Der nachfolgende Artikel über die neuen Verrechnungspreisrichtlinien 2021 (VPR 2021) wird dem Kapitel zu multinationale Betriebsstättenstrukturen gewidmet und befasst sich mit den wichtigsten Änderungen aus diesem Themenkreis.
Im Hinblick auf multinationale Betriebsstättenstrukturen beinhalten die VPR 2021 einige Klarstellungen sowie weitere Ausführungen unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis und aktueller Entwicklungen.
Im Gegensatz zu den VPR 2010 beinhalten die VPR 2021 nicht nur Ausführungen zur Gewinnzurechnung in Zusammenhang mit Bau- und Montagebetriebsstätten, sondern auch gewisse Klarstellungen zu Begriffsbestimmungen und Fristigkeiten. Im Wesentlichen lässt die Finanzverwaltung eine weite Auslegung der Begriffe „Bauausführung“ und „Montage“ zu, welche weitgehend im Einklang mit dem OECD-Musterkommentar steht. Hinsichtlich der Frist ist das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entscheidend. Grundsätzlich wird von einer Frist von 12 Monaten ausgegangen, jedoch können auch abweichende Regelungen bestehen. Im nationalen Recht hingegen ist die Frist mit 6 Monaten festgelegt, welche insbesondere im Verhältnis zu Staaten, mit welchem kein DBA abgeschlossen wurde, zu beachten ist.
Angesichts zunehmender Flexibilität und Mobilität des Arbeitsortes von Dienstnehmern wurde die Rechtsansicht der Finanzverwaltung in Bezug auf Homeoffice-Betriebsstätten, welche diese auch bisher schon in diversen EAS darlegte, gesammelt in die VPR 2021 aufgenommen.
Nach österreichischem innerstaatlichen Steuerrecht sowie nach Abkommensrecht können Betriebsstätten grundsätzlich nicht nur durch im Inland gelegene Büros oder Produktionsstätten, sondern auch durch andere feste örtliche Einrichtungen ausländischer Unternehmen begründet werden. Fraglich ist hingegen, ob auch feste örtliche Einrichtungen von Mitarbeitern bzw Mitarbeiterinnen, wie beispielsweise Wohnungen, in welchen Arbeitnehmer bzw Arbeitnehmerinnen im Homeoffice arbeiten, Betriebsstätten begründen können.
Nötig für die Begründung einer Betriebsstätte ist einerseits die Verfügungsmacht des Arbeitgebers bzw der Arbeitgeberin über die feste örtliche Einrichtung und andererseits eine gewisse Dauerhaftigkeit. Die Verfügungsmacht wird international sehr unterschiedlich ausgelegt. Während einige Finanzverwaltungen die Wohnungen von Mitarbeitern bzw Mitarbeiterinnen mangels Verfügungsmacht des Arbeitgebers bzw der Arbeitgeberin üblicherweise nicht als Betriebsstätte ansehen, vertritt die österreichische Finanzverwaltung die Ansicht, dass allein durch das Vereinbaren der Arbeitsleistung im Homeoffice eine faktische Verfügungsmacht besteht und daher eine Betriebsstätte vorliegen kann.
Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit sehen die VPR 2021 einen Schwellenwert iHv 25 % der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers bzw der Arbeitnehmerin vor, unter welchem noch keine Dauerhaftigkeit gegeben ist. Ist hingegen ein Schwellenwert von 50 % überschritten wird die Tätigkeit in der Wohnung explizit als dauerhaft eingestuft. Diese Schwellenwerte entstammen jedoch nicht aus Aussagen der OECD, sondern sind ausschließlich die Rechtsansicht der österreichischen Finanzverwaltung, welche diese in der Vergangenheit bereits in diversen EAS darlegte.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass unabhängig von obigen Ausführungen bestimmte Umstände nach Ansicht der Finanzverwaltung zur Begründung einer Betriebsstätte in Privatwohnungen von Mitarbeitern führen können. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise die Verwendung der Wohnung als Anlaufstelle für Kunden oder für Kundenbesprechungen oder ähnliche berufliche Termine erwähnt.
Dienstleistungsbetriebsstätten sind nur in einer sehr begrenzten Anzahl in österreichischen DBAs enthalten. Dennoch sollten diese nicht gänzlich übersehen werden, da auch in DBAs mit Nachbarländern (zB mit der Tschechischen Republik) das Konzept der Dienstleistungsbetriebsstätte vorgesehen ist. Die Finanzverwaltung widmet der Dienstleistungsbetriebsstätte in den VPR 2021 nun eine eigene Randziffer.
Im Grunde wird durch das Konzept der Dienstleistungsbetriebsstätten, durch eine physische Präsenz im Quellenstaat, eine Betriebsstätte des Leistungserbringers bzw der Leistungserbringerin begründet. Die VPR 2021 halten allerdings fest, dass das dadurch eingeräumte Besteuerungsrecht Österreichs nur sehr begrenzt in Anspruch genommen werden kann, da im österreichischen Steuerrecht lediglich die Quellenbesteuerung von kaufmännischer und technischer Beratung vorgesehen ist.
Der sogenannte Authorized OECD Approach (AOA) beschreibt die von der OECD entworfene Vorgehensweise für die Gewinnzuordnung an Betriebsstätten. Im Wesentlichen führt die Anwendung des AOA dazu, dass Betriebsstätten verbundenen Gesellschaften gleichgestellt werden. Eine vollumfängliche Anwendung setzt abkommensrechtlich die Vereinbarung eines dem Art 7 OECD-Musterabkommen in dessen aktueller Fassung entsprechenden Artikel in DBAs voraus. Da sämtliche von Österreich abgeschlossenen DBAs auf Art 7 OECD-MA idF vor 2010 basieren, wendet die österreichische Finanzverwaltung lediglich einen „AOA light“ an. Dies bedeutet, dass der AOA nur in Bezug auf die Kernaktivität eines Unternehmens anwendbar ist. Dies wurde in den VPR 2021 nochmals klargestellt und die Richtlinien um weitere Ausführungen diesbezüglich ergänzt.
Die Finanzverwaltung erkennt auch, dass Staaten den AOA unterschiedlich anwenden. So setzt Deutschland den AOA beispielsweise vollumfänglich um. Ausgehend davon sind Besteuerungskonflikte infolge einer abweichenden Auslegung in der Praxis nicht selten. Die Finanzverwaltung hält jedoch in diesem Zusammenhang lediglich fest, dass derartige Konflikte im Wege eines Verständigungsverfahrens zu lösen sind.
Das aktualisierte Kapitel 2 der österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien verschriftlicht Großteils die bereits bekannten Rechtsansichten der österreichischen Finanzverwaltung. Zusätzlich zu Angleichungen an das OECD-Musterabkommen werden insbesondere Stellungnahmen des BMF (EAS) sowie Judikatur miteinbezogen, die ausführliche Auslegungshinweise liefern.
Die in diesem Artikel dargestellten Änderungen sind nur jene, welche aus unserer Sicht für die betriebliche Praxis besondere Bedeutung haben, und stellen daher keine abschließende Auflistung aller Änderungen dar.
Sabina Panekova ist in der Steuerberatung im Transfer Pricing Team bei Deloitte Wien beschäftigt. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt sie in der Beratung von multinational agierenden Unternehmen. Ihre Tätigkeiten umfassen die Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen und der Beantwortung verrechnungspreisspezifischer Fragestellungen.
Daniel Gloser ist seit 2017 Berufsanwärter in der Steuerberatung bei Deloitte. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt er in der Beratung von multinational agierenden österreichischen Unternehmen und österreichischen Geschäftseinheiten ausländischer Unternehmensgruppen. Der Tätigkeitsumfang reicht hierbei von der Erstellung über die Dokumentation bis hin zur Verteidigung von Verrechnungspreissystemen in Außenprüfungen.