Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2024 kommt es zu einer umfassenden Neuregelung der Kleinunternehmerbefreiung in der Umsatzsteuer. Erstmals kann diese auch von Unternehmen angewendet werden, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben. Die neuen Regelungen sollen ab 1.1.2025 gelten.
Bislang beträgt die maßgebliche Grenze für die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung EUR 35.000 pro Jahr. Bei dieser Grenze handelt es sich um den Nettobetrag, d.h. vor Berücksichtigung der Umsatzsteuer. Bei Anwendung des Normalsteuersatzes von 20% ergibt sich somit eine Brutto-Grenze von EUR 42.000. Die Grenze darf einmalig um maximal 15% innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren überschritten werden.
In Zukunft wird nicht nur auf die Umsatzhöhe des laufenden Jahres, sondern auch auf die Umsätze des vorangegangenen Kalenderjahres abgestellt. Nur wenn die Umsatzgrenze in beiden Jahren nicht überschritten wird, kann die Befreiung in Anspruch genommen werden. Die Umsatzgrenze wird formal auf EUR 42.000 angehoben – allerdings nunmehr als Brutto-Grenze. Bei Anwendung des Normalsteuersatzes ändert sich die Umsatzgrenze daher nicht. Fallen die Leistungen unter einen der reduzierten Steuersätze (unterliegen also zB der reduzierten 10%igen Umsatzsteuer ), so erhöht sich die Umsatzgrenze für die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung jedoch entsprechend.
Bislang führte ein Überschreiten der Umsatzgrenze zum Wegfall der Kleinunternehmerbefreiung für das gesamte Veranlagungsjahr. Wurde die Grenze zB im Dezember überschritten, so waren sämtliche im selben Jahr ausgeführten Umsätze rückwirkend umsatzsteuerpflichtig. Dies war insbesondere dann problematisch, wenn die Umsätze an Privatpersonen (umsatzsteuerliche Nicht-Unternehmer) erbracht wurden, denen die dann nachträglich anfallende Umsatzsteuer nicht mehr nachverrechnet werden konnte. In diesem Fall musste das Unternehmen die Umsatzsteuer selbst tragen und sie wurde zum Kostenfaktor.
Die Neuregelung sieht nunmehr vor, dass die Steuerbefreiung erst mit dem Umsatz entfällt, ab dem die Grenze überschritten wird. Die zuvor getätigten Umsätze bleiben somit weiterhin steuerbefreit und es kommt zu keiner nachträglichen Steuerpflicht. Steuerpflichtig ist in der Folge jener Umsatz, mit dem die Grenze überschritten wird, sowie alle folgenden Umsätze.
Die derzeitige Toleranzgrenze von 15% (innerhalb von 5 Jahren) wird durch eine neue Toleranzgrenze ersetzt: Wird die Umsatzgrenze um nicht mehr als 10% überschritten, so gilt die Befreiung noch bis zum Ende des Kalenderjahres und die Umsatzsteuerpflicht tritt erst im nächsten Kalenderjahr ein. Nur bei einem Überschreiten der 10%igen Toleranzgrenze kommt es schon im aktuellen Jahr zur Umsatzsteuerpflicht (aber eben nur für den die Grenze überschreitenden Umsatz und alle danach durchgeführten Umsätze).
Die bisherige Kleinunternehmerbefreiung war auf Unternehmen beschränkt, die von Österreich aus betrieben wurden. Zukünftig kann die Kleinunternehmerbefreiung auch von Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden, wenn
Wird der unionsweite Schwellenwert von EUR 100.000 überschritten, so ist die grenzüberschreitende Kleinunternehmerregelung ab dem Umsatz, mit dem der Schwellenwert überschritten wird, nicht mehr anwendbar.
Die Befreiung muss in dem Mitgliedstaat beantragt werden, von dem aus das Unternehmen betrieben wird (Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit). Nach erfolgter Beantragung erhält das Unternehmen eine individuelle Umsatzsteueridentifikationsnummer. Diese enthält den Suffix „-EX“ (sog EX-ID-Nummer oder Kleinunternehmer-Identifikationsnummer).
Relevant kann die Neuregelung zB für ausländische Vermieter:innen von Immobilien in Österreich sein: Vermietet zB eine in Deutschland ansässige Person in Österreich eine Ferienwohnung, so kann in Zukunft (bei Vorliegen aller Voraussetzungen) die Kleinunternehmerbefreiung zur Anwendung kommen und die Vermietung ohne Umsatzsteuer erfolgen. Wie schon bisher führt die Befreiung aber gleichzeitig zum Verlust des Vorsteuerabzugs für die mit den Umsätzen zusammenhängenden Aufwendungen.
Die Neuregelung führt zu einigen Vereinfachungen für Kleinunternehmer:innen. Insbesondere der Wegfall der rückwirkenden Umsatzsteuerpflicht bei unterjährigem Überschreiten der Umsatzgrenze stellt eine große Erleichterung vor allem für jene Unternehmen dar, deren Umsätze schon bisher knapp unter der Kleinunternehmergrenze waren. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kleinunternehmerbefreiung auch für in anderen EU-Staaten ansässige Unternehmen kann zu zusätzlichen Verwaltungsvereinfachungen führen. Aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vorsteuerabzugs sollte die Anwendung der Befreiung aber vorab gründlich überlegt werden.
Christoph Hofer ist Director in der Steuerberatung bei Deloitte in Salzburg. Als Steuerberater liegen seine Schwerpunkte im Bereich Steuer-Compliance von Kapitalgesellschaften. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts und der Vereinsbesteuerung. Er verfügt über Erfahrung in der Beratung von Familienunternehmen und Vereinen.