Posted: 07 Feb. 2024 4 min. read

Generative AI: Chancen und Risiken im Steuer- und Finanzbereich

Wie KI-Tools die Arbeitsweise von Steuer- und Finanzmitarbeiter:innen verändern kann

Überblick

 

In den letzten Jahren hat uns die „traditionelle“ Künstliche Intelligenz lediglich im Hintergrund begleitet. Sie hat Anomalien erkannt, die OCR-Technologie verbessert oder die Stichprobenauswahl effizienter gemacht, aber nur wenig an der täglichen Arbeit verändert.

Aufgrund der hohen Medienpräsenz von Tools wie bspw ChatGPT im Jahr 2023 ist das Thema Künstliche Intelligenz unter dem Begriff „Generative AI“ wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Im privaten Umfeld wurde diese Technologie dafür verwendet Grußkarten in Gedichtform zu schreiben, Bilder zu generieren oder Vorschläge für Geschenke aufzulisten. Das hat auch Unternehmen angeregt, nach Einsatzmöglichkeiten für diese Systeme in ihren Prozessen zu suchen. Dabei sind sie auf einen breiten Anwendungsbereich gestoßen, der auch den Tax Bereich betreffen wird.

 

Was ist Generative AI?

 

Generative AI ist ein spezialisiertes Feld der Künstlichen Intelligenz und beschreibt Systeme, die Inhalte erstellen, für die bisher menschliche Fähigkeiten notwendig waren. Das kann bspw ein erster Entwurf einer Checkliste für ein anstehendes Implementierungsprojekt, ein Bild für eine Präsentation oder ein Excel Makro Code sein, um einen aufwändigen Prozess zu automatisieren. Diese Outputs sind das Produkt eines jahrelangen Trainingsprozesses, wofür große Datenmengen genutzt wurden, um sog „Foundation Models“ zu trainieren. Durch eine neue Methode im Bereich des maschinellen Lernens sind diese Systeme so gut geworden, dass sie eine erneute Debatte ausgelöst haben, ab wann ein Programm als intelligent gilt.

 

Wofür wird Generative AI verwendet?

 

In einer aktuellen Studie von Deloitte haben 40 % der Unternehmen angegeben, dass sie bereits an KI-Projekten arbeiten und für die Hälfte davon war die Veröffentlichung von ChatGPT der zentrale Anlass, sich erstmals mit der Technologie auseinanderzusetzen. Im Steuer- und Finanzbereich können Generative AI-Tools bspw für folgende Aufgaben verwendet werden:

  • Key Takeaways von komplexen Dokumenten zusammenfassen
    • ZB neue regulatorische Anforderungen, Finanzberichte, Meeting-Protokolle, E-Mail-Verläufe, Stellungnahmen, etc
  • Entwürfe von Anforderungskatalogen, Dokumentationen oder Prozessbeschreibungen erstellen
  • Technische Begriffe, Excel Formeln oder Programmcodes für Fachmitarbeiter:innen übersetzen
  • Jahresabschlüsse analysieren und bewerten
  • Unternehmensinterne Steuer- und Finanzberichte erstellen

Die oben genannten Beispiele sind nur ein kleiner Auszug der möglichen Anwendungsbereiche und danach gereiht, wie einfach bis komplex deren Umsetzung im Unternehmen ist. Bspw funktioniert die Zusammenfassung von Dokumenten im Regelfall auch dann gut, wenn kein separater Trainingsprozess durchgeführt wurde. Bei der automatisierten Erstellung von Berichten ist es aber ua notwendig, die Struktur und das Format vorzugeben, in denen die Reports ausgegeben werden sollen. In beiden Fällen ist es zwingend notwendig, sich mit den verbundenen Risiken auseinanderzusetzen und interne Richtlinien zum Einsatz dieser Technologie aufzusetzen.

 

Wo bestehen Risiken und Limitationen?

 

Generative AI lässt sich aktuell in anderen Fachgebieten  leichter implementieren als im Finanzbereich. Das ist unter anderem auf drei Faktoren zurückzuführen: Kreativität der Modelle, Transparenz der Ergebnisse und Komplexität der Anforderungen.

Die meisten Personen haben sich einen „intelligenten“ Chatbot früher vermutlich als rationales und logisches System vorgestellt. Entgegen diesen Erwartungen sind diese Tools aber überraschend kreativ – eine Eigenschaft, die bspw im Marketing & Sales wohl gerne gesehen wird, im Steuer- und Finanzbereich wiederum aber oftmals wenig Anklang findet. Bei der Beantwortung von fachlichen Fragestellungen können nämlich auch Ergebnisse entstehen, die zwar richtig klingen, aber vom System erfunden werden.

In stark regulierten Bereichen stellen diese sogenannten „Halluzinationen“ ein hohes Risiko dar, da die Fehlertoleranz deutlich geringer ist. Dementsprechend müssen Ergebnisse im Finanzbereich nachvollziehbar und erklärbar sein – Anforderungen, die momentan nur schwer erfüllt werden können.

Zusätzlich basieren Entscheidungen häufig auf Fachliteratur, die oftmals datenschutzrechtlich geschützt ist, in jedem Land unterschiedlich sein kann und sich die zugrundeliegenden Gesetze laufend ändern. In Österreich kann deshalb bspw nicht garantiert werden, dass im Trainingsprozess des Modells alle relevanten Informationen miteinbezogen wurden, um komplexe Fragestellungen richtig zu beantworten.

Diese Probleme werden in den nächsten Jahren durch Weiterntwicklungen wohl zunehmend geringer werden, allerdings ist es für den Moment nach wie vor notwendig, dass fachkundige Mitarbeiter:innen die Ergebnisse gewissenhaft kontrollieren und hinterfragen.

 

Fazit

 

Der Steuer- und Finanzbereich ist aufgrund der beschriebenen Risiken im Regelfall nicht die erste Anlaufstelle zur Implementierung solcher neuen Technologien. Dennoch sollte man sich als Unternehmen die Frage stellen, für welche Arbeitsabläufe Generative AI eingesetzt werden kann, um diese Prozesse effizienter zu gestalten. Eine mögliche Vorgehensweise kann so aussehen:

  1. Verstehen: Schulen Sie die Entscheidungsträger:innen im Unternehmen.
  2. Analysieren: Identifizieren Sie Prozesse, die mithilfe von Generative AI automatisiert werden können.
  3. Priorisieren: Konzentrieren Sie sich auf jene Prozesse, die viel Zeitersparnis bringen und gleichzeitig eine geringe Komplexität aufweisen.
  4. Richtlinie festlegen: Legen Sie Rahmenbedingungen für den Einsatz von AI fest und kommunizieren Sie diese intern, um Risiken zu minimieren.
  5. Team festlegen und pilotieren: Definieren Sie eine Arbeitsgruppe, die ein geeignetes Pilotprojekt umsetzen kann.

 

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Nicolás Viveros, BSc.

Nicolás Viveros, BSc.

Director BPS | Deloitte Österreich

Nicolás Viveros leitet den Bereich Tax Technology mit dem Fokus auf Prozessautomatisierung und Data Analytics. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Analyse und Visualisierung komplexer Daten, der Automatisierung von Unternehmensprozessen mit UiPath und Power Automate sowie der Konzeption und Entwicklung von Dashboards mit Power BI. Bei Deloitte Österreich ist er zusätzlich für die Generative AI-Transformation verantwortlich, um einen sicheren Einsatz von KI zu gewährleisten und gleichzeitig die Effizienz der Arbeitsprozesse zu steigern.

Mag. Gerald Vlk

Mag. Gerald Vlk

Partner BPS | Deloitte Österreich

Mag. Gerald Vlk ist Partner der Deloitte Steuerberatung in Wien im Bereich Business Process Services. Als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer berät er Unternehmen im Private Bereich bei der Optimierung der Buchhaltung und des Controllings und unterstützt durch Contract Personnel bei kurzzeitigen Personalengpässen im Rechnungswesen.