Am 31.01.2024 beschloss der Nationalrat das neue Informationsfreiheitsgesetz („IFG“) und somit das „Aus“ des bundesverfassungsrechtlich verankerten Amtsgeheimnisses. Das neue IFG soll ab September 2025 stufenweise in Kraft treten. Der Gesetzgeber kommt mit diesem Gesetz einem knapp 10-jährigen „Ringen“ einer NGO nach, welche sich seit 2013 für das Ende des Amtsgeheimnisses und ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information einsetzte. Erklärtes Ziel ist die Etablierung eines „Transparenzgesetzes“, auf Kosten des in Österreich traditionsbehafteten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts öffentlicher Stellen auf Amtsverschwiegenheit.
Doch bringt das IFG tatsächlich den Umsturz in Sachen Informationsfreiheit und was ändert sich zum Status Quo?
Das System der Informationspflicht von Bundesorganen oder bundesnahen Stellen gegenüber jedermann, der eine Information begehrt, ist in Österreich nicht neu. Gemäß Art 20 Abs 4 B-VG haben alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs Auskünfte zu erteilen (sowohl im Bereich der Hoheits- als auch Privatwirtschaftsverwaltung). Art 20 Abs 4 des B-VG beruht auf der Idee, dass in einer Demokratie nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch die Verwaltung zu einem gewissen Grad für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, damit Bürger ihre demokratischen Mitwirkungsrechte am staatlichen Handeln effektiv wahrnehmen können
Die Idee des Art 20 Abs 4 B-VG findet seinen Niederschlag in einfachgesetzlichen Normen, nämlich durch in dem Bundes-Auskunftspflichtgesetz (Grundgesetz) sowie in den neun Landes-Auskunfts(pflicht)gesetze (Ausführungsgesetze). Inhaltliche Unterschiede bestehen kaum, da die Ausführungsgesetze dem Grundgesetz weitgehend nachgebildet sind.
Die verfassungsgesetzlich normierte Auskunftsobliegenheit ist durch die verfassungsgesetzlich bestimmte Amtsverschwiegenheitspflicht des Art 20 Abs 3 B-VG beschränkt. Dieser besonderen Geheimhaltung unterliegen geheime Tatsachen, die dem Organ ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Derartige Informationendürfen von Behörden per se nicht erteilt oder auf sonstige Art veröffentlicht werden.
Die Berufung auf Art 20 Abs 3 B-VG erfolgt in der gängigen Praxis relativ häufig und wird auch nur in den wenigsten Fällen ausreichend begründet, da eine ausreichende Begründung selbst schon unter Art 20 Abs 3 B-VG fallen oder zumindest Aufschlüsse auf das eigentliche Amtsgeheimnis geben könnte.
Die Auskunfts- bzw. Informationspflicht auf Anfrage eines Auskunftswerbers bleibt wie bisher ein Jedermannsrecht und setzt weiterhin keine besonderen Voraussetzungen voraus (bsp. besonderes Interesse, Betroffenheit, Parteistellung). Dieses bisherige Auskunftssystem soll durch einen neuen Ansatz ergänzt werden: Zukünftig soll Transparenz die Regel und Geheimhaltung die Ausnahme sein. Das Recht auf Informationszugang soll österreichweit einheitlich sein und alle staatlichen Stellen umfassen. Umgesetzt werden soll dieser Ansatz durch eine proaktive Informationsveröffentlichungspflicht aller staatlichen Stellen, inklusive staatsnaher Unternehmen Stiftungen und Fonds sowie gesetzliche Interessenvertretungen. Ausgenommen sind Gemeinden mit einer Einwohnerzahl unter 5.000.
Diese proaktive Informationsveröffentlichungspflicht betrifft „Informationen von allgemeinem Interesse“, das sind Informationen, die einen allgemeinen Personenkreis betreffen oder für diesen von Relevanz sind, wie bspw. in Auftrag gegebene Gutachten, Studien und Verträge. Diese Informationen sind künftig in einem noch einzurichtenden allgemeinen Informationsregister von sich aus einzupflegen und damit der Öffentlichkeit kostenlos im Internet zur Verfügung zu stellen.
Diese Neuregelung greift maßgeblich in die aktuelle (Verfassungs-)Rechtslage ein: Die Amtsverschwiegenheit gem Art 20 Abs 3 B-VG wird aus der Verfassung gestrichen und stattdessen Bürgern erstmals ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Informationen gegenüber dem Staat eingeräumt.
Ausnahmen von der Informationsfreiheit sind künftig nur noch in den in § 6 IFG abschließend normierten Fällen zulässig, wie bspw aus zwingenden integrations- oder außenpolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Der Gesetzgeber möchte damit pauschalen und teilweise unbegründeten Auskunftsverweigerungen unter Berufung auf eine Amtsverschwiegenheit ein Ende bereiten. Aus den engen Grenzen der Geheimhaltungsgründe bzw Verweigerungsgründe resultiert auch eine strengere Begründungspflicht im Falle der Berufung auf diese. Behörden müssen somit künftig (noch) umfangreicher die Inanspruchnahme einer Befreiungsmöglichkeit prüfen und deren Zulässigkeit auch nachweisen können.
Immer öfter stehen Bund, Länder, Städte und Gemeinden in der Verpflichtung, Auskunftsbegehren ihrer Bürger zu Themen wie bspw Klimaschutz, Energiewende, finanzielle Fragen, oder Ähnlichem nachzukommen.
Nach der neuen Rechtslage trifft Gemeinden über 5.000 Einwohnern künftig zusätzlich auch noch eine proaktive Veröffentlichungspflicht von Informationen von allgemeinen Interessen, womit ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand einhergehen wird. Gemeindeverbände bleiben hingegen auch bei einer Einwohnerzahl von unter 5.000 Personen proaktiv veröffentlichungspflichtig. Von der „passiven“ Informationspflicht auf Grund eines Auskunftsbegehrens sind jedoch alle Gemeinden und Gemeindeverbände unabhängig von ihrer Einwohnerzahl wie bisher umfasst. Pauschale Verweigerungen sind schon nach der geltenden Rechtslage nicht zulässig. Künftig ist wohl jede Art der Informationsverweigerung noch dezidierter und punktueller zu begründen.
Gerade Gemeinden ist es anzuraten, an sie gerichtete Auskunfts- und Informationsbegehren von Beginn an sorgfältig und gewissenhaft zu behandeln, um erneute/ergänzende Anfragen aufgrund unbegründeter oder unsorgfältig behandelter Anfragen so weit wie möglich hintanzuhalten. Zudem ist es auch nicht ausgeschlossen, dass informationssuchende Bürger ein Aufsichtsverfahren bei der zuständigen Aufsichtsbehörde anregen, sofern die von ihnen begehrte Information unbegründet oder unzulässig verweigert wird. Gerade vor diesen Hintergründen empfiehlt sich jeweils eine sorgfältige Bearbeitung jeder Anfrage, da es genau derartige weiterführende Verfahren sein können, die in kleineren Verwaltungseinheiten wie Gemeinden den Arbeitsalltag massiv beeinträchtigen können.
Das neue IFG wird in Sachen Transparenz und Informationsfreiheit vermutlich nicht den großen Umsturz bewirken, da auch das IFG selbst relativ weitreichende Ausnahmen vorsieht. Diese müssen künftig aber wohl dezidierter und punktueller begründet werden, um deren Zulässigkeit überprüfbar zu machen.
Absehbar ist damit jedoch ein steigender Verwaltungsaufwand der informationspflichtigen Stellen. Zum einen, da die Anzahl der Informationsbegehren grundsätzlich stetig zunimmt (nicht zuletzt aufgrund zunehmender „Hartnäckigkeit“ der Bürger); zum anderen aufgrund gesetzlich determinierter, enger Geheimhaltungsgrenzen, deren Vorliegen seitens der informationspflichtigen Stelle dezidiert begründet und somit nachgewiesen werden muss.
Es ist daher ratsam, rechtzeitig organisatorische Maßnahmen zu treffen, um den erwartbaren zusätzlichen Verwaltungsaufwand in den Verwaltungsalltag zu integrieren.
Sandra Kasper ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt auf öffentliches Wirtschaftsrecht, insbesondere in den Bereichen Anlagen-, Umwelt- und Energierecht, Eisenbahnrecht und Vergaberecht. Sie berät und begleitet Industrie- und Infrastrukturprojekte, Energieversorgungsunternehmen sowie Betriebsanlagen in unterschiedlichen Sparten und Größen. Sie berät in allen rechtlichen Fragen bspw zu Umweltverträglichkeitsprüfungen, Wasserrecht, Abfallrecht, Baurecht, Naturschutzrecht etc sowie bei planerischen Fragen, beginnend bei der Projektierung, bis zur Umsetzung eines Projekts und schließlich deren Betrieb.