Der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) folgt in seiner Entscheidung vom 17.5.2022 (VII R 2/19) dem Urteil des EuGH (C-529/18) und lehnt die Erstattung von Einfuhrabgaben ab, wenn der Transaktionswert nachträglich durch eine Verrechnungspreisanpassung pauschal angepasst werden soll, wobei weder die Höhe im Vorhinein feststeht, noch ob die Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgen wird.
Der Fall Hamamatsu erstreckt sich über diverse Gerichtsinstanzen und ist das wohl bekannteste EuGH-Urteil im Zollwertrecht, weshalb die endgültige Entscheidung des BFH mit Spannung erwartet wurde.
Bereits 2015 reichte Hamamatsu Photonics Deutschland beim FG München Klage aufgrund der Abweisung von Erstattungsanträgen ein. Hamamatsu Photonics Deutschland meldete zunächst den in Rechnung gestellten Preis als Zollwert an. Das Verrechnungspreismodell des Konzerns sah vor, je nach Gewinn die konzerninternen Verrechnungspreise pauschal (und nicht produktbezogen) nachträglich nach unten oder oben anzupassen, sodass Gutschriften oder Nachbelastungen erfolgen. Da die Verrechnungspreise nachträglich nach unten angepasst wurden, beantragte die Gesellschaft eine Anpassung des Zollwerts und eine Erstattung des Zolls aufgrund der Verringerung des Kaufpreises. Eine Aufteilung des Anpassungsbetrags auf die einzelnen eingeführten Waren erfolgte nicht.
Der in diesem Fall hinzugezogene EuGH urteilte, dass Artikel 28 bis 31 des Zollkodex (Verordnung des EWG Nr. 2913/92) es nicht zulässt, als Zollwert einen vereinbarten Transaktionswert zugrunde zu legen, der sich teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, ohne dass sich sagen lässt, ob am Ende des Abrechnungszeitraums diese Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgen wird.
Daraufhin wies das Finanzgericht München die Klage ab und bestätigte, dass der Zollwert zu Recht auf der Grundlage des unterjährig angemeldeten Verrechnungspreises nach Artikel 29 ZK (dem Transaktionswert) ermittelt wurde und eine Erstattung demzufolge abzulehnen ist. Offen blieb, ob die Schlussmethode nach Artikel 31 ZK nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen zulässt.
Der BFH wies nun die von Hamamatsu Photonics Deutschland eingebrachte Revision zurück und bestätigte endgültig, dass die Erstattung der Einfuhrabgaben in diesem Fall abzulehnen ist.
Der EuGH hatte eine nachträgliche Berichtigung des Transaktionswertes in diesem Fall bereits ausgeschlossen. Der BFH entschied nun, dass auch bei der Bestimmung des Zollwerts nach der Schlussmethode anhand von anderen zweckmäßigen Methoden auf den Zeitpunkt der Einfuhr abzustellen ist. Auch die Zollwertermittlung nach der Schlussmethode (Art 31 ZK) ist demzufolge immer eine waren- und stichtagsbezogene Wertermittlung. Abschläge zu dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis dürfen ebenso wie Zuschläge laut BFH demnach nur auf der Grundlage von Angaben vorgenommen werden, die bereits im Zeitpunkt der Zollanmeldung objektivierbar und quantifizierbar sind.
Daraus folgt laut BFH, dass, wenn im Zeitpunkt der Zollanmeldung nicht feststeht, ob am Ende des Abrechnungszeitraums überhaupt eine Berichtigung vorzunehmen sein wird und ob, falls dies der Fall ist, diese nach oben oder nach unten zu erfolgen hat, dann ist der auf diese Weise ermittelte ‑ bzw nach Ablauf des Abrechnungszeitraums tatsächlich erst noch zu ermittelnde ‑ Warenwert im Zeitpunkt der Zollanmeldung nicht iSv Art 8 Abs 3 des Übereinkommens zur Durchführung des Art VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 quantifizierbar.
Bei Erstattungsanträgen hat der:die Antragsteller:in die Nachweispflicht. Da in diesem Fall Hamamatsu Photonics Deutschland nicht nachgewiesen hat, dass die von der Gesellschaft entrichtete Zollschuld im Zeitpunkt der Annahme der jeweiligen Zollanmeldung nicht gesetzlich geschuldet gewesen war, wies der BFH die Revision zurück.
Die BFH-Entscheidung (und somit auch das EuGH-Urteil) bezieht sich noch auf den alten Zollkodex. Im Unionszollkodex (UZK) ist die Zollwertermittlung allerdings inhaltlich annähernd gleichlautend definiert. Deshalb sollte die Entscheidung auch Auswirkungen auf die Zollwertermittlung nach dem neuen Unionszollkodex haben.
Die BFH-Entscheidung bestätigt die derzeitige Vorgangsweise der österreichischen (und deutschen) Zollverwaltung, wonach eine Erstattung nur möglich ist, wenn sich allfällige Preisanpassungen auf die jeweiligen Waren beziehen und die Preisanpassungsklauseln auf Rechenvorgängen basieren, die bereits vor den jeweiligen Verzollungen vereinbart wurden.
Allerdings ist aufgrund der BFH-Entscheidung nun fraglich, wie die österreichische (und deutsche) Zollverwaltung mit Verrechnungspreisanpassungen, die zu pauschalen Nachbelastungen führen, zukünftig umgeht. Bisherige Praxis ist, dass die Zollverwaltung nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen, die zu einer Erhöhung des Transaktionspreises führen, als zollwertrelevant erachtet und pauschale Nachbelastungen durchführt.
Durch die BFH-Entscheidung besteht Argumentationsspielraum, dass Unternehmen bei Nacherhebungen gegen diese Vorgangsweise vorgehen können.
Barbara Anzinger ist Senior Managerin im Bereich Indirect Tax/Global Trade Advisory bei Deloitte in Wien. Als Zollrechtsexpertin verfügt sie über mehrjährige Erfahrung bei der Beratung von vorwiegend nationalen Unternehmen mit grenzüberschreitenden Handelsaktivitäten sowie multinationale Unternehmensgruppen. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen im europäischen Zollrecht, auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern sowie der Intervention in Betriebsprüfungs- und Rechtsmittelverfahren.
Mag. Christian Bürgler ist Partner in der Steuerberatung bei Deloitte in Wien. Als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer berät er Privatstiftungen und Unternehmen im Bereich indirekte Steuern (Umsatzsteuer, Zollrecht) sowie M&A auf internationaler und nationaler Ebene.