Posted: 28 Oct. 2024 3 min. read

OGH lässt uneinheitliche Stimmabgabe bei der GmbH zu

Gespaltene Stimmrechtsabgabe bei Treuhandverhältnissen neue Praxis?

Einleitung

Im österreichischen GmbH-Recht gilt grds, dass das Stimmrecht für einen Geschäftsanteil nur einheitlich ausgeübt werden kann. Ein ungeteilter Geschäftsanteil gewährt idR ein ungeteiltes Stimmrecht. Während die ständige Rechtsprechung und ein Teil der Lehre dieser Ansicht folgen, gibt es in der Literatur auch unterschiedliche Positionen. Eine Auffassung unterstützt die uneinheitliche Stimmrechtsausübung bei teilbaren Geschäftsanteilen oder einem mehrseitigen Treuhandverhältnis. Andere Stimmen lassen dies auch ohne spezielle Rechtfertigung zu, was jedoch sehr umstritten ist.

Nun hat das OLG Wien bereits zum zweiten Mal als Instanzgericht die Zulässigkeit der uneinheitlichen Stimmabgabe bei einer bloß treuhändigen Innehabung eines Teils eines Geschäftsanteils bejaht. Auch der OGH sah keinen Anlass diese Entscheidung in Frage zu stellen. Er hat jedoch offengelassen, ob diese Praxis generell zulässig ist.

Relevanz des vorliegenden Themas

In Fällen, in denen Gesellschafter:innen ihre Stimmrechte aufgrund von Treuhandverhältnissen an unterschiedliche Personen übertragen haben, entsteht die Notwendigkeit, Stimmrechte uneinheitlich auszuüben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Berechtigten oder der:die Treuhänder:in hinsichtlich desselben Beschlusses unterschiedliche Meinungen vertreten. Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen wie der FlexCo oder der AG, wo solche Regelungen durch Sondervorschriften ermöglicht werden, bietet das GmbHG keine entsprechende Regelung.

Da nunmehr der OGH keinen Anlass sah, der Entscheidung des OLG Wien entgegenzutreten, könnte eine gespaltene Stimmrechtsabgabe bei treuhändig gehaltenen Anteilen gängige Praxis werden. Eine im Treuhandvertrag vereinbarte gespaltene Stimmrechtsausübung, die festlegt, dass die Treuhänder nur nach Weisung des betreffenden Treugebers abstimmen müssten, betrifft ausschließlich den Anteil, den sie aufgrund des Treuhandverhältnisses halten. Hinsichtlich ihrer eigenen Anteile, die nicht vom Treuhandverhältnis umfasst sind, sind die Treuhänder in ihrer Entscheidung frei und können bei der Stimmabgabe ihren eigenen Interessen folgen.

In diesem Sinne muss der Treuhandvertrag vor der Stimmabgabe ausgelegt werden, um die Rechte und Pflichten der Treuhänder zu bestimmen. Dies ist von Bedeutung, weil im Treuhandvertrag bestimmt wird, ob man mit der bloß treuhändigen Innehabung eines Teils eines Geschäftsanteils unterschiedlich abstimmen kann. Auch eine Stimmenthaltung bezüglich eines Teils des Geschäftsanteils wäre möglich. Diese Herangehensweise bietet den Vorteil, dass mehr Informationen in die Stimmbildung einfließen können. Es können nämlich verschiedene Meinungen und Interessen innerhalb der Struktur der Gesellschaft abgebildet werden, ohne den Entscheidungsprozess zu verhindern. So könnte bspw ein Beschluss über eine Kapitalerhöhung mit der erforderlichen Mindeststimmenzahl gefasst werden, während mit den restlichen Stimmen Bedenken hinsichtlich der Finanzierung geäußert werden.

Ein:e Gesellschafter:in, der beabsichtigt uneinheitlich abzustimmen, muss spätestens zu Beginn der Generalversammlung offenlegen, dass er:sie seinen:ihren Geschäftsanteil teils für sich selbst und teils treuhändig für einen Dritten hält. Dabei müssen die Identität des Treugebers sowie der genaue Umfang des treuhändig gehaltenen Anteils offengelegt werden, da diese Informationen für die Beschlussfassung von Bedeutung sind (zB in Bezug auf Stimmverbote oder die Stimmenanzahl). Der Nachweis der Treuhandschaft sollte möglichst durch Vorlage des Treuhandvertrags erfolgen.

Fazit

Durch die neue Rsp könnte die gespaltene Stimmrechtsausübung in der GmbH eine gängige Praxis werden, obwohl dem GmbH-Recht eine solche Regelung grds. fremd ist. Dies ermöglicht es, unterschiedliche Meinungen bei Abstimmungen einzubringen, ohne den Entscheidungsprozess zu beeinträchtigen, was insbesondere bei komplexen Beschlussfassungen vorteilhaft ist. Jedenfalls muss vor Abstimmung eine Offenlegung (möglichst durch Vorlage des Treuhandvertrages) erfolgen, sodass Treuhänder, Identität des Treugebers sowie der Umfang der treuhänderisch gehaltenen Anteile bekannt sind. 

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Mag. Johannes Lutterotti

Mag. Johannes Lutterotti

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Johannes Lutterotti ist Partner im Corporate/M&A Team bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal. Er verfügt über mehr als 11 Jahre Berufs- und Beratungspraxis im Bereich (grenzüberschreitender) M&A-Transaktionen (sell-side und buy-side in sämtlichen Facetten), Gesellschaftsrecht und Unternehmensrecht. Im Jahr 2017 schloss sich Johannes Lutterotti JWO als Counsel an. Vor JWO war er für Freshfields Bruckhaus Deringer im Bereich Gesellschaftsrecht, zuletzt als Principal Associate, tätig.