In diesem Beitrag werden zwei grunderwerbsteuerliche Entscheidungen des österreichischen Verwaltungsgerichts (VwGH) erörtert. Der VwGH hatte sich bei den Entscheidungen zum einen mit der Frage einer grunderwerbsteuerlichen Anteilsvereinigung einer Kommanditgesellschaft und zum anderen mit der Bemessungsgrundlage bei der Übertragung von Baurechten zu beschäftigen.
Der ersten Entscheidung des VwGH (13.12.2022, Ra 2021/16/0082) lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
An einer GmbH & Co KG mit österreichischem Grundvermögen war ursprünglich die F GmbH zu 80 % als Kommanditistin und eine natürliche Person als Komplementärin zu 20 % beteiligt. In weiterer Folge wurden die folgenden Umgründungen durchgeführt: Die J GmbH trat aufgrund eines Zusammenschlussvertrags als reine Arbeitsgesellschafterin und als Komplementärin in die GmbH & Co KG ein, während die natürliche Person ihren Komplementäranteil in die F GmbH einbrachte. Dadurch war schlussendlich die F GmbH zu 100 % (als Kommanditistin) an der GmbH & Co KG mit der J GmbH als Arbeitsgesellschafterin beteiligt.
Das Finanzamt sah aufgrund der erfolgten Einbringung den Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs 3 GrEStG verwirklicht und setzte dementsprechend gegenüber der F GmbH Grunderwerbsteuer fest. Die F GmbH wandte in einer eingebrachten Beschwerde dagegen ein, dass § 1 Abs 3 GrEStG nicht auf Personengesellschaften anwendbar sei, da für Personengesellschaften ein gesonderter Anteilsvereinigungstatbestand (§ 1 Abs 2a GrEStG) einschlägig sei, der für sich genommen zu keiner Grunderwerbsteuerpflicht geführt hätte. Die Beschwerde wurde vom BFG als unbegründet abgewiesen, woraufhin die F GmbH eine außerordentliche Revision erhob.
Der VwGH führte in diesem Zusammenhang aus, dass der Begriff der "Gesellschaft" in § 1 Abs 3 GrEStG im weitesten Sinne zu verstehen ist und jede Personenmehrheit umfasst, die sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließt und fähig ist, Eigentum an Grundstücken zu erwerben. Nach dieser Definition wäre eine Personengesellschaft - entgegen anderslautender Literaturmeinungen - zweifelsohne vom Gesellschaftsbegriff erfasst.
Weiters argumentierte der VwGH, dass nach seiner ständigen Judikatur auch zu einer früheren Fassung des Anteilsvereinigungsbegriffs (der ebenso den Begriff „Gesellschaft“ verwendete) Personengesellschaften als ebenso erfasst galten.
Dem Argument der Revisionswerberin, dass nunmehr lediglich der im Zuge des Steuerreformgesetzes 2015/16 neu geschaffene Anteilsvereinigungstatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG für Personengesellschaften einschlägig sei, wies der VwGH aufgrund folgender Erwägung zurück: Die Gesetzesmaterialen des Steuerreformgesetzes bringen ausdrücklich zum Ausdruck, dass die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften sowohl den Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG als auch jenen des § 1 Abs 3 GrEStG erfüllen kann. § 1 Abs 3 GrEStG sei dabei subsidiär zu § 1 Abs 2a GrEStG anzuwenden.
Aufgrund der Auslegung des „Gesellschaftsbegriffes“ sowie der Intention des Gesetzgebers, die Übertragung von Personengesellschaftsanteilen vom Tatbestand des § 1 Abs 3 GrEStG als mitumfasst zu sehen, war somit nach Ansicht des VwGH eine Anteilsvereinigung gegenständlich verwirklicht.
In einer weiteren grunderwerbsteuerlichen Entscheidung (VwGH, 13.12.2022, Ro 2019/16/0005 bzw Ro 2019/16/0006) hat sich der VwGH mit der Bemessungsgrundlage bei der Einräumung eines Baurechts an einem unbebauten Grundstück beschäftigt.
Im streitgegenständlichen Fall räumte eine GmbH im Jahr 2019 auf ihrem unbebauten Grundstück einer anderen Körperschaft ein 55-jähriges Baurecht ein. Im Verfahren wurde von der GmbH argumentiert, dass die ausschließliche Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die Gegenleistung wäre, welche sich aus einem kapitalisierten Barwert aus dem erwarteten Baurechtszins ergäbe. Ein sogenannter „Grundstückswert“ (es handelt sich dabei im Wesentlichen um einen pauschalierten Bewertungsmaßstab) wurde nicht ermittelt bzw vertrat die GmbH diesbezüglich die Ansicht, dass dieser im Falle eines Baurechts an einem unbebauten Grundstück ohnehin null betragen würde und damit nicht zur Anwendung kommen könne.
Das BFG und in weiterer Folge der VwGH erteilten dieser Ansicht eine klare Absage und stellten fest, dass in einem derartigen Fall sehr wohl ein Grundstückswert ermittelt werden könne und dieser Grundstückswert gegenständlich auch als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Lediglich in Hinblick auf die Anwendung der Höhe des Steuersatzes wurde das Erkenntnis des BFG als rechtswidrig aufgehoben.
Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang noch, dass die Grundstückswert-Verordnung seit 2019 diesbezüglich ebenso eine Regelung zur (pauschalen) Grundstückswertermittlung von Baurechten enthält.
Die Entscheidungen des VwGH zeigen einmal mehr, welche Unsicherheiten in der Praxis bei der Auslegung des Grunderwerbsteuergesetzes bestehen können. Beiden Entscheidungen war dabei die Tatsache gemein, dass diese Unsicherheiten aus entsprechenden Gesetzesänderungen im Zuge des Steuerreformgesetzes 2015/16 resultierten und in der Literatur durchaus andere Lösungen (im Vergleich zu jenen des VwGH) vertreten wurden.
Samir Kovacevic ist Senior Manager Steuerberater im M&A Tax Team und seit 2015 bei Deloitte am Standort Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen M&A Tax, dem internationalen Steuerrecht und dem Konzernsteuerrecht. Als Teil des M&A Tax-Teams zeichnet er für die erfolgreiche Durchführung von zahlreichen M&A-Projekten verantwortlich.