Die derzeit im Entwurf vorliegende „Richtlinie zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU“ („ATAD III Richtlinie“) soll der Steuerumgehung durch die Zwischenschaltung substanzloser Gesellschaften entgegenwirken. Die vorgeschlagene Richtlinie beabsichtigt die Einführung umfassender Berichtspflichten für Briefkastenfirmen, die unter Umständen den Verlust von Steuervorteilen mit sich bringen können. Mit Blick auf die für 2024 angestrebte Umsetzung der neuen Vorschriften werden multinationale Konzerne ihre Unternehmensstrukturen überprüfen müssen, um mögliche Auswirkungen frühzeitig zu erkennen.
Ende 2022 hat die EU-Kommission den aktuellen Entwurf für die ATAD III Richtlinie veröffentlicht. Dieser Entwurf wurde durch das EU-Parlament begutachtet, welches am 17.1.2023 Änderungen zum Entwurf veröffentlichte. Die ATAD III Richtlinie nimmt die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen ins Visier – es soll sichergestellt werden, dass in der EU ansässige Unternehmen, die bestimmte Mindestsubstanzkriterien nicht erfüllen, keine Steuervorteile erlangen können. Die fehlende wirtschaftliche Substanz wird anhand von „Gateway-Kriterien“ vom Unternehmen selbst überprüft und bei Nichterfüllung der Mindestsubstanzkriterien in weitere Folge an die Finanzverwaltung gemeldet. Die Einstufung als Briefkastenfirma im Sinne der ATAD III Richtlinie zieht in weiterer Folge erhebliche steuerrechtliche Folgen nach sich.
Im ersten Schritt wird im Rahmen eines „Gateway-Tests“ überprüft. Für die Beurteilung, ob ein Unternehmen iSd ATAD III über ein Mindestmaß an Substanz verfügt, wurden drei Gateway-Kriterien bzw Schwellenwerte (Stand nach Anpassungen durch das EU-Parlament) festgelegt:
Sofern ein Unternehmen alle drei Kriterien erfüllt und nicht unter eine der Ausnahmen in der Richtlinie (zB für beaufsichtigte Finanzunternehmen) fällt, werden gewisse Offenlegungs- und Berichtspflichten ausgelöst. Diesen zu Folge muss in der Steuererklärung jährlich über die folgenden Indikatoren zur Beurteilung der Mindestsubstanz Auskunft erteilt werden:
Für Unternehmen, welche die Mindestsubstanzindikatoren erfüllen und dies entsprechend in der Steuererklärung nachweisen können, gilt die Vermutung einer ausreichenden Mindestsubstanz für steuerliche Zwecke.
Wenn ein Unternehmen hingegen die oben angeführten Indikatoren nicht erfüllt oder keine zufriedenstellende Nachweise erbringt, wird von der Finanzverwaltung angenommen, dass es keine ausreichende Mindestsubstanz vorliegt und daher das Unternehmen in den Anwendungsbereich der ATAD III Richtlinie fällt.
Insofern die Vermutung der fehlenden Mindestsubstanz nicht widerlegt werden kann, sieht die Richtlinie umfangreiche steuerliche Konsequenzen vor, die eine ausreichende Besteuerung der Einkünfte sicherstellen sollen. Diese reichen von der Besteuerung der relevanten Einkünfte auf Ebene der Anteilseigner:innen der Briefkastenfirma, unbeachtlich, ob es sich dabei um juristische oder natürliche Personen handeln, bis hin zur Verwehrung der Ausstellung von Ansässigkeitsbescheinigungen oder der Ausstellung mit dem Vermerk, dass es sich um ein substanzloses Unternehmen handelt.
Darüber hinaus sind Mitgliedstaaten angehalten, effektive, verhältnismäßige und abschreckende Strafen vorzusehen. Für eine nicht fristgerechte Erfüllung der Berichtspflichten belaufen sich die Sanktionen nach Anpassung durch das EU-Parlament auf mindestens 2 % der Umsatzerlöse der betroffenen Gesellschaft, wohingegen im Falle von falschen Angaben eine Strafe in Höhe von mindestens 4 % der Einnahmen vorgesehen wird. Sollte das Unternehmen keine oder nur geringe Umsätze erwirtschaften, wird das Gesamtvermögen als Bemessungsgrundlage der Strafen herangezogen.
Mit dem dargestellten Richtlinienentwurf sollen die Maßnahmen gegen Steuervermeidung mittels Briefkastenfirmen auf EU-Ebene einheitlich geregelt werden. Obwohl das Inkrafttreten der Vorschriften für 2024 angedacht ist, könnte sich die Umsetzung auf Grund des engen Zeitplans auf 2025 verschieben. Nichtdestotrotz besteht für einige Unternehmen die Notwendigkeit bestehende Strukturen zu überprüfen und bei Bedarf zeitnah anzupassen. Da für die meisten Kriterien des Gateway-Tests die beiden vorangegangenen Steuerjahre relevant sind, wären bei Wirksamkeitsbeginn der Richtlinie ab 1.1.2024 bereits die Steuerjahre 2022 und 2023 zu berücksichtigen.
Sabina Panekova ist in der Steuerberatung im Transfer Pricing Team bei Deloitte Wien beschäftigt. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt sie in der Beratung von multinational agierenden Unternehmen. Ihre Tätigkeiten umfassen die Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen und der Beantwortung verrechnungspreisspezifischer Fragestellungen.
Daniel Gloser ist seit 2017 Berufsanwärter in der Steuerberatung bei Deloitte. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt er in der Beratung von multinational agierenden österreichischen Unternehmen und österreichischen Geschäftseinheiten ausländischer Unternehmensgruppen. Der Tätigkeitsumfang reicht hierbei von der Erstellung über die Dokumentation bis hin zur Verteidigung von Verrechnungspreissystemen in Außenprüfungen.