Posted: 06 Jul. 2023 5 min. read

Virtuelle Gesellschafterversammlungen – Neues Gesetz soll dauerhafte Rechtsgrundlage schaffen

Neuregelung greift bestehende Mechanismen zu virtuellen Gesellschafterversammlungen teils auf und erweitert Möglichkeiten durch verschiedene Versammlungsformen, während der Betroffenenkreis eingeschränkt wird.

Einige der während der Corona-Pandemie getroffenen gesetzlichen Maßnahmen ziehen Folgen mit sich, die das Gesellschaftsrecht langfristig reformieren. Zeiten der physischen Kontaktbeschränkung zwangen den Gesetzgeber, rasch Lösungen bezüglich der Durchführung von Versammlungen der Gesellschafter:innen bzw Organmitglieder einer Gesellschaft zu entwickeln, die bis dahin grundsätzlich in persönlicher Anwesenheit abzuhalten waren. Durch das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG) und die Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung (COVID-19-GesV) wurden so Grundlagen für die virtuelle Abhaltung von Versammlungen geschaffen; diesen Regelungen sollten jedoch nicht dauerhaft bestehen bleiben. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf des Virtuellen Gesellschafterversammlungen-Gesetzes (VirtGesG), der bereits am 14.7.2023 in Kraft treten soll, wird nunmehr eine zeitlich unbeschränkte Möglichkeit zur Abhaltung virtueller Gesellschafterversammlungen geboten.

 

Anwendungskreis

 

Durch das COVID-19-GesG und die COVID-19-GesV wurden Regelungen bezüglich der Durchführung virtueller Versammlungen für alle wesentlichen Gesellschaftsformen inkl ihrer Organe bestimmt. Im Unterschied dazu schränkt das VirtGesG den bisherigen Anwendungsbereich ein. Während sich Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, kleine Versicherungsvereine und Sparkassen weiterhin im Entwurfstext wiederfinden, sollen Personengesellschaften sowie Privatstiftungen den Vorteil virtueller Versammlungen nicht mehr in Anspruch nehmen können.

Beachtenswert ist außerdem, dass auch die nach dem COVID-19-GesG bisher mögliche virtuelle Versammlung von Organmitgliedern (zB Aufsichtsrat) vom VirtGesG nicht mehr getragen wird.

 

Ausdrückliche Satzungsbestimmungen notwendig

 

Während es die gesetzlichen COVID-Grundlagen ermöglichten, virtuelle Versammlungen auch ohne Anpassung der jeweiligen Satzung durchzuführen, ist es für die Anwendung des VirtGesG unerlässlich, eine entsprechende Grundlage im jeweiligen Gesellschaftsvertrag (Satzung, Statuten) vorzusehen. Ist eine solche nicht vorhanden, besteht die Gefahr der Unwirksamkeit in diesem Kontext getroffener Beschlüsse.

Im Gesellschaftsvertrag muss außerdem festgelegt werden, ob die Gesellschafterversammlung stets virtuell durchzuführen ist oder das einberufende Organ individuell darüber Entscheidung trägt.

Gesellschaften, die also weiterhin von der Möglichkeit virtueller Versammlungen Gebrauch machen wollen, sollten sich mit Blick auf das nahe Inkrafttreten des VirtGesG eher früher Gedanken über eine Anpassung ihres Gesellschaftsvertrags machen.

 

Versammlungstypen

 

Einfache Virtuelle Versammlung: Neben die bereits etablierte Variante der virtuellen Versammlung, bei der eine Teilnahmemöglichkeit mittels akustischer und optischer Zweiweg-Verbindung in Echtzeit gewährleistet ist, und über diesen Weg Wortmeldungen, Stimmen und Widersprüche abgegeben werden können ("einfache virtuelle Versammlung"), gesellt sich nunmehr die sogenannte "moderierte virtuelle Versammlung" und die "hybride Versammlung".

Moderierte Virtuelle Versammlung: Unter einer moderierten virtuellen Versammlung versteht man eine Form der Versammlung, die sich auf eine visuelle und akustische Übertragung der Versammlung an ihre Teilnehmer:innen beschränkt. Eine durchgehende zweiseitige Vernetzung ist unter dieser Versammlungsvariante nicht notwendig, jedoch muss allen Teilnehmer:innen die Möglichkeit zur elektronischen Wortmeldung eingeräumt werden. Wird einem Gesellschafter:einer Gesellschafterin sodann das Wort erteilt, so erhält er:sie eine Redemöglichkeit per Video. Stimmen und Widersprüche sollen per elektronischer Kommunikation abgegeben werden.

Hybride Versammlung: Bei einer hybriden Versammlung können einzelne Teilnehmer:innen zwischen physischer und virtueller Präsenz wählen, wobei in letzterem Falle die Bestimmungen über die einfache bzw moderierte virtuelle Versammlung anwendbar sind. Weiters muss gewährleistet sein, dass jegliche Teilnehmer:innen unabhängig ihrer Anwesenheitsvariante gleichwertig behandelt werden.

Grundsätzliche Regelungen

Abgesehen von den besonderen Regelungen, die das Gesetz für die Durchführung virtueller bzw hybrider Versammlungen bestimmt, gelten für eine Gesellschafterversammlung dieselben gesetzlichen/gesellschaftsvertraglichen Regeln bezüglich der Einberufung und Durchführung wie für reguläre (physische) Versammlungen.

 

Besondere Bestimmungen für börsenotierte Aktiengesellschaften

 

Prinzipiell stehen virtuelle bzw hybride Versammlungen auch bei börsenotierten Aktiengesellschaften zur Verfügung, jedoch sind hierbei eine Reihe von Sonderbestimmungen zu beachten.

  • So müssen börsenotierte AGs Aktionär:innen einen elektronischen Kommunikationsweg vor Abhaltung der eigentlichen Versammlung für Fragen und Anträge bereitstellen.
  • Weiters kann vorgesehen werden, dass eine Vorab-Stimmabgabe ermöglicht wird.
  • Aktionär:innen müssen weiters mind zwei Stimmrechtsvertreter:innen zur Verfügung gestellt werden, über die sie ihr Stimmrecht ausüben können, aber nicht müssen.
  • Minderheitsaktionäre:innen können nach durchgeführter virtueller Versammlung verlangen, dass die nächste Versammlung physisch bzw hybrid zu erfolgen hat.
  • Bestimmungen in der Satzung über virtuelle oder hybride Versammlungen sind längstens auf fünf Jahre zu befristen, denn die Art der Versammlungsdurchführung soll nach dem Willen des Gesetzgebers bei börsenotierten Aktiengesellschaften periodisch neu bewertet werden.

 

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Mag. Mike Schaunig

Mag. Mike Schaunig

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Mike Schaunig ist Rechtsanwalt im Bereich Corporate/M&A bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerks Deloitte Legal. Er verfügt über mehr als vier Jahre Erfahrung in der Beratung von Mandanten bei komplexen nationalen und grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen, im Gesellschaftsrecht und Unternehmensrecht. Vor seiner Tätigkeit bei JWO war Mike als Rechtsanwaltsanwärter in verschiedenen renommierten österreichischen Wirtschaftskanzleien sowie als Gründer und CEO eines Unternehmens im Bereich der Metallverarbeitung tätig.