In einer kürzlich ergangenen Entscheidung beschäftigte sich der OGH mit der Möglichkeit einer drohenden Verletzung eines Syndikatsvertrags mit einer Unterlassungsklage zu begegnen und den Unterlassungsanspruch durch eine einstweilige Verfügung zu sichern (OGH 25.2.2022, 6 Ob 211/21d).
Im vorliegenden Sachverhalt sind sowohl Antragstellerin der einstweiligen Verfügung (eV) als auch die Antragsgegnerin Gesellschafter einer GmbH, wobei der Anteil der Antragstellerin am Stammkapital der Gesellschaft 9,99% und jener der Antragsgegnerin 90,01% beträgt. Neben dem Gesellschaftsvertrag haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin einen Syndikatsvertrag abgeschlossen. Im Syndikatsvertrag ist geregelt, dass Umstrukturierungen der Gesellschaft nur mit Zustimmung der Antragstellerin erfolgen dürfen. Bereits zum Abschluss des Syndikatsvertrags beabsichtigten die Parteien, dass die Antragstellerin durch Erwerb von Geschäftsanteilen der Antragsgegnerin in Zukunft Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaft werden sollte.
In weiterer Folge beraumte jedoch die Antragsgegnerin eine außerordentliche Generalversammlung an, in der die Antragsgegnerin den Gesellschafterausschluss der Antragstellerin anstrebte. Die Antragstellerin begehrte daraufhin die Erlassung einer eV, der zufolge es die Antragsgegnerin insbesondere zu unterlassen hatte, über den Ausschluss der Antragstellerin zu beschließen.
Als Begründung brachte die Antragstellerin vor, dass der geplante Gesellschafterausschluss gegen den Syndikatsvertrag verstoße und die Beschlussfassung treuwidrig und rechtsmissbräuchlich sei. Der Verlust der Gesellschafterstellung würde zudem einen unwiederbringlichen Schaden für die Antragstellerin bedeuten, womit auch die Voraussetzungen für eine eV erfüllt seien.
Die Antragsgegnerin erwiderte, dass der Syndikatsvertrag nicht die Beschlussfassung über einen Gesellschafterausschluss umfasse und somit der geplante Gesellschafterausschluss der Antragstellerin ohne ihre Zustimmung zulässig sei. Zu den Voraussetzungen einer eV brachte die Antragsgegnerin vor, dass kein unwiederbringlicher Schaden der Antragstellerin vorliege, da das Firmenbuchgericht das Verfahren über die Eintragung des Gesellschafterausschlusses im Firmenbuch zu unterbrechen habe, wenn die Parteien bei der Anmeldung des Ausschlusses nicht auf die Anfechtung bzw Nichtigerklärung des zugrundeliegenden Beschlusses verzichten (Negativerklärung). Eine Gefährdung der Antragstellerin liege somit nicht vor, da erst die Firmenbucheintragung die Anteilsübertragung bewirke und nicht bereits die Beschlussfassung über den Gesellschafterausschluss. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer eV seien daher nicht erfüllt.
Das Erstgericht erließ die eV, das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag in weiterer Folge jedoch ab.
ZunDer OGH hielt zunächst fest, dass Beschlüsse über den Ausschluss eines Gesellschafters zu den „strukturändernden“ Beschlüssen zählen und somit von den im Syndikatsvertrag geregelten Umstrukturierungen umfasst sind, insbesondere da zwischen den Parteien vereinbart war, dass die Antragstellerin Mehrheitsgesellschafterin werden sollte. Insofern kann die Regelung des Syndikatsvertrags nur dahingehend interpretiert werden, dass ein Ausschluss der Antragstellerin nicht ohne ihre Zustimmung erfolgen kann. Somit ist der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ausreichend bescheinigt.
Auch die Voraussetzungen für die Erlassung der eV sieht der OGH als erfüllt an, da der Antragstellerin aufgrund des drohenden Gesellschafterausschlusses ein unwiederbringlicher Schaden droht. Dieser berechtigt die Antragstellerin dazu, einen auf das Verbot der Stimmrechtsausübung gestützten Sicherungsantrag zu stellen. Zu dem Argument, dass das Firmenbuchgericht das Verfahren bei einer fehlenden Negativerklärung zu unterbrechen habe, stellte der OGH fest, dass eine solche Unterbrechung im Ermessen des Gerichts liegt. Lehnt das Gericht die Unterbrechung ab, ist diese Entscheidung nicht anfechtbar. Durch diese potentielle Unterbrechung wird die Gefährdung der Antragstellerin somit nicht beseitigt.
Der OGH kommt somit zu dem Ergebnis, dass der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aufgrund der drohenden Verletzung des Syndikatsvertrags ausreichend bescheinigt ist und die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfüllt sind und setzte die durch das Rekursgericht aufgehobene eV wieder in Kraft.
Der OGH berücksichtigt in seiner Entscheidung die Absicht der Parteien, die Gesellschafterstruktur zu verändern und kommt so zu dem Ergebnis, dass auch ein geplanter Gesellschafterausschluss als Umstrukturierung vom Syndikatsvertrag umfasst ist und damit der Zustimmung der auszuschließenden Gesellschafterin bedarf. Der OGH zieht somit den Zweck des Gesellschafts- und Syndikatsvertrags in nachvollziehbarer Weise in seine Entscheidungsgründe mit ein und berücksichtigt den Parteiwillen bei der Auslegung des Vertrages.
Mit der vorliegenden Entscheidung bekräftigt der OGH seine bereits in früheren Entscheidungen kundgemachte Rechtsansicht, dass eine drohende Verletzung eines Syndikatsvertrags einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch begründet, der durch eine einstweilige Verfügung besichert werden kann und bietet für die Gesellschafter damit eine gute Möglichkeit sich vor treuwidrigen bzw rechtsmissbräuchlichen Beschlussfassungen zu schützen.
Andreas Bonelli ist Rechtsanwalt bei Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Sein Tätigkeitsschwerkpunkt liegt im Bereich Banking & Finance sowie Corporate/M&A, insbesondere in der Beratung von Banken und Unternehmen im Zusammenhang mit Finanzierungen und der Restrukturierung von Finanzierungen. Zudem ist Andreas Bonelli Autor von Fachpublikationen.