Posted: 15 Nov. 2023 5 min. read

Wertsicherung von Mietverträgen im Visier des OGH

OGH-Entscheidungen schüren Zweifel an Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen

Überblick

 

Die Wertsicherung von Mietverträgen sichert die Erhaltung des realen Wertes der Miete im Laufe der Vertragslaufzeit. Die Wertsicherung erfolgt nicht aufgrund gesetzlicher Regelungen, sondern muss vertraglich vereinbart werden. Der Mietzins wird dabei zumeist an den Verbraucherpreisindex (VPI) gekoppelt und steigt im Laufe der Zeit im selben Verhältnis wie der VPI. In jüngster Zeit hatte der OGH zwei Wertsicherungsvereinbarungen – in sogenannten Verbandsverfahren – einer Prüfung unterzogen und kam zum Ergebnis, dass die Formulierung der Klauseln – unter kundenfeindlichster Auslegung – nicht im Einklang mit den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) stehen und daher unwirksam sind. Diese Entscheidungen gewinnen - ob der derzeit hohen Inflation – zunehmend an Brisanz.

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 betonte der OGH, dass Vermieter:innen das Recht haben, mittels einer Wertsicherungsklausel im Mietvertrag den Mietzins anzupassen und erachtete die Vertragsklausel auch unter Berücksichtigung der Regelungen des KSchG für wirksam.

In der unlängst ergangenen Entscheidung des OGH zu 2 Ob 36/23t wurde folgende Formulierung unter die Lupe genommen:

der Nettomietzins von EUR [__] wird auf den vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 wertbezogen. Sollte dieser Index nicht verlautbart werden, gilt jener als Grundlage für die Wertsicherung, der diesem Index am meisten entspricht.“

Der OGH hatte beanstandet, dass dieser Formulierung nicht klar zu entnehmen sei, welcher mögliche Index dem VPI „am meisten entspricht“ und wer die Entscheidung darüber trifft. Die Klausel enthalte keine näheren Ausführungen, nach welchen Kriterien dies zu beurteilen ist. Weiters lasse die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung auch eine einseitige Festlegung durch den Vermieter zu. Da der Gestaltungsraum des Vermieters laut OGH unbegrenzt und unklar sei, stehe diese Klausel im Widerspruch zu den Bestimmungen des KSchG. Die Folge ist, dass mangels (gültiger) vertraglicher Vereinbarung keine wertgesicherte Erhöhung des Mietzinses geltend gemacht werden kann.

In einer weiteren unlängst ergangenen Entscheidung zu 8 Ob 37/23h hatte der OGH folgende Formulierung als intransparent beanstandet:

„… Ausgangsbasis für diese Wertsicherung ist die für den Monat der letzten Festsetzung der Richtwerte verlautbarte Indexzahl. Anpassungen werden unmittelbar nach Änderung des RWG vorgenommen.“

Der OGH vermeinte, dass aufgrund der Formulierung nicht ausgeschlossen sei, dass es schon in der Zeit vor Abschluss des Mietvertrages zu einem Preisanstieg kommen könnte. Nach den Regelungen des KSchG ist allerdings in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Erhöhung des Entgelts nicht zulässig, sofern dies nicht im Einzelfall vereinbart worden ist.

Hingegen sprach sich der OGH in der Entscheidung 6 Ob 226/18f für die Zulässigkeit der sich darin befindenden Klausel aus, welche wie folgt formuliert wurde:

„Es wird Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses (des Entgeltes für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen) nach dem von Statistik Austria monatlich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2010 oder dem an seine Stelle tretenden Index vereinbart. Ausgangsbasis für diese Wertsicherung ist die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zuletzt verlautbarte Indexzahl... Indexschwankungen bleiben bis einschließlich 5 % unberücksichtigt…“

Der OGH ist demnach der Meinung, dass bei einem „an seine Stelle tretenden Index“ klar zu entnehmen sei, welcher Ersatzindex statt des primär vereinbarten VPI zur Anwendung gelange. Zudem wurde als Ausgangsbasis der Monat des Vertragsabschlusses vereinbart sowie eine Schwellenwertklausel mit 5 % festgelegt. Diese Klausel hat nach Verständnis des OGH demnach den Erfordernissen des KSchG entsprochen. Die Voraussetzungen der Zweiseitigkeit, Festlegung im Vertrag, Unabhängigkeit vom Willen des:der Unternehmer:in und der Schutz des:der Verbraucher:in vor überraschenden Preiserhöhungen seien gewährleistet. Der OGH sah die Wertsicherungsklausel als gerechtfertigt an, da sie dem legitimen Bedürfnis des:der Vermieter:in gerecht wird, das Entgelt – insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten – an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen.

Allen genannten Entscheidungen ist gemein, dass diese in sogenannten Verbandsverfahren ergangen sind, bei denen Verträge zwischen Unternehmer:innen (als Vermieter:innen) und Konsument:innen (als Mieter:innen) geprüft werden und die entsprechenden Vertragsbestimmungen im kundenfeindlichsten Sinn ausgelegt werden. Wie Wertsicherungsvereinbarungen hingegen in Individualverfahren beurteilt werden, bleibt abzuwarten. Es gibt uE begründete Argumente gegen diese – durchaus überschießende – Rechtsprechung des OGH, sodass Wertsicherungsvereinbarungen im Individualprozess nicht ohne Weiters für unwirksam erklärt werden.

Jede:r Vermieter:in ist allerdings jedenfalls gut beraten, Wertsicherungsvereinbarungen in Mietverträgen einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen.

 

Fazit

 

Zusammenfassend werfen die letzten Entscheidungen bezüglich Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen einige wichtige Fragen auf, die potenziell zu erheblichen Auswirkungen auf bestehende Mietverträge in Österreich führen können. Es gilt jedoch zu beachten, dass diese Entscheidungen zu einzelnen Formulierungen aus Vertragsformblättern in Verbandsverfahren ergangen sind, wonach Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn auszulegen sind. Insgesamt erfordern die neuen Erkenntnisse des OGH – jedenfalls im B2C-Bereich – eine sorgfältige Gestaltung von Mietverträgen und eine genaue Überwachung der sich ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen, um unerwartete und nachteilige rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das Konsumentenschutzgesetz nur zwischen Unternehmer:innen und VerbraucherInnen gilt. Das heißt, es findet bei Privatpersonen die Wohnungen vermieten oder zwischen Unternehmer:innen keine Anwendung

 

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Mag. Gabriele Etzl

Mag. Gabriele Etzl

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Gabriele Etzl ist Partnerin bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal, und leitet die Praxisgruppe Real Estate. Zuvor war sie 14 Jahre lang Partnerin im Immobilienbereich einer der größten Anwaltskanzleien Österreichs. Sie ist Expertin für Immobilienrecht mit dem Schwerpunkt nationale und internationale Immobilientransaktionen, Immobilienfinanzierung, Immobilienrestrukturierung, gewerbliches und privates Miet- und Wohnrecht, Bauträgervertragsrecht, sowie öffentliches Immobilienrecht. Sie spricht fließend Deutsch und Englisch und verfügt über Grundkenntnisse der spanischen und französischen Sprache. Gabriele Etzl ist Lehrbeauftragte für Immobilienrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Wien und Autorin mehrerer immobilienbezogener Publikationen, insbesondere auch zu Immobilienrecht und Immobilienfinanzierungen in Österreich und CEE.