Posted: 05 Jun. 2023 4 min. read

ATAD III Richtlinie zur missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen

Mindestsubstanzkriterien für EU-Unternehmen und steuerrechtliche Folgen der ATAD III Richtlinie

Überblick

 

Die derzeit im Entwurf vorliegende „Richtlinie zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU“ („ATAD III Richtlinie“) soll der Steuerumgehung durch die Zwischenschaltung substanzloser Gesellschaften entgegenwirken. Die vorgeschlagene Richtlinie beabsichtigt die Einführung umfassender Berichtspflichten für Briefkastenfirmen, die unter Umständen den Verlust von Steuervorteilen mit sich bringen können. Mit Blick auf die für 2024 angestrebte Umsetzung der neuen Vorschriften werden multinationale Konzerne ihre Unternehmensstrukturen überprüfen müssen, um mögliche Auswirkungen frühzeitig zu erkennen.

 

Der Richtlinienvorschlag im Überblick

 

Ende 2022 hat die EU-Kommission den aktuellen Entwurf für die ATAD III Richtlinie veröffentlicht. Dieser Entwurf wurde durch das EU-Parlament begutachtet, welches am 17.1.2023 Änderungen zum Entwurf veröffentlichte. Die ATAD III Richtlinie nimmt die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen ins Visier – es soll sichergestellt werden, dass in der EU ansässige Unternehmen, die bestimmte Mindestsubstanzkriterien nicht erfüllen, keine Steuervorteile erlangen können. Die fehlende wirtschaftliche Substanz wird anhand von „Gateway-Kriterien“ vom Unternehmen selbst überprüft und bei Nichterfüllung der Mindestsubstanzkriterien in weitere Folge an die Finanzverwaltung gemeldet. Die Einstufung als Briefkastenfirma im Sinne der ATAD III Richtlinie zieht in weiterer Folge erhebliche steuerrechtliche Folgen nach sich.

 

Gateway-Kriterien und Substanzüberprüfung

 

Im ersten Schritt wird im Rahmen eines „Gateway-Tests“ überprüft. Für die Beurteilung, ob ein Unternehmen iSd ATAD III über ein Mindestmaß an Substanz verfügt, wurden drei Gateway-Kriterien bzw Schwellenwerte (Stand nach Anpassungen durch das EU-Parlament) festgelegt:

  • Einkünfte: Mehr als 65 % der Einkünfte des Unternehmens in den beiden vorangegangenen Steuerjahren bestehen aus „relevanten Einkünften“ wie Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und Einkünften aus Kryptoassets, Versicherungen und Immobilien usw;
  • Grenzüberschreitende Tätigkeit: Mehr als 55 % des Buchwerts der Vermögenswerte des Unternehmens befinden sich seit mindestens zwei Jahren außerhalb des Mitgliedstaats des Unternehmens oder mehr als 55 % der relevanten Einkünfte des Unternehmens werden durch grenzüberschreitende Transaktionen erzielt oder gezahlt;
  • Management und Verwaltung: Das Unternehmen hat die Verwaltung seines Tagesgeschäfts und die Entscheidungsfindung ausgelagert. Vom EU-Parlament wurde hierbei „to a third party“ ergänzt. Ob in diesem Sinne auch ein anderes Konzernunternehmen als „Dritter“ zu verstehen ist, ist nicht eindeutig. Die Tatsache, dass dieser Passus ergänzt wurde, könnte allerdings darauf hinweisen, dass tatsächlich fremde Dritte gemeint sind und daher die Auslagerung im Konzern unbedenklich ist, da andernfalls die Ergänzung wohl nicht nötig wäre.

Sofern ein Unternehmen alle drei Kriterien erfüllt und nicht unter eine der Ausnahmen in der Richtlinie (zB für beaufsichtigte Finanzunternehmen) fällt, werden gewisse Offenlegungs- und Berichtspflichten ausgelöst. Diesen zu Folge muss in der Steuererklärung jährlich über die folgenden Indikatoren zur Beurteilung der Mindestsubstanz Auskunft erteilt werden:

  • Ob das Unternehmen über eigene oder zur ausschließlichen Nutzung überlassene Büroräumlichkeiten verfügt, wobei nach Anpassung durch das EU-Parlament hierzu auch Räumlichkeiten, die mit Mitgliedern derselben Unternehmensgruppe geteilt werden, dem Erfordernis genügen;
  • Ob das Unternehmen über ein eigenes und aktives Bankkonto in der EU verfügt, wobei nach Anpassung durch das EU-Parlament nur solche Konten maßgeblich sind, über welche die relevanten Einkünfte bezogen werden;
  • Bestimmte Indikatoren in Bezug auf Geschäftsführung und Mitarbeiter:innen des Unternehmens.

Für Unternehmen, welche die Mindestsubstanzindikatoren erfüllen und dies entsprechend in der Steuererklärung nachweisen können, gilt die Vermutung einer ausreichenden Mindestsubstanz für steuerliche Zwecke.

Wenn ein Unternehmen hingegen die oben angeführten Indikatoren nicht erfüllt oder keine zufriedenstellende Nachweise erbringt, wird von der Finanzverwaltung angenommen, dass es keine ausreichende Mindestsubstanz vorliegt und daher das Unternehmen in den Anwendungsbereich der ATAD III Richtlinie fällt.

 

Steuerrechtliche Folgen und Sanktionen

 

Insofern die Vermutung der fehlenden Mindestsubstanz nicht widerlegt werden kann, sieht die Richtlinie umfangreiche steuerliche Konsequenzen vor, die eine ausreichende Besteuerung der Einkünfte sicherstellen sollen. Diese reichen von der Besteuerung der relevanten Einkünfte auf Ebene der Anteilseigner:innen der Briefkastenfirma, unbeachtlich, ob es sich dabei um juristische oder natürliche Personen handeln, bis hin zur Verwehrung der Ausstellung von Ansässigkeitsbescheinigungen oder der Ausstellung mit dem Vermerk, dass es sich um ein substanzloses Unternehmen handelt.

Darüber hinaus sind Mitgliedstaaten angehalten, effektive, verhältnismäßige und abschreckende Strafen vorzusehen. Für eine nicht fristgerechte Erfüllung der Berichtspflichten belaufen sich die Sanktionen nach Anpassung durch das EU-Parlament auf mindestens 2 % der Umsatzerlöse der betroffenen Gesellschaft, wohingegen im Falle von falschen Angaben eine Strafe in Höhe von mindestens 4 % der Einnahmen vorgesehen wird. Sollte das Unternehmen keine oder nur geringe Umsätze erwirtschaften, wird das Gesamtvermögen als Bemessungsgrundlage der Strafen herangezogen.

 

Fazit

 

Mit dem dargestellten Richtlinienentwurf sollen die Maßnahmen gegen Steuervermeidung mittels Briefkastenfirmen auf EU-Ebene einheitlich geregelt werden. Obwohl das Inkrafttreten der Vorschriften für 2024 angedacht ist, könnte sich die Umsetzung auf Grund des engen Zeitplans auf 2025 verschieben. Nichtdestotrotz besteht für einige Unternehmen die Notwendigkeit bestehende Strukturen zu überprüfen und bei Bedarf zeitnah anzupassen. Da für die meisten Kriterien des Gateway-Tests die beiden vorangegangenen Steuerjahre relevant sind, wären bei Wirksamkeitsbeginn der Richtlinie ab 1.1.2024 bereits die Steuerjahre 2022 und 2023 zu berücksichtigen. 

 

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Sabina Panekova, LL.B.

Sabina Panekova, LL.B.

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Sabina Panekova ist in der Steuerberatung im Transfer Pricing Team bei Deloitte Wien beschäftigt. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt sie in der Beratung von multinational agierenden Unternehmen. Ihre Tätigkeiten umfassen die Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen und der Beantwortung verrechnungspreisspezifischer Fragestellungen.

Daniel Gloser, MSc (WU)

Daniel Gloser, MSc (WU)

Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Daniel Gloser ist seit 2017 Berufsanwärter in der Steuerberatung bei Deloitte. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt er in der Beratung von multinational agierenden österreichischen Unternehmen und österreichischen Geschäftseinheiten ausländischer Unternehmensgruppen. Der Tätigkeitsumfang reicht hierbei von der Erstellung über die Dokumentation bis hin zur Verteidigung von Verrechnungspreissystemen in Außenprüfungen.