Die Richtlinie [EU] 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige erfordert Änderungen im österreichischen Arbeits- und Sozialrecht. Im September 2023 wurden vom Parlament daher unter anderem nachstehende Änderungen beschlossen:
1.1. Änderungen des Ausmaßes der Elternkarenz
Der Anspruch auf die volle Karenzdauer bis zum 2. Geburtstag des Kindes soll künftig nur dann bestehen, wenn jeder Elternteil mindestens zwei Monate in Karenz geht. Nimmt nur einer der beiden Elternteile die Karenz in Anspruch, soll die Karenz bereits mit Ablauf des 22. Lebensmonats des Kindes und somit zwei Monate früher als nach der alten Rechtslage enden. Ausnahmen von dieser Regelung bestehen für Alleinerziehende und Eltern, bei denen ein Elternteil keinen Anspruch auf Karenz hat (zB Selbständige oder Arbeitslose).
1.2. Änderungen bei der aufgeschobenen Karenz
Im Rahmen der aufgeschobenen Karenz konnten Elternteile schon bisher die Karenz drei Monate aufschieben und zu einem späteren Zeitpunkt, bis zum 7. Geburtstag des Kindes verbrauchen.
Nunmehr wurde eine Begründungspflicht für Arbeitgeber:innen normiert, wenn diese den Karenzaufschiebungswunsch bzw gewünschten Antrittszeitpunkt der Arbeitnehmer:innen ablehnen.
Darüber hinaus wird ein zusätzlicher Motivkündigungsschutz eingeführt. Demnach kann eine Kündigung, die wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich geltend gemachten aufgeschobenen Karenz ausgesprochen wurde, als motivwidrig beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden.
1.3. Änderungen bei der Elternteilzeit
Bei der Elternteilzeit wird der äußerste Zeitrahmen vom 7. auf den 8. Geburtstag des Kindes ausgedehnt. Innerhalb dieses Zeitraumes beträgt die Maximaldauer der Elternteilzeit, wenn ein Rechtsanspruch auf Elternteilzeit besteht, sieben Jahre, wovon die Zeiten des Beschäftigungsverbotes sowie der Karenz abzuziehen sind.
Besteht kein Rechtsanspruch auf Elternteilzeit ist kein Höchstausmaß vorgesehen. Darüber hinaus wird klargestellt, dass Arbeitnehmer:innen, die ihren Anspruch auf Elternteilzeit bis zum Ausmaß von sieben Jahren bereits ausgeschöpft haben, für das 8. Lebensjahr Elternteilzeit vereinbaren können.
Weiters ist auch in diesem Zusammenhang eine Begründungspflicht der Arbeitgeber:innen vorgesehen, sofern diese den Wunsch von Arbeitnehmer:innen, die keinen gesetzlichen Anspruch auf Elternteilzeit haben, ablehnen.
Auch der vorhandene Motivkündigungsschutz bei Elternteilzeit nach dem 4. Lebensjahr des Kindes wird verschärft. Nunmehr haben Arbeitgeber:innen die Kündigung auf Verlangen der betroffenen Arbeitnehmer:innen binnen fünf Tagen nach Ausspruch derselben schriftlich zu begründen.
Die Inanspruchnahme einer Pflegefreistellung ist nunmehr auch für nahe Angehörige (Partner, Eltern, Kinder etc) möglich, mit denen kein gemeinsamer Haushalt besteht. Zudem soll eine Pflegefreistellung zukünftig auch zur Pflege von Personen im gemeinsamen Haushalt zustehen, die keine Angehörigen sind (bspw Mitbewohner:innen in einer Wohngemeinschaft).
Zusätzlich wird auch für eine begehrte oder in Anspruch genommene Pflegefreistellung ein Motivkündigungsschutz bzw eine Begründungspflicht (ähnlich den Bedingungen bei der Elternteilzeit; siehe oben) eingeführt.
Darüber hinaus wird auch für die Ablehnung bestimmter weiterer Anträge bzw Wünsche der Arbeitnehmer:innen eine schriftliche Begründungspflicht normiert. Dies betrifft zum einen den Wunsch auf Arbeitszeitverminderung zur vorübergehenden Betreuung von nahen Angehörigen, wenn der:die Arbeitnehmer:in das 50. Lebensjahr bereits vollendet hat, sowie zum anderen den Antrag auf Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit. Verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen bei Zuwiderhandeln der Arbeitgeber:innen sind bislang nicht vorgesehen. Weiters wird auch in diesem Zusammenhang eine Begründungspflicht bei Kündigungen normiert.
Darüber hinaus werden die Diskriminierungsbestimmungen nach dem GlBG erweitert. Demnach sind die Rechtsfolgen des GlBG auch bei einer Diskriminierung in Folge von Elternkarenz, Elternteilzeit, Papamonat, Pflegefreistellung, dringender familiärer Dienstverhinderung infolge Erkrankung oder Unfall sowie Betreuungsteilzeit anzuwenden.
Nunmehr ist vorgesehen, dass der Ablauf von gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder dienstvertraglich normierten Verjährungs- und Verfallsfristen durch Karenz, Pflegekarenz oder -freistellung, krankheits- oder unfallbedingte Dienstfreistellungen, Freistellung zur Begleitung schwerstkranker Kinder oder Sterbebegleitung bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung der entsprechenden Freistellung gehemmt wird.
Die gesetzlichen Änderungen treten großteils mit 1.11.2023 in Kraft. Die Erhöhung des Familienzeitbonus gilt für Geburten ab 1.8.2023.
Die geplanten Änderungen erweitern nachhaltig den Schutz von Arbeitnehmer:innen. Ob durch die Änderungen im Hinblick auf die Teilung der Elternkarenz der gewünschte Effekt erzielt wird und mehr Väter eine Karenz in Anspruch nehmen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls besteht generell gesetzlich, wie auch gesellschaftspolitisch noch Spielraum für Regelungen und Mechanismen, die eine gleichmäßigere Verteilung der klassischen Care-Arbeit begünstigen.
Maximilian Walka ist Rechtsanwaltsanwärter bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal und Mitglied des Praxisteams Arbeitsrecht. Seine Tätigkeitssschwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht und Insolvenzrecht.
Friederike Hollmann ist Rechtsanwältin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal und Mitglied des Praxisteams Employment Law. Ihre Tätigkeitssschwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsrecht und Litigation. Sie verfügt über langjährige Beratungspraxis und vetritt Mandanten regelmäßig vor Gerichten und Behörden.