Posted: 10 Jan. 2022 5 min. read

VwGH: Verzinsung aufgrund der verspäteten Erstattung von USt-Gutschriften

Überblick

Das österreichische Abgabenrecht kennt für Umsatzsteuerforderungen keine Verzinsungsvorschrift. Lediglich für bestimmte Abgabenarten (zB Ertragsteuern) sowie für Sonderfälle (wie etwa die Erstattung von zu Unrecht eingehobenen Abgaben nach einer erfolgreichen Beschwerde) sind  Tatbestände zur Verzinsung vorgesehen. In der Entscheidung vom 30.6.2021, Ro 2017/15/0035 widmete sich der VwGH nun der Rechtsfrage, ob Umsatzsteuergutschriften zu verzinsen sind, wenn eine Umsatzsteuerrückzahlung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Revisionswerber reichte eine UVA ein, in welcher er einen Vorsteuerüberschuss  geltend machte. Das Finanzamt setzte diesen Überschuss mit einem deutlich niedrigeren Betrag fest. Gegen diesen Bescheid brachte die revisionswerbende Partei ein Rechtsmittel ein, welchem stattgegeben wurde. Daraufhin beantragte der Steuerpflichtige beim Finanzamt Verzugszinsen, weil ihm der vollständige Überschussbetrag erst nach einem jahrelangen Rechtsmittelverfahren gutgeschrieben wurde. Die Abgabenbehörde gab dem Begehren jedoch nicht statt. Die im Anschluss eingebrachte Beschwerde wurde vom BFG mit der Begründung, dass auf Grund des klaren Wortlautes des § 205a BAO keine Zinsen zu zahlen sind, abgewiesen, weswegen der Steuerpflichtige sich mit einer Revision an den VwGH wandte.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH legte dem EuGH die Rechtsfrage zum Vorabentscheid vor, inwiefern ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Verzinsung von Umsatzsteuergutschriften unionsrechtlich geboten ist, wenn diese nicht innerhalb angemessener Frist erstattet werden. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass zwar keine unmittelbar anwendbare Unionsrechtsnorm existiert, jedoch sehr wohl eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen besteht, weswegen das nationale Recht unionsrechtskonform ausgelegt werden muss (siehe auch den Beitrag vom 28.5.2021; https://www2.deloitte.com/at/de/blog/deloitte-tax-blog/2021/verzugszinsen-bei-verspaeteter-festsetzung-von-umsatzsteuergutschriften-sind-zu-erstatten.html). Diese verpflichtende Verzinsung beruht vorwiegend auf dem Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems, welcher in diesem Fall verlangt, dass die verspätete Zahlung, welche sich negativ auf den Abgabenpflichtigen auswirkt, durch die Zahlung von Zinsen ausgeglichen werden muss. Zu den Modalitäten dieser Verzinsung äußerte sich der EuGH jedoch nicht. Aufbauend auf diesem Vorabentscheidungsverfahren entschied der VwGH, dass das nationale Recht keine Möglichkeit zur unionsrechtkonformen Interpretation bietet, weswegen man nur durch eine Gesamtanalogie der gesetzlichen Zinstatbestände zu einem allgemeinen Regelungsprinzip betreffend die Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen gelangt. Der Zinsanspruch der revisionswerbenden Partei besteht also zu Recht. Zu den genaueren Modalitäten dieser allgemeinen Verzinsungsregelung hat der VwGH noch keine Stellung genommen, wobei eine sinngemäße Anwendung des § 205 BAO uE eine verfahrensökonomische Lösung wäre, um den unionsrechtskonformen Zustand einer Verzinsung von Umsatzsteueransprüchen herzustellen. Ableiten lässt sich aus der VwGH-Entscheidung jedoch, dass bei der Verzinsung von Umsatzsteueransprüchen ein Zinssatz von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz heranzuziehen ist.

Fazit und Empfehlung

Bezüglich der Verzinsung von Umsatzsteuergutschriften und Vorsteuerüberschüssen, welche verspätet gutgeschrieben werden, enthält das österreichische Abgabenrecht zwar keine unmittelbar anwendbare Regelung, jedoch ist eine Verzinsung unionsrechtlich geboten. Durch eine Gesamtanalogie gelangt man zu einer allgemeinen Verzinsungsregelung von Umsatzsteuergutschriften, die verspätet entrichtet werden. Da sich die Rechtsprechung noch nicht mit den Modalitäten dieser Verzinsung auseinandergesetzt hat, existieren verschiedene mögliche Vorgehensweisen, wobei die naheliegendste die Orientierung an der Anspruchsverzinsung gemäß § 205 BAO darstellt. Liegen daher lange Zeiträume zwischen dem Ablauf eines UVA-Zeitraums und einer Gutschrift am Abgabenkonto oder Festsetzung einer Gutschrift im Zuge einer Jahresveranlagung, empfiehlt es sich, eine Verzinsung beim Finanzamt zu beantragen. 


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Anna Roth, LL.M., BSc.

Anna Roth, LL.M., BSc.

Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Anna Roth ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Abgabenverfahrensrecht und Rechtsmittelverfahren.

Mag. Robert Rzeszut

Mag. Robert Rzeszut

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Mag. Robert Rzeszut ist Steuerberater und Partner im Bereich Tax Litigation bei Deloitte Österreich in Wien. Er ist Experte für Abgaben-Verfahrensrecht und führt insbesondere komplizierte und umfangreiche Beschwerden und Revisionen an die Verwaltungsgerichte, an Höchstgerichte sowie internationale Verständigungsverfahren. Als zertifizierter Finanzstrafrechtsexperte ist er überdies auf Selbstanzeigen und finanzstrafrechtliche Verteidigung spezialisiert.Als stv. Leiter der Arbeitsgruppe Verfahrensrecht im Fachsenat für Steuer- und Sozialrecht der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen (KSW) ist Mag. Rzeszut bestens mit akteullen Entwicklungen in seinen Spezialgebieten betraut. Darüber hinaus ist Mag. Rzeszut Herausgeber des KSW-Leitfadens für Betriebsprüfungen sowie des großen „Stoll“-Kommentars zur Bundesabgabenordnung (BAO). Weiters ist Mag. Rzeszut Autor zahlreicher Fachpublikationen im Steuerrecht und als Fachvortragender tätig. Als solcher leitet er den renommierten Lehrgang zum Verfahrensrecht auf der Akademie der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen.