Das Bundesfinanzgericht setzte sich in zwei Entscheidungen (BFG 30.3.2022, RV/5100981/2017; 1.6.2022, RV/7100215/2019) mit der Thematik auseinander, welche Grundstücksgröße üblicherweise für den Bau eines Einfamilienhauses benötigt wird. In beiden Fällen war das Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung im Rahmen der Veräußerung der Liegenschaften dem Grunde nach unbestritten. Strittig war lediglich eine mögliche Limitierung der Befreiung aufgrund der Grundstücksgröße.
Die Liegenschaften waren laut Grundbuchauszügen 3.637 m² bzw 2.890 m² groß, wovon 264 m² bzw 300 m² bebaut waren. Nach Veräußerung der Liegenschaften mit Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung kam es in beiden Fällen in weiterer Folge zu einer Überprüfung durch das Finanzamt, welches schließlich ImmoESt festsetzte mit der Begründung, dass nur 1.000 m² Grund und Boden durch die Hauptwohnsitzbefreiung steuerfrei mitveräußert werden können. Die darüberhinausgehende Grundstücksfläche sei demnach nicht von der Befreiung erfasst und daher zu versteuern.
Begründend führte das Finanzamt aus, dass unter dem in der Befreiungsbestimmung angeführten Begriff „Eigenheim samt Grund und Boden“ das Eigenheim sowie der Grund und Boden, der als Garten oder Nebenfläche dient, zu verstehen sei. Die Hauptwohnsitzbefreiung stehe aber nur in jenem Ausmaß zu, als der Grund und Boden der Nutzung des Eigenheimes diene. Dies gelte bis zu einem Ausmaß, das üblicherweise als Bauplatz erforderlich sei, weshalb die Steuerbefreiung des Grund und Bodens auf eine Größe von 1.000 m² beschränkt sei.
Dagegen brachten die Beschwerdeführer:innen Beschwerden ein und beriefen sich auf den klaren Gesetzeswortlaut der Hauptwohnsitzbefreiung, welcher „Eigenheime samt Grund und Boden“ ohne jegliche Einschränkungen erfasse. Hätte der Gesetzgeber hier eine größenabhängige Grenze von Grund und Boden vorgesehen, wäre dies auch im Gesetz verankert worden. Des Weiteren seien Grund und Boden und das darauf befindliche Gebäude nach ständiger, jahrzehntelanger Rechtsprechung des VwGH als ein einheitliches Wirtschaftsgut zu sehen.
Das BFG wies in Anlehnung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.3.2017, Ro 2015/15/0025, die Beschwerden als unbegründet ab. Bis zu dieser Entscheidung war es umstritten, ob die Befreiung des Grund und Bodens einer flächenmäßigen Beschränkung unterliegt. In diesem Erkenntnis erläutert der VwGH, dass der unbestimmte Begriff des Eigenheimes „samt Grund und Boden“ der Auslegung bedürfe. Nach Ansicht des VwGH ist die Hauptwohnsitzbefreiung dahingehend auszulegen, dass dem begünstigten Eigenheim „Grund und Boden“ in einem Ausmaß zuzuordnen ist, das „üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist“. Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung. Das BFG zitiert hierzu einen Kommentar von Senatspräsidenten Dr. Zorn zu dem VwGH Erkenntnis, in welchem dieser ausführt, dass nach dem VwGH somit die Hauptwohnsitzbefreiung neben der Fläche, auf welcher das Gebäude errichtet ist, auch so viel an das Gebäude angebundener Fläche erfasst, als üblicherweise (nach der Verkehrsauffassung) als Bauplatz erforderlich ist. Er ergänzt, dass diese Fläche wohl kaum mehr als 1.000 m² sein wird.
Ausgehend von diesen Prämissen und weiteren Überlegungen bezugnehmend auf die örtlichen Bauvorschriften gelangt das BFG zur Ansicht, dass die Verkehrsauffassung im Sinne einer typisierenden Betrachtung für das gesamte Bundesgebiet verstanden werden muss, da es sonst zu willkürlichen Ergebnissen kommen würde. Nur in diesem Ausmaß erstreckt sich sodann die Steuerbefreiung auch auf den mitveräußerten Grund und Boden. Für die gegenständlichen Fälle bedeutet dies, dass nur das Gebäude sowie Grund und Boden im Ausmaß von 1.000 m² von der Hauptwohnsitzbefreiung umfasst sind. Die Veräußerung des darüberhinausgehenden Anteils hingegen unterliegt der Besteuerung, da nach der Verkehrsauffassung jeweils ein Bauplatz von 1.000 m² bei den bebauten Flächen (264 m² bzw 300 m²) als ausreichend erscheint. Gegen das Erkenntnis vom 30.3.2022, RV/5100981/2017 wurde Revision beim VwGH eingebracht.
In den gegenständlichen Fällen war nicht etwa die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung strittig, sondern die Steuerpflicht des 1.000 m² übersteigenden Grund und Bodens. Das BFG hat entschieden, dass nur 1.000 m² des Grund und Bodens von der ImmoESt befreit sind und dass von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen ist.
Patricia Wallner ist in der Steuerberatung bei Deloitte Wien beschäftigt. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Privatpersonen (Private Clients) und Privatstiftungen.
Mag. Johanna Kloner ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien und ist auf die Beratung von Privatpersonen (Private Clients), Familienunternehmen, Privatstiftungen sowie der Beratung im Bereich Immobilien- und Kapitalvermögensbesteuerung spezialisiert. Sie ist weiters Autorin diverser Fachbeiträge.