Posted: 11 Feb. 2022 6 min. read

Kein individueller Kündigungsschutz aufgrund von COVID-19-Kurzarbeit

Überblick

Die Kurzarbeit wurde als Instrument eingerichtet, welches in Zeiten von vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten Arbeitsplätze sichern soll. Auch während der COVID-19-Pandemie hat sie sich bewährt und wird bereits in einer 5. Phase fortgeführt. Durch den verhängten Lockdown im Dezember 2021 wurde sie in einigen Eckpunkten abgeändert. Damit sollte sichergestellt werden, dass auch weiterhin jene Unternehmen unterstützt werden, die von der COVID-19-Krisensituation betroffen sind.

In der Praxis bestand jedoch bislang Unklarheit, ob bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während aufrechter COVID-19-Kurzarbeit, oder zumindest in der Behaltefrist nach dieser, ein individueller Kündigungsschutz zu beachten ist. Eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser strittigen Frage gab es bisher nicht.

Der OGH hat in seinen Entscheidungen vom 22.10.2021 zu 8 ObA 48/21y und vom 29.11.2021 zu 8 ObA 50/21t diese strittige Frage nun abschließend geklärt.

Sachverhalt zur Entscheidung 8 ObA 48/21y

Ein Arbeitgeber schloss im ersten COVID-19-Lockdown mit 15 Arbeitnehmern (jedoch nicht mit dem klagenden Arbeitnehmer) eine Sozialpartnervereinbarung in Form einer Einzelvereinbarung über die COVID-19-Kurzarbeit ab. Mit 15.4.2020 kündigte der Arbeitgeber die Ausdehnung der COVID-19-Kurzarbeit auf alle Arbeitnehmer im Unternehmen an. Die Einbeziehung des klagenden Arbeitnehmers kam in der Folge jedoch nicht zustande. Das Arbeitsverhältnis zu diesem wurde durch Arbeitgeberkündigung aus personenbezogenen Gründen beendet. Der – aufgrund der Kündigung des Arbeitnehmers reduzierte – Beschäftigtenstand wurde wieder aufgefüllt. Der klagende Arbeitnehmer machte ua die Zahlung einer Kündigungsentschädigung geltend. Er argumentierte, dass der Arbeitgeber aufgrund der für die gesamte Belegschaft geltenden dreimonatigen Kurzarbeitsvereinbarung nicht berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis vor dem Ende der Behaltefrist aufzulösen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die Kündigung des Arbeitnehmers den Bedingungen der COVID-19-Kurzarbeit nicht widersprochen habe. Gegenständlich liege ein zulässiger Ausnahmefall einer Auflösung aus persönlichen Gründen bei Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes vor. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts.

Entscheidung des OGH

Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass sich aus den Bestimmungen des § 37b AMSG iVm den maßgeblichen Regelungen der Kurzarbeitsvereinbarungen keine Unwirksamkeit einer, während der COVID-19-Kurzarbeit oder der anschließenden Behaltefrist ausgesprochenen, Kündigung ergibt. Die Förderung (COVID-19-Kurzarbeitsbeihilfe) sei aber im Rahmen einer Kündigungsanfechtung bei der Beurteilung des Vorliegens von „betrieblichen Erfordernissen“ für die Kündigung zu berücksichtigen. Der OGH bestätigte somit die Abweisung der Klage. Da der Arbeitnehmer jedoch nicht von der Sozialpartnervereinbarung in Form einer Einzelvereinbarung erfasst war, weil er diese nicht unterzeichnete, ließ der OGH offen, ob durch den Abschluss der Einzelvereinbarung ein individueller Kündigungsschutz gegeben ist.

Sachverhalt zur Entscheidung 8 ObA 50/21t

Mit der klagenden Arbeitnehmerin wurde eine Sozialpartnervereinbarung in Form einer Einzelvereinbarung über die COVID-19-Kurzarbeit abgeschlossen. In weiterer Folge wurde das Arbeitsverhältnisdurch Arbeitgeberkündigung aus personenbezogenen Gründen zum 2.10.2020 beendet. Bereits am 1.10.2020 wurde ein neuer Mitarbeiter eingestellt, der die Tätigkeiten der Arbeitnehmerin verrichtete. Somit wurde der Beschäftigtenstand wieder aufgefüllt. Die klagende Arbeitnehmerin machte die Zahlung einer Kündigungsentschädigung geltend. Sie argumentierte, dass wegen der Behaltepflicht in der Einzelvereinbarung ein Kündigungsverbot bestanden habe.

Entscheidung des OGH

Im gegenständlichen Fall knüpfte der OGH an die Vorentscheidung zu 8 ObA 48/21y an. Zusammengefasst führte der OGH aus, dass jedenfalls vom Wortlaut der Sozialpartnervereinbarung auszugehen ist. Nach dieser können Arbeitgeberkündigungen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden. Die Sozialpartnervereinbarung nennt aber keine Rechtsfolge (also die Rechtsunwirksamkeit einer vereinbarungswidrig ausgesprochenen Kündigung) für den Fall eines Verstoßes gegen diese Vorgabe. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung lässt sich die Unwirksamkeit einer dennoch ausgesprochenen Kündigung daher nicht ableiten. Der OGH verwies in seiner Entscheidung auch auf eine vor der COVID-19-Pandemie von der Gewerkschaft erarbeitete Muster-Betriebsvereinbarung, welche explizit die Rechtsunwirksamkeit einer vereinbarungswidrig ausgesprochenen Kündigung vorsah. Sollte ein individueller Kündigungsschutz auch gegenständlich gewollt gewesen sein, wäre angesichts dessen eine ebensolche explizite Formulierung zu erwarten gewesen.

Fazit

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Abschluss einer Sozialpartnervereinbarung zur COVID-19 Kurzarbeit keinen individuellen Kündigungsschutz der betroffenen Arbeitnehmerin bzw des betroffenen Arbeitnehmers begründet.


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Dr. Stefan Zischka

Dr. Stefan Zischka

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Stefan Zischka ist Partner und leitet den Fachbereich Arbeitsrecht bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Arbeits- und Sozialrecht sowie Zivilprozessrecht (Litigation). Im Jahr 2017 schloss er sich JWO als Partner an. Vor JWO war Stefan Zischka als Rechtsanwalt in einer der größten Rechtsanwaltkanzleien Österreichs (CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte) und als Legal Counsel in der Erste Bank tätig.