Die Größenklassen für Kapitalgesellschaften (und kapitalistische Personengesellschaften) hängen von den Merkmalen Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl ab. Die Einteilung in die vier unterschiedlichen Größenklassen führt zu unterschiedlichen Anforderungen an den Inhalt und Umfang des Jahresabschlusses und Prüfungs- und Berichtspflichten. Im Zuge eines delegierten Rechtsaktes der EU-Kommission werden mit 1.1.2024 die Größenmerkmale Bilanzsumme und Umsatz angehoben.
Die Schwellenwerte für die Größenklassen sind seit dem Jahr 2013 unverändert. Die erhebliche Inflation der letzten Jahre führt nun dazu, dass viele Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, aufgrund des signifikanten Preisanstiegs vermehrt die Schwellenwerte Bilanzsumme und Umsatzerlöse überschreiten und damit einhergehend mit zusätzlichen Berichtspflichten, Pflicht zur Abschlussprüfung oder verpflichtender Konzernabschlussprüfung für große Gruppen, betroffen sind. Auch die mit erheblichem Aufwand verbundene Verpflichtung großer Kapitalgesellschaften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive, knüpft an die Kategorisierung nach Größenklassen an.
Die Schwellenwerte sind in § 221 UGB normiert und basieren auf Art 3 der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates. Art 3 Abs 13 räumt der EU-Kommission das Recht ein, mindestens alle 5 Jahre die inflationsbedingte Anpassung dieser Werte zu prüfen. Von diesem Recht hat die EU-Kommission mit delegiertem Rechtsakt am 17.10.2023 Gebrauch gemacht und die Bilanzsumme und Umsatzerlöse um je 25 % bzw um 28,6 % für Kleinstkapitalgesellschaften angehoben.
Die neuen Schwellenwerte der EU-Kommission sind zwingend für am (oder nach dem) 1.1.2024 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden. Es besteht ein Wahlrecht für die Mitgliedstaaten die neuen Schwellenwerte bereits für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2023 beginnen, anzuwenden. Die Implementierung in nationales Recht hat dabei bis spätestens 24.12.2024 zu erfolgen und ist derzeit in Österreich noch ausständig. In welchem Ausmaß in Österreich die Anpassung der Schwellenwerte für kleine Kapitalgesellschaften erfolgt und ob das Wahlrecht für eine frühere Anwendung in Anspruch genommen wird, ist daher derzeit noch offen.
Während die Größenklassen für Kleinstunternehmen, mittlere und große Unternehmen im delegierten Rechtsakt klar definiert werden, wird für kleine Unternehmen lediglich eine Bandbreite vorgegeben. Die EU-Kommission überlässt den Mitgliedstaaten die Schwellenwerte für die Bilanzsumme in der Bandbreite zwischen EUR 5 Mio bis 7,5 Mio und bei den Umsatzerlösen zwischen von EUR 10 Mio bis EUR 15 Mio festzulegen. Für die Umsetzung im österreichischen Recht hat der Bundesminister für Justiz eine Verordnungsermächtigung, innerhalb der von der EU-Kommission festgelegten Bandbreite die finalen Zahlen festzusetzen.
Daraus ergeben sich die folgenden Änderungen der Schwellenwerte, vorbehaltlich der finalen Umsetzung in Österreich:
Bilanzsumme | Umsatzerlöse | Durchschnittliche Arbeitnehmerzahl | |
Kleinstkapitalgesellschaft |
EUR 450.000 (bisher: EUR 350.000) |
EUR 900.000 (bisher: EUR 700.000) | 10 |
Kleine |
EUR 5 Mio – EUR 7,5 Mio (bisher: EUR 5 Mio) |
EUR 10 Mio - 15 Mio (bisher: EUR 10 Mio) | 50 |
Mittelgroße Kapitalgesellschaft |
EUR 25 Mio (bisher: EUR 20 Mio) |
EUR 50 Mio (bisher: EUR 40 Mio) | 250 |
Große |
> EUR 25 Mio (bisher: > EUR 20 Mio) |
> EUR 50 Mio (bisher: > EUR 40 Mio) | > 250 |
Grundsätzlich sind Kapitalgesellschaften dazu verpflichtet, den Jahresabschluss innerhalb von fünf Monaten aufzustellen. Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben den Jahresabschluss und den Lagebericht sowie ggf den Corporate Governance-Bericht nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung (Generalversammlung), spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht einzureichen. Der Bericht des Aufsichtsrats, der Vorschlag über die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluss über dessen Verwendung ist ebenfalls spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag einzureichen. Aufgrund dessen sind Abschlüsse zum 31.12.2023 bis spätestens 30.9.2024 offenzulegen.
In der nachfolgenden Übersicht sind die offenzulegenden Unterlagen in Abhängigkeit der jeweiligen Größenklassen dargestellt:
Einzureichende Unterlagen | Kleinstkapital-gesellschaften | Kleine GmbH | Mittelgroße GmbH | Große GmbH, kleine und mittelgroße AG | Große AG |
Bilanz | x (Verkürzung möglich) | x (Verkürzung möglich) | x (Verkürzung möglich) | x | x |
GuV |
|
| x (Verkürzung möglich) | x | x |
Anhang und Anlagenspiegel |
| x (Verkürzung möglich) | x | x | x |
Lagebericht | x (bei Kleinst-AG) |
| x | x | x |
Bestätigungsvermerk |
| x (nur bei gesetzlichen Pflichtprüfungen – kleine GmbH mit Aufsichtsratspflicht) | x | x | x |
Gesellschafterbeschluss (über die Ergebnisverwendung) |
|
| x | x | x |
Bericht des Aufsichtsrates |
|
| x | x | x |
Nachweis über die Veröffentlichung des Jahresabschlusses (seit 1. Juli 2023 auf der EVI*) |
|
|
|
| x |
Nachhaltigkeits-berichterstattung nach CSRD |
|
|
| x (bei großer GmbH) | x |
* EVI – elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes
Das Firmenbuchgericht hat zu prüfen, ob die offenzulegenden Unterlagen vollständig eingereicht wurden und ob die Offenlegungspflichten erfüllt wurden. Bei einem Verstoß der Offenlegungspflichten sind Zwangsstrafen in Höhe von EUR 700 bis EUR 3.600 sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den einzelnen gesetzlichen Vertretern zu verhängen. Bei Kleinstkapitalgesellschaften kommt es zu Zwangsstrafen von EUR 350 bis EUR 1.800. Die Zwangsstrafe ist nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen. Sie ist wiederholt zu verhängen, soweit die Organe ihren Pflichten nach je weiteren zwei Monaten noch nicht vollständig nachgekommen sind.
Um den Auswirkungen der Inflation der letzten Jahre entgegenzuwirken wurden die Schwellenwerte für die Bilanzsumme und die Umsatzerlöse auf EU-Ebene ab 1.1.2024 angehoben. Dies soll zu einer Erleichterung bezugnehmend auf Berichts- und Prüfungspflichten für die Unternehmen führen. Aufgrund der Anhebung der Schwellenwerte wird eine Vielzahl der Unternehmen in eine niedrigere Größenklasse eingestuft werden. Die finale Umsetzung in Österreich bleibt weiterhin abzuwarten. Für viele Unternehmen wird sich auch der Aufwand für die Erstellung der Offenlegungsunterlagen durch die Anpassung deutlich verringern.
Melanie Kaltner ist Berufsanwärterin bei Deloitte Wien und im Bereich Business Process Services tätig. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung und Betreuung von KMU's.
Anna-Maria Neumeister ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien und im Bereich Business Process Services tätig. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung und Betreuung von KMU´s und in der Umsatzsteuer.