Nach dem Erkenntnis des VwGH ist ein Anspruch auf Erstattung einer Dividenden-KESt nur dann rechtens, wenn der Antragsteller (bereits) zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung wirtschaftlicher Eigentümer war. Mit seiner Entscheidung vom 28.6.2022, Ro 2022/13/0002, zur Frage der Rückerstattung von Kapitalertragsteuer bei sogenannten „Cum-Ex-Geschäften“ eröffnet der VwGH insoweit eine neue Flanke in der Abwicklung von Erstattungsverfahren und verweigert bei „Cum“-Erwerben die Erstattung der Dividenden-KESt.
Im vorliegenden Fall war die Antragstellerin in den Vereinigten Arabischen Emiraten steuerlich ansässig und begehrte die Erstattung der österreichischen Dividenden-KESt aufgrund des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens. Die Antragstellerin erwarb die gegenständlichen Aktien nach Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung mit Dividendenanspruch („cum“). Die Lieferung der Aktie erfolgte zeitversetzt bereits ohne Dividendenanspruch („ex“). Derartige Sachverhalte sind gemeinhin als „Cum-Ex-Geschäfte“ bekannt und erlangten in der Vergangenheit aufgrund potenziell steuerschädlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei derartigen Transaktionen iZm (vervielfachten) KESt-Erstattungen mediale Aufmerksamkeit.
In Reaktion auf die Vorgehensweise einiger Marktteilnehmer (vor allem in Deutschland) ordnete das österreichische BMF mit Informationsschreiben vom 18.9.2014 (erweitert bspw. im Rahmen einer EAS Auskunft vom 21.11.2014) bei Aktienverkäufen mit „cum/ex“-Aspekten der Einlieferung in das Depot des Erwerbers eine zentrale Rolle zu. Essenziell für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, für die steuerliche Zurechnung der Dividendenzahlung sowie in letzter Konsequenz für die KESt-Erstattungsberechtigung wäre die Einlieferung der Aktien bereits vor dem „Ex-Tag“. Das BMF hielt hierzu jedoch fest, dass diese für Veräußerungen mit cum/ex-Aspekten entwickelten speziellen Anforderungen an das wirtschaftliche Eigentum nicht die übrigen Grundsätze zur Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums von Gesellschaftsanteilen und der daraus bezogenen Erträge tangieren würden.
Der VwGH fokussiert in seiner Entscheidung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung:
Da die Aktien bereits mit Dividendenanspruch („cum“) und somit nach Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung erworben wurden, konnten die Dividenden der Käuferin nicht zugerechnet werden; die Käuferin war somit nicht zur Erstattung der Dividenden-KESt berechtigt.
Im Rahmen von (elektronisch zweistufig abgewickelten) KESt-Erstattungsverfahren sind durch den:die Antragsteller:in diverse Nachweise hinsichtlich der Antragsberechtigung bzw. des wirtschaftlichen Eigentums zu erbringen. Dies betrifft bspw. im Fall von öffentlich gehandelten Aktien unter anderem den Nachweis betreffend den Bestand zum letzten Tag vor dem „Ex-Tag“ im Eigenbestand der Antragstellerin mittels Depotauszug/Bestätigung der depotführenden Bank sowie eine Transaktionsliste hinsichtlich der betreffenden Aktien im Zeitraum von einem Monat vor und nach dem „Ex-Tag“. Zusätzlich reklamiert die Finanzverwaltung in der Praxis auch explizite Zusicherungen der Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf Vorstandsebene.
Der VwGH hat nunmehr wieder die Frage des wirtschaftlichen Eigentums im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Dividende in den Fokus gerückt und verweigerte im Fall des „Cum-Erwerbs“ die Erstattung der Dividenden-KESt. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung in der Abwicklung künftiger Erstattungsverfahren entsprechend reagieren wird. Das BMF hat hierzu bereits eine Rechtsansicht im Rahmen eines Informationsschreibens formuliert und dieses im Entwurf zur Begutachtung ausgesendet. Der finale Text des Informationsschreibens sowie ganz allgemein die weitere Vorgehensweise der Finanz mit Cum-Ex Sachverhalten für Steuerpflichtige bleibt abzuwarten.
Festzuhalten ist, dass der VwGH explizit nicht über die Frage des Nachweises des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums gesprochen hat. Ob somit der Übergang wirtschaftlich mit Abschluss der schuldrechtlichen Kaufvereinbarung oder aber entsprechend der Verwaltungspraxis mit Depoteinlieferung erfolgt, blieb aufgrund des „cum“-Erwerbs vom VwGH unbeantwortet.
Andreas Götz ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und als Senior Manager bei Deloitte in Wien tätig. Seine fachlichen Schwerpunkte bilden das internationale Steuerrecht, die Konzernsteuerplanung und –beratung sowie die Beratung im Bereich bankenspezifischer Themen auf Produkt- und Corporate-Ebene.