Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 20.5.2022 (Ra 2022/15/0034) entschieden, dass es im Falle einer Aufrechnung einer Forderung erst im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung und Wirksamwerden der Aufrechnung zu einem Zufluss beim Steuerpflichtigen kommt.
Im Jahr X1 hat der Revisionswerber seinen Anteil an der X GmbH verkauft. Im Jahr X1 hat der Käufer dieses Anteils zusätzlich ein Darlehen an den Revisionswerber gewährt und im Abtretungsvertrag wurde festgehalten, dass der Darlehensbetrag mit dem vereinbarten Kaufpreis in X2 zu verrechnen (aufzurechnen) sei. Die beim Revisionswerber stattfindende Außenprüfung setzte im Jahr X2 Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der Veräußerung der Beteiligung an der X GmbH bescheidmäßig fest. Berücksichtigt wurde dabei als Kaufpreis einerseits der Zufluss des Veräußerungserlöses aus X2 sowie die Aufrechnung des Darlehens aus X1. Im Beschwerdeverfahren stellte das BFG fest, dass sich die zeitliche Zuordnung der Einkünfte nach dem tatsächlichen Zufluss beim Steuerpflichtigen in X2 richte. Da der Kaufpreis erst in X2 zugeflossen sei, waren die Einkünfte aus Kapitalvermögen auch in X2 zu versteuern. Gegen das Erkenntnis des BFG wurde eine außerordentliche Revision beim VwGH eingereicht. Begründend wurde ausgeführt, dass die Erfassung von Einkünften aus Kapitalvermögen in X2 mit dem Zuflussprinzip des § 19 EStG unvereinbar sei, weil dem Revisionswerber bereits in X1 ein Teil des Veräußerungserlöses (Darlehen) zugeflossen sei.
Der VwGH hat im vorliegenden Fall entschieden, dass der Zahlungseingang in X1 aus dem Darlehen erst durch die Aufrechnung mit dem Kaufpreis zum Entgelt aus der Veräußerung der Anteile an der X GmbH in X2 geworden sei. Bei einer Aufrechnung fließe der Forderungsbetrag erst im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufrechnung zu. Da der Käufer die Kaufpreiszahlung erst in X2 geleistet hat, sind Aufrechnung und Zahlung folglich ebenfalls erst in X2 erfolgt und der Kaufpreis demnach zur Gänze in X2 zugeflossen. Eine Verrechnung der Darlehensschulden bereits in X1 mit dem vereinbarten Kaufpreis wurde im gesamten Verfahren nicht vorgebracht.
Zudem wird auf die herrschende RSp des VwGH verwiesen, wonach positive Einkünfte bei realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen erst dann anfallen, wenn die zugeflossenen Einnahmen die Anschaffungskosten übersteigen. Mangels Übersteigens der Anschaffungskosten durch die Darlehenszahlung in X1 wären damit auch für den Fall einer Verrechnung bereits in X1 keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in X1 zugeflossen. Die Revision wurde mit Beschluss mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen.
Im Falle einer Aufrechnung einer Forderung kommt es erst im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung und Wirksamwerden der Aufrechnung zu einem Zufluss beim Steuerpflichtigen. Darüber hinaus fallen positive Einkünfte bei realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen erst dann an, wenn die zugeflossenen Einnahmen die Anschaffungskosten übersteigen.
Claudia Milisits ist Senior Manager bei Deloitte in Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung von nationalen und internationalen Unternehmensgruppen und Konzernen in den Bereichen Tax Compliance, Tax Structuring und M&A mit Fokus auf Tax Due Diligence und steuerliche Restrukturierung.
Paul Henke ist Associate in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Beratung von nationalen und internationalen Unternehmen und Konzernen in den Bereichen Tax Compliance, Tax Structuring und M&A mit Fokus auf Tax Due Diligence und steuerlicher Restrukturierung.