Posted: 17 Jun. 2022 6 min. read

VwGH: Herstellerbefreiung nur bei erstmaliger Errichtung eines Objekts?

Überblick

Der VwGH beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom 22.2.2022, Ra 2020/15/0001, mit der Frage, ob ein Zubau in den ersten beiden Obergeschossen sowie dem Dachgeschoss einer Liegenschaft als „selbst hergestelltes Gebäude“ zu qualifizieren sei und somit die Tatbestandsmerkmale für die Inanspruchnahme der Herstellerbefreiung als erfüllt angesehen werden können.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) errichtete Mitte der 70er-Jahre einen Zubau auf einem bereits bestehenden Gebäude. Die Liegenschaftsanteile des Bf beinhalteten Wohnräumlichkeiten in den ersten beiden Obergeschossen sowie dem Dachgeschoss. Im Jahr 2012 wurden die Liegenschaftsanteile vom Bf veräußert und die Herstellerbefreiung für selbst hergestellte Gebäude geltend gemacht. Aufgrund der Nichtvorlage geeigneter Unterlagen zum Nachweis der Voraussetzungen der Herstellerbefreiung wurde die Steuerbefreiung vom Finanzamt nicht berücksichtigt, weswegen der besondere Steuersatz in Höhe von 25 % (anwendbare Immo-ESt bis 31.12.2015) angewendet wurde. Gegen den gegenständlichen Einkommensteuerbescheid erhob der Bf Beschwerde, da er den Zubau selbst und unter Tragung des finanziellen Risikos hergestellt habe. Aufgrund dessen und aufgrund der Benutzung der Liegenschaft als Hauptwohnsitz seit der Fertigstellung, stehe ihm die Steuerbefreiung für selbst hergestellte Gebäude zu. In der Antwort auf die Bescheidbeschwerde führte das Finanzamt aus, dass aus den übermittelten Unterlagen (Baubescheid) zwar die Befugnis zur Errichtung des Zubaus zu entnehmen sei, jedoch nicht, ob der Bf das finanzielle Baurisiko getragen habe. Das BFG führte bei seiner Entscheidung aus, dass aufgrund des übermittelten Baubescheides ersichtlich wird, dass der Bf als Bauwerber gegenüber der Behörde aufgetreten und aufgrund seiner Behauptung davon auszugehen sei, dass er das finanzielle Risiko hinsichtlich der „Herstellungsaufwendungen“ getragen habe. Das BFG schätzte den auf das Gebäude entfallenden Anteil des Gesamtkaufpreises auf 80 % und brachte dafür die Steuerbefreiung zur Anwendung. Aufgrund einer von der Finanzverwaltung eingebrachten außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des BFG beschäftigte sich in der Folge der Verwaltungsgerichtshof mit dem Sachverhalt.

Entscheidung des VwGH

Das Höchstgericht stellte eingangs dar, dass es sich bei der Herstellerbefreiung um eine Steuerbefreiung von Einkünften aus der Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden handelt. Die Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden ist von der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen befreit, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben. Die Steuerbefreiung ist eine reine Befreiung für das Gebäude, weshalb die Veräußerung des Grund und Bodens steuerpflichtig zu behandeln ist. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist, dass der:die Steuerpflichtige die Bauherreneigenschaft besitzt, was bedeutet, dass die Person ein ins Gewicht fallendes (finanzielles) Baurisiko trägt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Baumaßnahmen zur Errichtung eines Gebäudes, somit zu einem Hausbau, führen. Der VwGH zitierte in diesem Zusammenhang seine vorhergehenden Rechtsprechungen und führte aus, dass Baumaßnahmen, welche als Herstellungsaufwendungen zu einer Änderung der Wesensart eines Gebäudes führen, noch nicht den Tatbestand des „selbst hergestellten Gebäudes“ erfüllen, da nach der Verkehrsauffassung nur die Errichtung eines Gebäudes, somit der „Hausbau“ als hergestelltes Gebäude angesehen werden kann. Des Weiteren führte der VwGH aus, dass grundsätzlich nur die erstmalige Errichtung eines Objekts von der Befreiungsbestimmung erfasst wird. Ergänzend dazu stellte der VwGH in einem Erkenntnis aus dem Jahr 2004 klar, dass ein Dachgeschossausbau und die damit verbundene Schaffung neuer Wohneinheiten die Voraussetzungen für die „Herstellerbefreiung“ nicht erfüllen, da die Revitalisierung und der Ausbau eines bestehenden Gebäudes aus dem bereits Vorhandenen kein anderes Wirtschaftsgut machen. Einen „Hausbau“ im Sinne der erstmaligen Errichtung eines Gebäudeobjektes stellt der Dachbodenausbau bzw die Herstellung von Dachgeschosswohnungen auch dann nicht dar, wenn dazu die „gesamte Dachhaut“ und der Dachstuhl des bisherigen Gebäudes entfernt werden mussten. Da das Erkenntnis des BFG, trotz amtswegiger Ermittlungspflicht, nicht beurteilt, ob der in den 70er-Jahren errichtete Zubau im Verhältnis zum bereits bestehenden Gebäude als Hausbau im Sinne der Rechtsprechung des VwGH zu qualifizieren sei, wurde das gegenständliche Erkenntnis vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensfehlern aufgehoben.

Fazit

In seinem Urteil fasste der VwGH die Voraussetzungen für die Anwendung der Herstellerbefreiung laut bisheriger Rechtsprechung zusammen und führte aus, dass das Tätigen von Herstellungsaufwendungen noch nicht ausreichend ist, um als „selbst hergestelltes Gebäude“ angesehen werden zu können. Angemerkt wurde auch, dass das Bundesfinanzgericht einer amtswegigen Ermittlungspflicht unterliegt, weswegen es nicht ausreicht, die Tragung des finanziellen Baurisikos anzunehmen, nur weil es sich laut Baubescheid um einen Zubau handelt.


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Mag. Johanna Kloner

Mag. Johanna Kloner

Senior Steuerberatung | Deloitte Österreich

Mag. Johanna Kloner ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien und ist auf die Beratung von Privatpersonen (Private Clients), Familienunternehmen, Privatstiftungen sowie der Beratung im Bereich Immobilien- und Kapitalvermögensbesteuerung spezialisiert. Sie ist weiters Autorin diverser Fachbeiträge.