Posted: 09 Dec. 2022 6 min. read

BFG zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges

Überblick

 

In seinem Erkenntnis vom 15.7.2022 (RV/2100130/2022) befasste sich das BFG mit der Frage, ob der Vorsteuerabzug mit Zeitpunkt der Rechnungsausstellung oder bei Einlangen der Eingangsrechnung beim:bei der Leistungsempfänger:in zusteht. Im gegenständlichen Fall war somit strittig, in welchen Veranlagungszeitraum die Vorsteuerbeträge fallen. In seiner Entscheidung folgte das BFG der Rechtsprechung des VwGH und EuGH und bestätigte, dass der Vorsteuerabzug erst nach Erbringung der Leistung und Erhalt der Rechnung vorgenommen werden kann.

 

Sachverhalt

 

Die Beschwerdeführerin reichte die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2015 ein und machte darin hohe Vorsteuerbeträge geltend. In der betreffenden Jahreserklärung wurden auch Vorsteuern für Leistungen berücksichtigt, die bereits im Jahr 2014 erbracht wurden. Obwohl die Eingangsrechnungen für diese Leistungen im Jahr 2014 ausgestellt wurden, kamen die Rechnungen bei der Beschwerdeführerin erst im Jahr 2015 an. Der Erhalt der Rechnungen wurde von der Beschwerdeführerin mit einem Eingangsstempel dokumentiert. Die Beschwerdeführerin berücksichtigte somit die Vorsteuern erst in jenem Kalenderjahr, in dem die Eingangsrechnungen tatsächlich bei ihr einlangten.

Das Finanzamt forderte die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Ersuchens um Ergänzung auf, die Rechnungen für die erklärten Vorsteuern vorzulegen. Nach Übermittlung der Rechnungen wurde durch die Finanzbehörde ein Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015 erlassen und eine Abgabennachforderung festgesetzt. Die österreichische Finanzverwaltung beanstandete die Vorgehensweise der Beschwerdeführerin und minderte die in der Umsatzsteuerklärung 2015 geltend gemachten Vorsteuern. Für das Finanzamt stellt das Jahr der Rechnungsausstellung den maßgeblichen Zeitpunkt für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts dar, weshalb die Vorsteuern nicht in einem späteren Veranlagungsjahr nachgeholt werden können.

 

Entscheidung des BFG

 

Das BFG hat in seinem Erkenntnis ausgesprochen, dass die Vorsteuern in jenen Veranlagungszeitraum fallen, in dem die Voraussetzungen zur Vornahme des Abzugs erstmalig erfüllt sind. Diese Voraussetzungen liegen grundsätzlich vor, wenn einerseits die Leistung erbracht wurde und andererseits der:die Unternehmer:in hierfür eine ordnungsgemäße Rechnung erhalten hat. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs kann aus diesem Grund frühestens in jenem Voranmeldungszeitraum erfolgen, in dem diese beiden Bedingungen kumulativ erfüllt wurden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH und VwGH stellt der Rechnungsbesitz somit eine erforderliche Voraussetzung zur Ausübung des Vorsteuerabzugs dar.

Der Beschwerde wurde daher stattgegeben, da das BFG die Vorgehensweise der Beschwerdeführerin als zulässig ansah.

 

Fazit

 

Das Erkenntnis des BFG widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach das Rechnungsausstellungsdatum für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs maßgeblich sei. Das Recht auf Vorsteuerabzug sollte somit in jenem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, in dem die Rechnung tatsächlich beim:bei der Leistungsempfänger:in eingelangt ist. Wir empfehlen daher, wie im vorliegenden Fall, den Erhalt der Eingangsrechnungen mit Eingangsstempel zu dokumentieren, um einen gegebenenfalls verspäteten Erhalt der Rechnung nachvollziehbar evident zu halten. Das Finanzamt hat zu diesem Erkenntnis bis dato noch nicht Stellung genommen und auch der derzeit vorliegende Entwurf des Umsatzsteuerrichtlinien-Wartungserlass nennt nach wie vor das Rechnungsstellungsdatum als maßgebliches Kriterium für den Vorsteuerabzugszeitpunkt. 

 

Anmeldung zum Erhalt von Informationen und Newslettern

Ihr Kontakt

Mag. Ana Opačić, LL.B. (WU)

Mag. Ana Opačić, LL.B. (WU)

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Ana Opačić ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Umsatzsteuer.

Mag. (FH) Verena Gabler

Mag. (FH) Verena Gabler

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Verena Gabler ist Partner im Bereich Steuerberatung und leitet die Tax Management Consulting Abteilung bei Deloitte Österreich. Die Umsatzsteuer-Spezialistin hat sich auf die Prozessberatung spezialisiert und unterstützt ihre Klienten bei der Entwicklung und Implementierung von Steuerkontrollsystemen. Dabei begleitet sie ihre Klienten bei der Analyse und Reduktion von steuerlich relevanten Risiken, der Optimierung von Prozessen und der Erhöhung des Automatisierungsgrades der Steuerfunktion durch den Einsatz von steuerrelevanter Software.