Posted: 20 Feb. 2023 5 min. read

Sozialversicherungsrechtliche Erfassung bei grenzüberschreitender Telearbeit

Rahmenvereinbarungen mit Deutschland und Tschechien

Überblick

 

Rahmenvereinbarungen zwischen Deutschland und Österreich sowie Tschechien und Österreich sollen es Personen mit grenzüberschreitendem Tätigkeitsbereich ermöglichen, bis zu 40% der Arbeitstage im Home-Office im Wohnsitzstaat zu verbringen, ohne dass die Sozialversicherungspflicht vom Tätigkeitsstaat auf den Wohnsitzstaat übergeht.

 

Allgemeines

 

Nach dem Grundkonzept der EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit unterliegen Arbeitnehmer:innen im Zuge von grenzüberschreitenden Tätigkeiten innerhalb der EU nur den Sozialversicherungsvorschriften eines Mitgliedstaates. Es erfolgt somit bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit keine Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge und es müssen nur in einem Mitgliedstaat Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Nach der allgemeinen Zuständigkeitsregel der Verordnung sind Arbeitnehmer:innen grundsätzlich in der Sozialversicherung des Tätigkeitsmitgliedstaates bzw des Sitzstaates des:der Arbeitgebers:in zu erfassen. Im Falle einer Mehrfachbeschäftigung - eine Person übt in mehreren Mitgliedstaaten eine Erwerbstätigkeit aus - erfolgt jedoch eine Erfassung der Person im Wohnmitgliedstaat, wenn zumindest 25% der Arbeitszeit im Wohnmitgliedstaat verbracht wird. Dieses Ergebnis ist von Arbeitgeber:innen in der Regel nicht gewünscht, da diese in diesem Fall Melde- und Beitragsabfuhrverpflichtungen im meist „fremden“ Wohnsitzstaat treffen. Eine Home-Office-Tätigkeit im Wohnsitzstaat war daher ohne die nun abgeschlossenen Vereinbarungen nur im Ausmaß von unter 25% der Arbeitszeit möglich, ohne einen Wechsel in das Sozialversicherungssystem des Wohnmitgliedstaates zu bewirken. Durch die neue Rahmenvereinbarung wird das Maximalausmaß der Home-Office-Tätigkeit im Wohnsitzstaat nun auf bis zu 40% erweitert. Bei einer regulären 5-Tage-Woche können daher bis zu zwei Tage pro Woche Telearbeit im Wohnsitzstaat geleistet werden.

Zwischen 25% und 40% Home-Office-Tätigkeit im Wohnmitgliedstaat ist der Verbleib im Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates als Wahlrecht ausgestaltet. Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, kommt es nach den Grundregeln der EU-Verordnung somit zu einer Anwendbarkeit des Sozialversicherungssystems des Wohnmitgliedstaates. Zur Inanspruchnahme ist ein entsprechender Antrag an die jeweils zuständige Stelle des Staates erforderlich, dessen Rechtsvorschriften anwendbar sein sollen. In Österreich ist dies der Dachverband der Sozialversicherungen.

Während die Rahmenvereinbarung mit Deutschland bereits in Kraft ist, soll jene mit Tschechien ab März 2023 Anwendung finden.

 

Covid-Sonderregelungen bis 30.6.2023

 

Durch die plötzliche Zunahme von Home-Office-Tätigkeiten bzw Telearbeit während der Covid-19 Pandemie wurden EU-weite Sonderbestimmungen für die grenzüberschreitende Telearbeit geschaffen, um einen plötzlichen ungewollten Wechsel der sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeit zu vermeiden. Diese Sonderregelungen legen fest, dass sich die Zugehörigkeit zur Sozialversicherung eines Staates durch grenzüberschreitende Telearbeit während der Pandemie nicht ändern soll. Im Regelfall bleibt somit die Erfassung in der Sozialversicherung des Tätigkeitsstaats durch die Sonderregelungen aufrecht.

Derzeit sind die Covid-Sonderregelungen, welche ursprünglich bis zum 30.6.2022 verlängert wurden, über einen weiteren Übergangszeitraum bis 30.6.2023 anwendbar. Die nun abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen zwischen Österreich und Deutschland sowie Österreich und Tschechien werden daher erst im Anschluss von praktischer Bedeutung sein. Sie schaffen jedoch in diesem Zusammenhang bereits jetzt Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage, inwieweit nach dem 30.6.2023 Home-Office-Tätigkeiten im Wohnsitzstaat möglich sein werden, ohne, dass es zu einem Wechsel der sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeit kommt. 

 

Fazit

 

Die Rahmenvereinbarungen ermöglichen es, Arbeitnehmer:innen statt bisher weniger als 25% nun bis zu 40% der Arbeitszeiten vom Home-Office im Wohnstaat zu leisten, ohne einen Wechsel in das Sozialversicherungssystem des Wohnmitgliedstaates zu bewirken. Dies bedeutet eine weitere Flexibilisierung bei grenzüberschreitenden Home-Office-Tätigkeiten. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass diese Vereinbarungen nur auf grenzüberschreitende Fälle zwischen Österreich und Deutschland bzw Österreich und Tschechien zur Anwendung kommen werden. In näherer Zukunft sollen derartige Rahmenvereinbarungen jedoch auch mit weiteren Nachbarstaaten Österreichs abgeschlossen werden, um auch in diesen Fällen Arbeitnehmer:innen einen erleichterten Zugang zur Home-Office Tätigkeit im Wohnsitzstaat zu ermöglichen.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Rahmenvereinbarungen nur Rechtssicherheit bezüglich der sozialversicherungsrechtlichen Aspekte von grenzüberschreitenden Home-Office-Tätigkeiten bringen. Die bestehenden Unsicherheiten bzw Beschränkungen in Hinblick auf die steuerrechtliche Grenzgänger-Regelung oder etwaige Betriebsstättenproblematiken bei erhöhter Home-Office Tätigkeit bleiben vorerst jedoch weiterhin bestehen. 

 

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Mag. Christopher Czermak, LL.M.

Mag. Christopher Czermak, LL.M.

Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Christopher Czermak ist als Manager in der Steuerberatung im Bereich Global Employer Services bei Deloitte Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Beratung iZm dem internationalen Einsatz von Mitarbeitern.  

Mag. Arnold Binder

Mag. Arnold Binder

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Arnold Binder ist Partner in der Steuerberatung und Experte für Auslandsentsendungen sowie Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Compliance. Er ist mit zunehmender Spezialisierung im Bereich Global Employer Services tätig, wo er sich verstärkt den digitalen Potenzialen annimmt.