Posted: 24 Jun. 2022 6 min. read

Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Bucheinsichts- und Informationsrechts

Überblick

Der OGH bestätigte erneut die Voraussetzungen für eine Verweigerung des Bucheinsichtsrechts von GmbH-Gesellschaftern:innen und führt zur Möglichkeit, die Bucheinsicht von der Unterfertigung einer Vertraulichkeitsvereinbarung abhängig zu machen, aus.

Jede:r GmbH-Gesellschafter:in hat ein gesetzlich normiertes Bucheinsichtsrecht. Darüber hinaus steht einem:einer Gesellschafter:in zusätzlich ein von der Rechtsprechung des OGH entwickelter, umfassender Informationsanspruch gegen die Gesellschaft zu. Dieser Anspruch ist vom Gesellschafter:in nicht näher zu begründen, da die Wahrnehmung der Gesellschafterpflichten – insbesondere die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung – umfassende Information über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangt.

Dieses zusätzliche Bucheinsichts- und Informationsrecht steht dem:der Gesellschafter:in jedoch nicht uneingeschränkt zu, sondern kann – sofern die Rechteausübung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen würde oder rechtsmissbräuchlich wäre – beschränkt werden. Die Inanspruchnahme des individuellen Bucheinsichts- und Informationsrechts ist in der Regel dann rechtsmissbräuchlich, wenn gesellschaftsfremde Interessen verfolgt werden und die Verwendung dieser Informationen zu einem nicht unerheblichen Nachteil bei der Gesellschaft führen würde. Nach der ständigen Rechtsprechung wird dies beispielsweise dann angenommen, wenn ein:e Gesellschafter:in durch die Ausübung seines Informationsrechts lediglich Geschäftsinformationen erhalten will, um diese in weiterer Folge für ein Unternehmen zu verwenden, welches in Konkurrenz zur Gesellschaft steht. Verweigert die Gesellschaft das Informationsrecht des:der Gesellschafters:in aufgrund einer (erwarteten) rechtsmissbräuchlichen Ausübung, dann trifft sie dafür die Behauptungs- und Beweislast. Die Gefährdung bei einer Einsichtnahme in die strittigen Geschäftsunterlagen sowie deren (Wettbewerbs-)Relevanz sind im Anlassfall konkret zu behaupten.

Mit der gegenständlichen Entscheidung hat der OGH diese Grundsätze nochmals bestätigt und weist zudem darauf hin, dass das Verlangen eine Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterschreiben, um das Informationsrecht ausüben zu können, bei fehlender Darlegung einer konkreten Missbrauchsgefahr überschießend und nicht gerechtfertigt sei.

Sachverhalt

Im gegenständlichen Fall verweigerte die Gesellschaft einem Gesellschaft die Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen aufgrund einer vermeintlichen rechtsmissbräuchlichen Rechteausübung. Um die Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren, verlangte die Gesellschaft vielmehr die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung durch den Gesellschafter, die eine verschuldensunabhängige Haftung des Gesellschafters sowie eine (Mindest-)Vertragsstrafe von EUR 3.000 für jeden Verstoß gegen die Vereinbarung vorsah. Der Gesellschafter machte daraufhin sein umfassendes nach der Rechtsprechung entwickeltes Bucheinsichtsrechts gerichtlich geltend.

Entscheidung des OGH

Der OGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen, wonach die Behauptungen der Gesellschaft über allgemeine Vorwürfe nicht hinausgingen und eine konkrete Gefahr eines Missbrauchs und einer Schädigung der Gesellschaft nicht vorlag. In diesem Zusammenhang wies der OGH darauf hin, dass die konkreten Behauptungen zum Missbrauch auch Angaben zur Gefährdung und Relevanz der strittigen Geschäftsunterlagen enthalten müssen.

Hinsichtlich der Möglichkeit das Bucheinsichtsrecht von der Unterfertigung einer Vertraulichkeitserklärung abhängig zu machen, führte der OGH aus, dass bei mangelnder Behauptung einer Missbrauchsgefahr jegliche Grundlage dafür fehlen würde. Darüber hinaus sei eine darin enthaltende Regelung, die eine verschuldensunabhängige Haftung für jeden Verstoß gegen die Vereinbarung und eine Mindestvertragsstrafe von EUR 3.000 vorsehe, als überschießend zu beurteilen.

Fazit

Die Entscheidung des OGH festigt die bisherige Rechtsprechung zum umfassenden Bucheinsichts- und Informationsrecht von GmbH-Gesellschaftern:innen. Wenngleich offen bleibt, ob die Gesellschaft bei der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Geschäftsunterlagen die Unterfertigung einer Vertraulichkeitsvereinbarung verlangen kann, weist der OGH jedoch daraufhin, dass eine darin enthaltene verschuldensunabhängige Haftung mit einer Mindestvertragsstrafe jedenfalls überschießend wäre.


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Dr. Maximilian Weiler

Dr. Maximilian Weiler

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Maximilian Weiler ist Rechtsanwalt und Gründungspartner von Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Er leitet die Praxisgruppen Corporate sowie Private Clients und beschäftigt sich schwerpunktmäßig im Bereich Corporate/M&A sowie mit der nationalen und internationalen Rechtsberatung von Family Offices, Stiftungen und Private Clients/High Net Worth Individuals in sämtlichen Bereichen der Vermögensverwaltung, Vermögensnachfolge und bei der Strukturierung und Abwicklung strategischer Investments. Maximilian Weiler ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und trägt an der Fachhochschule IMC Krems zu Wirtschaftsrecht vor.