoteinbuchung maßgeblich. Der Zeitpunkt des zivilrechtlichen Erwerbs ist dabei nicht relevant. Zum Zeitpunkt der Einlieferung der Wertpapiere waren diese bereits ohne Dividendenanspruch und es bestand seitens des Erwerbers lediglich der Anspruch auf eine Kompensationszahlung.
Die KESt war im vorliegenden Fall folglich jedoch nicht rückerstattbar, da das wirtschaftliche Eigentum noch nicht auf den Erwerber übergangen sei. Erst mit Einlieferung auf dem Depot des Erwerbers habe dieser eine volle Dispositionsbefugnis über die Wertpapiere erhalten. Ein cum Dividende abgeschlossenes und ex Dividende geliefertes Wertpapiergeschäft begründe daher keinen Anspruch auf Anrechnung der auf die originäre Dividende erhobenen KESt. In seiner Entscheidung folgt das BFG im Wesentlichen dem BMF-Informationsschreiben vom 18.9.2014 zur Rückerstattung der KESt auf Dividenden an beschränkt Steuerpflichtige. Da zur Rechtsfrage des wirtschaftlichen Eigentums bei cum/ex Geschäften keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, hat das BFG eine ordentliche Revision zugelassen.
Wertpapiertransaktionen von beschränkt Steuerpflichtigen rund um den Dividendenstichtag sind im Detail auf Übereinstimmung mit dem BMF-Informationsschreiben und dem vorliegenden BFG-Erkenntnis zu prüfen. Für jene Wertpapiere, die zum Dividendenstichtag zwar schon gekauft aber noch nicht am Depot des beschränkt Steuerpflichtigen eingebucht waren, kann nach Maßgabe der aktuellen Verwaltungspraxis grundsätzlich (weiterhin) keine KESt-Rückerstattung beantragt werden.
Die Finanzverwaltung führt im Rahmen der Prüfung von KESt-Rückerstattungsanträgen unverändert eine Abstimmung der KESt-Rückerstattungsanträge mit den Depotauszügen durch. Ist das betreffende Wertpapier zum Dividendenstichtag am Depot des Rückerstattungswerbers eingebucht, wird die KESt rückerstattet.
Bei Cum-/Ex-Geschäften werden Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag mit Dividendenanspruch (cum Dividende) erworben. Tatsächlich werden sie erst nach dem Dividendenstichtag ohne Dividende in das Depot des Käufers geliefert (ex Dividende). Anstatt der „echten“ Dividende wird an den Käufer eine Kompensationszahlung geleistet, welche jedoch originär nicht mit einer KESt belastet ist. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei OTC-Geschäften erfolgt nach der der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht des BFG erst mit Einlieferung des Wertpapiers ins Depot des Käufers. Mangels ertragsteuerlicher Zurechenbarkeit des Wertpapiers im Zeitpunkt der Dividendenzahlung ist eine KESt-Rückerstattung nicht möglich. Die aktuelle Verwaltungspraxis wurde insoweit vom BFG bestätigt. Eine finale Klärung der zu Grunde liegenden Rechtsfrage des wirtschaftlichen Eigentums bei cum/ex Geschäften bleibt jedoch abzuwarten, da eine ordentliche Revision zugelassen wurde und nunmehr der VwGH am Zug ist. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der VwGH entscheiden wird, da das wirtschaftliche Eigentum am Wirtschaftsgut (Wertpapier) für die Zurechnung der Einkünfte nicht zwingend erforderlich ist.