In der ersten Entscheidung beschäftigte sich der OGH mit der Frage, ob der:die unterhaltsberechtigte Ex-Ehepartner:in das Recht hat, die Geschäftsbücher des:der unterhaltspflichtigen Ex-Ehepartners:in zur Überprüfung der Höhe des Unterhaltsanspruchs einzusehen. Kurz gesagt: Ja, aber nur unter gewissen Voraussetzungen.
Die zweite Entscheidung gibt einen kurzen Überblick über zwei Klauseln in Bank-AGB zur Nutzung von Gutscheinkarten, die der OGH als unzulässig ansieht.
Die Ehe der Klägerin und des Beklagten wurde 2011 aus überwiegendem Verschulden des Beklagten geschieden und ein an die Klägerin zu zahlender Unterhaltsbetrag festgesetzt. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin zunächst ua die Erhöhung des festgesetzten Unterhalts. Der Beklagte ist unter anderem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer von ihm nach rechtskräftiger Scheidung gegründeten GmbH. Zur Ermittlung der ihr zustehenden Unterhaltshöhe in den Jahren 2017-2021 stellte die Klägerin im Laufe des Verfahrens auch ein Rechnungslegungsbegehren über die gesamten Einkünfte und Erträge aus Vermögen des Beklagten samt Eidesleistung, dass diese Angaben vollständig und richtig sind. Zudem begehrte die Klägerin Einsicht in sämtliche Geschäftsbücher der betreffenden Geschäftsjahre sowie die Aushändigung aller Unterlagen, die seinen Steuererklärungen und den Steuererklärungen der GmbH in diesen Jahren zugrunde liegen.
Übereinstimmend entschieden Erst- und Berufungsgericht sowie der OGH, dass der Beklagte im Zeitraum von 1.1.2017 bis 31.12.2021 Rechnung über seine gesamten Einkünfte und Erträgnisse zu legen und einen Eid darüber zu leisten hat, dass die von ihm gemachten Angaben vollständig (nicht auch richtig) sind. Dem Begehren auf Aushändigung der Belege zu den Steuererklärungen des Beklagten und seiner GmbH wurde nicht stattgegeben.
Während Erst- und Berufungsgericht entschieden, dass die unterhaltsberechtigte Klägerin weder ein Recht auf Aushändigung der Steuerunterlagen noch ein Einsichtsrecht in die Geschäftsbücher hat, stellte der OGH fest, dass der Klägerin grundsätzlich das Bucheinsichtsrecht sehr wohl zusteht. Begründend führt der OGH aus, dass für die Beurteilung der Unterhaltsleistungsfähigkeit von Selbständigen die ihnen tatsächlich zufließenden, verfügbaren Mittel maßgebend sind. Bei Gesellschafter:innen seien daher auch gegebenenfalls Privatentnahmen aus dem Unternehmen und Gewinnausschüttungen, aber auch nicht ausgeschüttete Gewinne zu berücksichtigen, wenn die Gewinnthesaurierung unternehmerisch nicht geboten war. Das Bucheinsichtsrecht stehe aber nicht uneingeschränkt in sämtliche Bücher zu und auch nur dann, wenn eine Interessensabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse der Klägerin und einem allfälligen Geheimhaltungsinteresse des Beklagten zu Gunsten der Klägerin ausfällt, die Einsicht zumutbar und erforderlich ist und die erforderlichen Unterlagen konkret bezeichnet sind. Ein pauschaler Hinweis auf eine mögliche Gefahr der Verletzung von Betriebsgeheimnissen stellt aber keine Interessensabwägung dar und rechtfertigt die Abweisung des Bucheinsichtsbegehrens daher nicht.
Fazit: Der:die unterhaltsberechtigte Ex-Ehepartner:in kann ein Recht darauf haben, die Geschäftsbücher des:der unterhaltspflichtigen Ex-Ehepartners:in einzusehen, um die Höhe des zustehenden Unterhaltsanspruchs feststellen zu können. Dieses Recht steht aber nicht uneingeschränkt und nur unter den angesprochenen Voraussetzungen zu.
In einer aktuellen Entscheidung zu 4 Ob 207/22b setzte sich der OGH wieder einmal mit gröblich benachteiligenden AGB einer Bank – unter Berücksichtigung des E-Geldgesetz 2010 – bei der Bereitstellung von Gutscheinkarten an Verbraucher:innen auseinander.
Kurz vorweg: Klauseln in AGB, die nicht die Hauptleistungen betreffen und eine:n Vertragspartner:in gröblich benachteiligen, sind nichtig. Gröblich benachteiligend sind Klauseln insbesondere dann, wenn sie von (nicht zwingendem) Recht abweichen und dafür keine sachliche Rechtfertigung besteht.
Konkret ging es um Prepaid-Karten, die eine Bank unentgeltlich für Einkäufe in Einkaufszentren ausstellt und die mit Guthaben in Höhe von EUR 10,- bis 150,- aufgeladen werden können. Grundsätzlich sahen die AGB eine Gültigkeitsdauer des Gutscheins von 12 Monaten vor. Nach Ablauf dieses Jahres verfällt der Gutschein zwar nicht, die erste zur Diskussion stehende Klausel sah aber vor, dass das darauf befindliche Guthaben lediglich binnen eines weiteren Jahres kostenlos bei der Bank rückgetauscht werden könne. Nach Ablauf dieser zwei Jahre hätte die Bank für den Rücktausch des Guthabens Anspruch auf ein prozentuales Entgelt des rückgetauschten Betrages gegenüber dem:der Verbraucher:in. Der OGH stellte fest, dass die Klausel bereits wegen der kurzen Gültigkeitsdauer von einem Jahr gröblich benachteiligend und damit unwirksam ist, da keine sachliche Rechtfertigung für ein Abweichen von der grundsätzlich bestehenden 30-jährigen Gültigkeitsdauer von Gutscheinen ersichtlich ist. Zudem ist auch die Vereinbarung eines pauschalen Betrags bzw eines Mindestentgelts (wie es ebenfalls vorgesehen war) für den Rücktausch unsachlich und daher gröblich benachteiligend und darüber hinaus auch gesetzlich unzulässig.
Die zweite vom OGH gehobene Klausel sah eine Regelung vor, wonach der Bank ab dem vierten Monat nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Gutscheins ein „monatliches Bereithaltungsentgelt“ für das Bereithalten des noch vorhandenen Guthabens in Rechnung gestellt und automatisch vom Guthaben abgezogen wird. Auch diese Klausel ist aufgrund des schleichenden Verfalls des Guthabens binnen weniger Jahre mangels sachlicher Rechtfertigung gröblich benachteiligend und damit unwirksam. Zudem kann der:die Gutscheininhaber:in den Rücktausch in Höhe des gesamten Nennwertes – sohin ohne Abzug eines „Bereithaltungsentgelt“ – bis zu einem Jahr nach der Gültigkeitsdauer fordern. Ein Abzug ab dem vierten Monat ab Ende der Gültigkeitsdauer ist daher auch gesetzwidrig
Valentina Christl ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem im Bereich Banking & Finance.
Andreas Bonelli ist Rechtsanwalt bei Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Sein Tätigkeitsschwerkpunkt liegt im Bereich Banking & Finance sowie Corporate/M&A, insbesondere in der Beratung von Banken und Unternehmen im Zusammenhang mit Finanzierungen und der Restrukturierung von Finanzierungen. Zudem ist Andreas Bonelli Autor von Fachpublikationen.