Posted: 12 Jan. 2023 6 min. read

Insolvenzrechtliche Anfechtung der Einbringung eines Teilbetriebs in eine Tochtergesellschaft

Überblick

 

Der OGH hat sich unlängst mit der Anfechtung der Einbringung eines Teilbetriebs in eine Tochtergesellschaft in der späteren Insolvenz der übertragenden Muttergesellschaft auseinandergesetzt (OGH vom 12.07.2022, 17 Ob 13/21t). Zu beurteilen hatte der OGH zum einen, ob die Einbringung „unentgeltlich“ im Sinne des Insolvenzrechts erfolgte, da keine neuen Anteile an der Tochtergesellschaft gewährt wurden. Zum anderen setzte sich dieser mit der Frage auseinander, inwiefern die Gläubiger:innen der insolventen Muttergesellschaft durch die Einbringung benachteiligt wurden.

 

Sachverhalt

 

Im vom OGH zu beurteilenden Fall brachte die spätere Schuldnerin einen Teilbetrieb in eine neugegründete Tochtergesellschaft ein, deren Alleingesellschafterin die Schuldnerin war. Dies sollte dem späteren Einstieg eines Investors dienen. Da die einbringende Schuldnerin Alleingesellschafterin der übernehmenden Tochtergesellschaft war, konnte die Einbringung umgründungssteuerrechtlich auch ohne die Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Tochter – also ohne eine „Gegenleistung“ – erfolgen. Zum Einstieg des Investors kam es jedoch nicht. Vielmehr wurden über das Vermögen der Schuldnerin 2017 und 2019 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. 

Der Masseverwalter der insolventen Muttergesellschaft hat daraufhin die Einbringung des Teilbetriebs in die Tochter unter anderem deswegen angefochten, da er (i) in der Einbringung wegen der Nichtgewährung neuer Anteile eine unentgeltliche Verfügung über Vermögen der Schuldnerin erblickte und (ii) die Schuldnerin ihre Gläubiger absichtlich benachteiligt hätte.

 

Zur Anfechtung einer unentgeltlichen Verfügung

 

Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, sind unentgeltliche Verfügungen des:der Schuldner:in anfechtbar, die diese:r in den letzten zwei Jahren vor Insolvenzeröffnung vorgenommen hat. Der OGH hatte daher zunächst zu beurteilen, ob es sich bei der Einbringung des Teilbetriebs in die Tochtergesellschaft ohne die Gewährung neuer Anteile um eine unentgeltliche Verfügung handelt.

Anders als die Vorinstanzen entschied der OGH, dass die konkrete Einbringung keine unentgeltliche Verfügung darstellte. Die übertragende Schuldnerin hat auf Grund ihrer unmittelbaren Beteiligung (100%) an der übernehmenden Tochtergesellschaft keine Vermögenseinbußen erlitten. Das abgehende Eigentum am eingebrachten Teilbetrieb wurde durch die Erhöhung des Beteiligungswerts an der Tochtergesellschaft ausgeglichen. Da die Tochtergesellschaft auch nicht überschuldet war, ist eine Anfechtung der Einbringung wegen „Unentgeltlichkeit“ der Verfügung somit ausgeschlossen.

 

Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht

 

Rechtshandlungen des:der Schuldner:in, die diese:r in den letzten zehn Jahren vor Insolvenzeröffnung getätigt hat und welche seine:ihre Gläubiger:innen benachteiligen, können angefochten werden, wenn der:die Schuldner:in eine Benachteiligung seiner:ihrer Gläubiger:innen zumindest ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet (Benachteiligungsabsicht). Dem anderen Teil (hier: Tochtergesellschaft) muss die Benachteiligungsabsicht des:der Schuldner:in bekannt sein.

Ob Gläubiger:innen einer insolventen Muttergesellschaft durch die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Tochtergesellschaft objektiv benachteiligt werden, ist laut OGH im Einzelfall zu beurteilen. Die Tatsache, dass Gläubiger:innen der übertragenden Muttergesellschaft nicht unmittelbar auf das eingebrachte Vermögen zugreifen können, spricht für das Vorliegen einer objektiven Benachteiligung. Weiters benachteilige die Einbringung eines Teilbetriebs die Gläubiger:innen der:des Einbringenden dann, wenn die exekutive Verwertung der Geschäftsanteile schwieriger ist als jene von den eingebrachten körperlichen Sachen. Dies sei laut OGH der Regelfall, jedoch könne dies allen voran im Fall der Alleingesellschafterstellung der:des Einbringenden auch anders zu beurteilen sein.

Insbesondere die Einbringung eines Teilbetriebs in eine bestehende, wirtschaftlich tätige Gesellschaft könne auch zum Vorteil der Gläubiger:innen der einbringenden Muttergesellschaft sein, wenn der Wert der Tochtergesellschaft (und damit letztendlich der Wert der Beteiligung) durch den eingebrachten Teilbetrieb überproportional steigt.

Auf dieser Basis prüfte der OGH den konkreten Sachverhalt und kam im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Eine abschließende Entscheidung traf der OGH jedoch nicht, da ihm zur Beurteilung der Benachteiligungsabsicht die Feststellungen durch das Erstgericht fehlten. Das Erstgericht hat nun insbesondere festzustellen, ob die Schuldnerin bzw deren Vertreter:innen es zumindest ernstlich für möglich gehalten hatte, die Gläubiger:innen der Schuldnerin durch die Einbringung zu benachteiligen oder sogar in der Absicht handelte, etwaige Vollstreckungsmaßnahmen vorrübergehend zu vereiteln bzw zu erschweren.

 

Fazit

 

Das Fehlen einer Vermögenseinbuße beim Einbringenden schließt bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise von vornherein aus, dass eine unentgeltliche Verfügung im anfechtungsrechtlichen Sinn vorliegt. Die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Gesellschaft, an der die einbringende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar allein beteiligt ist, stellt eine neutrale Umschichtung dar und ist in der Insolvenz des Einbringenden jedenfalls dann nicht als unentgeltliche Verfügung anfechtbar, wenn die übernehmende Gesellschaft nicht überschuldet ist.

Es kann aber im Einzelfall zu einer Benachteiligung der Gläubiger:innen der einbringenden Muttergesellschaft kommen. Dies ist laut OGH bspw dann der Fall, wenn die Gläubiger:innen der übernehmenden Tochtergesellschaft vorrangig auf das eingebrachte Vermögen greifen und es durch die Einbringung nicht zu einer überproportionale Wertsteigerung bei der übernehmenden Tochtergesellschaft kommt. Dies benachteiligt Gläubiger:innen der alleinigen Muttergesellschaft, da diese nicht mehr direkt auf das eingebrachte Vermögen zugreifen können und eine exekutive Verwertung von Geschäftsanteilen schwieriger ist als jene von körperlichen Sachen. Ob Gläubiger:innen der einbringenden Muttergesellschaft konkret benachteiligt wurden, ist jedoch jeweils im Einzelfall festzustellen. Zudem muss für eine erfolgreiche Anfechtung immer auch eine Benachteiligungsabsicht der:des Einbringenden vorliegen.

 

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Mag. Valentina Christl, BA

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Valentina Christl ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem im Bereich Banking & Finance.  

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Andreas Bonelli ist Rechtsanwalt bei Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Sein Tätigkeitsschwerkpunkt liegt im Bereich Banking & Finance sowie Corporate/M&A, insbesondere in der Beratung von Banken und Unternehmen im Zusammenhang mit Finanzierungen und der Restrukturierung von Finanzierungen. Zudem ist Andreas Bonelli Autor von Fachpublikationen.