Obwohl das Recht von Frauen und Männern auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit eines der Grundprinzipien der EU bildet, ist der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen immer noch geringer als jener von Männern. In den Jahren 2018 und 2020 bestand zwischen Frauen und Männern eine Pensionslücke von rund 30 % und ein durchschnittlicher Entgeltunterschied von 13 %. Hierfür spielt insbesondere die mangelnde Transparenz bei den Gehältern eine entscheidende Rolle. Die EU-Entgelttransparenzrichtline soll nun das Recht auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit stärken und sieht dafür eine Reihe von verbindlichen Maßnahmen vor.
Durch diese soll es den Arbeitnehmer:innen ermöglicht werden, ihr Recht auf gleiches Entgelt durchzusetzen – vor, während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus soll die Transparenz der Entgeltsysteme generell erhöht und die Durchsetzbarkeit der Rechte und Pflichten in Bezug auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen verbessert werden.
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist im Juni 2023 in Kraft getreten und verpflichtet die Mitgliedsstaaten die Regelungen bis zum 7.6.2026 in nationales Recht umzusetzen.
Bereits im Rahmen des Bewerbungsprozesses treffen Arbeitgeber:innen aufgrund der Richtlinie erweiterte Transparenzvorschriften. Neben der – in Österreich bereits bestehenden Verpflichtung – zur Angabe des (Einstiegs-)Gehalts im Rahmen der Stellenanzeige, dürfen Arbeitgeber:innen die Bewerber:innen künftig nicht mehr nach ihrem aktuellen Entgelt oder der Entgeltentwicklung in früheren Arbeitsverhältnissen fragen.
Die Richtlinie normiert darüber hinaus erweiterte Auskunftsrechte der Arbeitnehmer:innen über ihr individuelles Entgeltniveau und das durchschnittliche Entgeltniveau jener Gruppe von Arbeitnehmer:innen, welche gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Diese Auskunft ist nach Geschlecht aufzuschlüsseln. Arbeitnehmer:innen müssen auf Anfrage auch Auskunft über jene Kriterien erhalten, nach denen der:die Arbeitgeber:in das Entgelt und die Karriereentwicklung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin im Unternehmen festlegt. Diese Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein. Zudem müssen Arbeitgeber:innen alle Arbeitnehmer:innen jährlich über ihre Auskunftsrechte informieren.
Doch nicht nur Arbeitnehmer:innen verfügen künftig über erweiterte Informationsrechte. Auch ihre Vertreter:innen, Aufsichtsbehörden und Gleichbehandlungsstellen sollen das Recht haben, von Arbeitgeber:innen Auskunft über die entsprechenden Informationen, einschließlich Erklärungen zu etwaigen bestehenden geschlechtsspezifischen Entgeltunterschieden zu verlangen.
Neben den Informationsrechten der Arbeitnehmer:innen normiert die Richtlinie auch eine besondere Berichtspflicht von Unternehmen bzw Arbeitgeber:innen. Bis zum 7.6.2026 müssen Arbeitgeber:innen mit mehr als 250 Beschäftigten der zuständigen nationalen Behörde jährlich über den geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied in ihrem Unternehmen berichten.
Unternehmen mit 100 bis 250 Beschäftigten trifft eine entsprechende Berichtspflicht alle drei Jahre. Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten sind von den Berichtspflichten ausgenommen. Ergibt die Berichterstattung einen durchschnittlichen Entgeltunterschied von mindestens 5 % für eine Gruppe von Beschäftigten, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, und ist der Unterschied nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Faktoren gerechtfertigt, sind die betroffenen Arbeitgeber:innen verpflichtet, zusammen mit den Arbeitnehmervertreter:innen eine gemeinsame Entgeltbewertung durchzuführen.
· Rechtsschutz
Darüber hinaus sollen die Rechtsschutzmöglichkeiten der einzelnen Arbeitnehmer:innen durch die Richtlinie verbessert werden. Im Fall der Entgeltdiskriminierung haben Arbeitnehmer:innen nunmehr einen Anspruch auf vollständige Entschädigung. Auch die Beweislast, die traditionell bei den Arbeitnehmer:innen lag, wird nun auf den:die Arbeitgeber:in verlagert. Arbeitnehmer:innen, die für gleiche oder als gleichwertig anerkannte Arbeit allein aufgrund ihres Geschlechts weniger verdienen, haben nach dem österreichischen Gleichbehandlungsgesetz schon bisher einen Anspruch gegen ihre:n Arbeitgeber:in auf Zahlung der Entgeltdifferenz und Entschädigung für etwaige persönliche Nachteile. Im Hinblick auf die Richtlinie kann diese Bestimmung nun jedoch so interpretiert werden, dass die Arbeitnehmer:innen, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, Anspruch auf eine diskriminierungsfreie Behandlung haben.
Darüber hinaus sieht die Richtlinie eine zumindest dreijährige Verjährungsfrist für die Erhebung einer Klage im Hinblick auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf gleiches Entgelt vor. Die Verjährungsfrist beginnt dabei frühestens ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem der:die Kläger:in von der Verletzung oder dem Verstoß Kenntnis erlangt hat. Zudem wird eine laufende Verjährungsfrist gehemmt oder unterbrochen, sobald der:die Kläger:in die Klage erhebt.
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie stellt eine wegweisende Initiative zur Stärkung der Anwendung von Entgeltgleichheitsgrundsätzen innerhalb der EU dar. Durch die Förderung der Entgelttransparenz, die Verpflichtung zu Entgeltgleichheitsprüfungen und die Verbesserung der Durchsetzungsmechanismen zielt die Richtlinie darauf ab, Entgeltdiskriminierung zu bekämpfen und die Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz voranzutreiben.
Die durch die Richtlinie eingeführten, erweiterten Verpflichtungen der Arbeitgeber:innen schaffen ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung des Entgeltgefälles zwischen Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, auf das sich Einzelpersonen spätestens ab dem 8.6.2026 in der gesamten EU berufen können.
Auch wenn das Ende der Umsetzungsfrist und damit die Detailumsetzung der Richtlinie in österreichisches Recht noch weit in der Zukunft liegen, sind Arbeitgeber:innen gut beraten, ihre Vergütungspolitik und potenzielle Probleme bereits vor Inkrafttreten der entsprechenden nationalen Regelungen zu analysieren.
Friederike Hollmann ist Rechtsanwältin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal und Mitglied des Praxisteams Employment Law. Ihre Tätigkeitssschwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsrecht und Litigation. Sie verfügt über langjährige Beratungspraxis und vetritt Mandanten regelmäßig vor Gerichten und Behörden.