Posted: 23 Nov. 2023 5 min. read

Wien baut nach dem Motto Nachhaltigkeit

Überblick

 

Am 23.11.2023 wurde im Wiener Landtag die Bauordnungsnovelle 2023 beschlossen, in welcher die Wiener Bauordnung in verschiedenen Bereichen überarbeitet wurde. Der Fokus liegt auf sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten. Die Hauptziele dieser Novelle sind vielschichtig. Diese umfassen mitunter die Verhinderung der Zweckentfremdung von Wohnraum, den erweiterten Schutz historischer Gebäude und die Umsetzung von Maßnahmen zur Dekarbonisierung und Gebäudesanierung. Weitere Schwerpunkte sind die Förderung von Grünflächen, die Regulierung der Stellplatzverpflichtung und Erleichterungen bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen. Überdies wurden die Regelungen betreffend Einkaufszentren verschärft. Schließlich soll die Novelle auch die Attraktivität der Nutzung von Fahrrädern und Elektromobilität fördern sowie die Trinkwasserqualität langfristig verbessern.

 

Klimaschutz das Gebot der kommenden Ära

 

Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Das liegt nicht zuletzt an den Umständen des Klimawandels. Nachhaltigkeit ist mittlerweile zu einem zentralen Anliegen unserer Gesellschaft geworden, nicht nur in Bezug auf ihre ökologische Dimension, sondern auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht. Diese wachsende Bedeutung spiegelt sich auch konkret in der Bauordnungsnovelle wider. Dabei stehen vor allem vier Themenbereiche im Vordergrund: Dekarbonisierung, Photovoltaik, Flächenentsiegelung und Fassaden- sowie Dachbegrünung.

Unter Dekarbonisierung wird der Umstieg von Kohle, Erdgas und Erdöl auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen verstanden. Die Durchführung von Dekarbonisierungsmaßnahmen soll künftig erleichtert werden, indem etwa die Errichtung von Erdwärmesonden baurechtlich bewilligungsfrei sein soll. Falls in einem Bestandsgebäude zwecks Dekarbonisierung Flächenwärmeabgabesysteme eingebaut werden, kann die gesetzlich zwingende Raumhöhe von 2,5 Meter auf 2,4 Meter reduziert werden. Zudem sieht die Novelle vor, dass im Interesse der Dekarbonisierung der zulässige Gebäudeumriss durch technische Infrastruktur von hocheffizienten alternativen Systemen im unbedingt erforderlichen Ausmaß überschritten werden darf, wenn ihre Unterbringung im Gebäude aus rechtlichen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist und durch sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Als hocheffiziente Systeme gelten etwa Wärmepumpen.

Des Weiteren will die Stadt Wien bis 2030 die Photovoltaik-Leistung des Stadtgebietes von 50 Megawattpeak (MWp) im Jahr 2021 auf 800 MWp steigern. Dieses Ziel soll durch eine Ausweitung der Pflicht zur Errichtung von Solar- bzw Photovoltaikanlagen erreicht werden, die von nun an auch für Neubauten der Bauklasse I sowie für Kleingarten(wohn)häuser gelten soll.

Zugleich sollen durch die Novelle Fassaden- und Dachbegrünungen wesentlich erleichtert werden. Bei Bestandsgebäuden dürfen entsprechende Rankhilfen ausnahmsweise bis zu 20 cm über die Fluchtlinien hinausragen und bei Dachbegrünungen eine Überschreitung der Gebäudehöhe um bis zu 15 cm als zulässig qualifiziert werden. Die Rankgerüste sollen im Bereich der ersten drei Geschosse außerhalb von Schutzzonen gänzlich bewilligungsfrei sein, darüber hinaus gilt eine Anzeigepflicht. Dies erleichtert nicht nur die Errichtung, sondern führt auch zu Kosten- und Zeitersparnissen. Ferner soll es eine Verpflichtung zur Pflanzung von Bäumen auf Parkplätzen ab dem fünften Stellplatz geben. Das heißt für die Errichtung eines Parkplatzes mit 100 Stellplätzen sind zusätzlich zwanzig Bäume zu pflanzen, was zu einer signifikanten Verbesserung des Mikroklimas und in Punkto Flächenversiegelung führen würde.

 

Altbauschutz

 

Schließlich soll mit der Novelle der Schutz und die Erhaltung von Altbauten gefördert werden. Insbesondere wird die Möglichkeit, aus wirtschaftlichen Gründen einen Abriss zu genehmigen, dadurch eingeschränkt, dass die Behörde von nun an selbst die Sachverständigen mit der Einholung von Gutachten zum Thema Abbruchreife beauftragt. Zuvor konnten dies die Antragsteller:innen selbst tun. Ferner werden Aufwendungen, die durch eine schuldhafte Vernachlässigung der Erhaltungspflicht entstehen, bei der wirtschaftlichen Beurteilung der Abbruchreife nicht mehr berücksichtigt. Die Vernachlässigung der Erhaltungspflicht soll am Gebäude haften und sich auf den:die Rechtsnachfolger:in erstrecken, wenn dieser vom rechtswidrigen Zustand Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben musste. Künftig sind Neubaubewilligungen ohne erforderliche Abbruchbewilligungen nicht mehr möglich und Abrisse müssen bis zur Klärung von Rechtsmitteln aufgeschoben werden. Dabei wird insbesondere geprüft, ob ein öffentliches Interesse am Erhalt des Gebäudes besteht oder nicht.

 

Einkaufszentren

 

Die Bauordnungsnovelle sieht weiters raumordnungsrechtliche Einschränkungen für Einkaufszentren vor. Als Planungsziel sollen Einkaufszentren in dicht bebaute Stadtgebiete integriert, und gut im Umweltverbund erschlossen sein. Weiters wurde der Schwellenwert für Einkaufszentren von 2.500 m² auf 1.600 m² herabgesetzt. Weiters sieht die Bauordnung die Möglichkeit der Befristung der Bebauungsbestimmungen für EKZ vor. Als Grundregel wurde angeordnet, dass mindestens ein Drittel der Summe der Flächen der oberirdischen Nutzungseinheiten oberhalb des Erdgeschoßes zu errichten sind.

 

Kurzzeitvermietung

 

Auch im Bereich der Kurzzeitvermietung wurden durch die Novelle weitere Einschränkungen vorgenommen. Die Novelle normiert eine allgemeine Beschränkung der vorübergehenden kurzzeitigen Vermietung auf maximal 90 Tage pro Kalenderjahr. Eine darüberhinausgehende Vermietung ist ab dem 1.7.2024 nur noch mit einer Ausnahmebewilligung zulässig. Die Ausnahmebewilligung wird höchstens für fünf Jahre erteilt und muss besondere Voraussetzungen erfüllen wie beispielsweise die schriftliche Zustimmung aller (Mit-)Eigentümer.

 

Fazit

 

Insgesamt zielt die beschlossene Bauordnungsnovelle darauf ab, die Wiener Bauordnung an die aktuellen Herausforderungen anzupassen und soziale, ökologische sowie wirtschaftliche Ziele zu erreichen, um Wien zu einer nachhaltigeren und lebenswerteren Stadt zu machen. Weiters soll – zur Vermeidung der Zweckentfremdung von Wohnungen – auch Kurzzeitvermietung weiter eingedämmt werden. Sie stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung dar. Es darf mit Spannung die Umsetzung in der Praxis verfolgt werden. 

 

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Laura Bayer

Laura Bayer

Paralegal I Deloitte Legal

Laura Bayer startete als studentische Mitarbeiterin im März 2022 bei JWO I Deloitte Legal Österreich. Seit November 2022 verstärkt sie als Paralegal und wechselte in dieser Position im September 2023 in das Team Real Estate. Zuvor absolvierte Laura diverse Praktika in renommierten Rechtsanwaltskanzleien. Ihre Schwerpunkte liegen im Immobilienrecht, Miet- und Wohnrecht sowie im Baurecht.

Mag. Gabriele Etzl

Mag. Gabriele Etzl

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Gabriele Etzl ist Partnerin bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal, und leitet die Praxisgruppe Real Estate. Zuvor war sie 14 Jahre lang Partnerin im Immobilienbereich einer der größten Anwaltskanzleien Österreichs. Sie ist Expertin für Immobilienrecht mit dem Schwerpunkt nationale und internationale Immobilientransaktionen, Immobilienfinanzierung, Immobilienrestrukturierung, gewerbliches und privates Miet- und Wohnrecht, Bauträgervertragsrecht, sowie öffentliches Immobilienrecht. Sie spricht fließend Deutsch und Englisch und verfügt über Grundkenntnisse der spanischen und französischen Sprache. Gabriele Etzl ist Lehrbeauftragte für Immobilienrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Wien und Autorin mehrerer immobilienbezogener Publikationen, insbesondere auch zu Immobilienrecht und Immobilienfinanzierungen in Österreich und CEE.