Posted: 27 Jun. 2024 6 min. read

VwGH: ImmoESt bei Gebäuden mit fiktiven Anschaffungskosten

Der Ansatz von fiktiven Anschaffungskosten bei „Altvermögen“ ist nur bei erstmaliger Nutzung zur Einkünfteerzielung möglich

Überblick

 

In der Entscheidung vom 22.2.2024, Ra 2022/13/0086, des VwGH beschäftigte sich dieser mit der Frage, wie die Immobilienertragsteuer (ImmoESt) im Falle von „Altvermögen“ (Grundstücke, die zum 31.3.2012 nicht steuerverfangen waren) zu berechnen ist, wenn im Rahmen der erstmaligen Vermietung des Gebäudes die Absetzung für Abnutzung (AfA) von den fiktiven Anschaffungskosten bemessen worden ist. In einem solchen Fall treten hinsichtlich des Gebäudes die fiktiven Anschaffungskosten anstelle des (anteiligen) Veräußerungserlöses. Für die Beurteilung des Umstands der erstmaligen Verwendung zur Einkünfteerzielung (betrieblich/außerbetrieblich) des Grundstücks ist nach dem VwGH auf eine gebäudebezogene – und nicht auf eine personenbezogene – Betrachtungsweise abzustellen.

 

Sachverhalt und Verfahrensgang

 

Der Steuerpflichtige und sein Bruder hatten 1992 eine bebaute Liegenschaft geerbt. Nach dem Tod des Bruders im Jahr 2007 erwarb der Steuerpflichtige dessen Liegenschaftsanteil durch einen unentgeltlichen Vorgang. Die Liegenschaft wurde ab 1.1.2014 vermietet, wobei der AfA eine vereinfachte Berechnung zu Grunde gelegt wurde. Im Jahr 2019 verkaufte der Steuerpflichtige die Liegenschaft und ermittelte für Zwecke der ImmoESt (rückwirkend zum Vermietungsbeginn 1.1.2014) die fiktiven Anschaffungskosten des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes.

Das BFG ging nach den Feststellungen davon aus, dass steuerliches „Altvermögen“ vorliege und in den zehn Jahren vor Vermietungsbeginn durch den Steuerpflichtigen keine Verwendung zur Einkünfteerzielung stattgefunden habe und ermittelte die ImmoESt daher wie folgt: Für den auf Grund und Boden entfallenden Kaufpreisanteil wurde eine pauschale Besteuerung gemäß § 30 Abs 4 EStG vorgenommen (30 % von 14 % des anteiligen Veräußerungserlöses). Für die Besteuerung des auf das Gebäude entfallenden Kaufpreises wurde vom BFG eine gespaltene Einkünfteermittlung (Wertveränderung vor und nach Vermietungsbeginn) vorgenommen. Für die Wertveränderungen vor Vermietungsbeginn zog das BFG die fiktiven Anschaffungskosten anstelle des Veräußerungserlöses heran und nahm eine pauschale Besteuerung vor. Zusätzlich ermittelte das BFG die Differenz zwischen dem auf das Gebäude entfallenden Kaufpreis und den fiktiven Anschaffungskosten und wandte auf diese Differenz den besonderen Steuersatz von 30 % an (Wertveränderung nach Vermietungsbeginn). Gegen dieses Erkenntnis des BFG wurde seitens des Finanzamtes Amtsrevision erhoben.

 

Entscheidung des VwGH

 

Eingangs führte der VwGH aus, dass aus dem Verwaltungsakt deutlich hervorgehe, dass Teile der Liegenschaft vom verstorbenen Bruder bis zu seinem Tod 2007 betrieblich genutzt worden seien. Aus rechtlicher Sicht sind die fiktiven Anschaffungskosten dann anzusetzen, wenn ein nicht steuerverfangenes Grundstück („Altvermögen“) erstmalig zur Einkünfteerzielung verwendet wird. Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich der Umstand der erstmaligen Verwendung zur Einkünfteerzielung somit auf das Grundstück und nicht auf die Person. Die steuerliche Altvermögenseigenschaft ist ebenfalls grundstücksbezogen zu verstehen und bei Vorliegen einer unentgeltlichen Übertragung von Altvermögen bleibt diese Eigenschaft auch beim Rechtsnachfolger bestehen. Bei der Beurteilung, ob fiktive Anschaffungskosten zum Ansatz gelangen, sind daher auch die Umstände des Rechtsvorgängers miteinzubeziehen.

Wie aus dem Verwaltungsakt hervorgeht, wurde das Gebäude teilweise vom (verstorbenen) Bruder des Steuerpflichtigen zur Einkünfteerzielung im Rahmen einer Kfz-Werkstätte/Schlosserei genutzt. Ein Ansatz von fiktiven Anschaffungskosten als AfA-Bemessungsgrundlage war daher nicht möglich, da die Liegenschaft zwar Altvermögen darstellt, jedoch keine erstmalige Verwendung zur Einkünfteerzielung durch den Steuerpflichtigen (im Rahmen der Vermietung ab 1.1.2014) vorgelegen ist. Für die Ermittlung der ImmoESt aus der Veräußerung der verfahrensgegenständlichen Immobilie kann somit hinsichtlich des Gebäudes kein Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten anstelle des Veräußerungserlöses erfolgen und es ist auch keine gespaltene Einkünfteermittlung (Wertveränderung vor und nach Vermietungsbeginn) vorzunehmen. Im Ergebnis handelt es sich beim veräußerten Grundstück um Altvermögen, weshalb insgesamt eine pauschale Ermittlung der Einkünfte nach § 30 Abs 4 EStG (Grund und Boden sowie Gebäude) vorzunehmen ist.

 

Fazit

 

Für die Praxis sind aus dem Erkenntnis folgende Thematiken von Interesse: Der VwGH führt dezidiert aus, dass die Regelungen hinsichtlich des Ansatzes von fiktiven Anschaffungskosten als AfA-Bemessungsgrundlage (bzw anstelle des Veräußerungserlös bei nachfolgender Veräußerung) gebäudebezogen zu verstehen sind. Der Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten führt grundsätzlich im Falle der Veräußerung des Grundstücks hinsichtlich des Gebäudes zu einer gespaltenen Betrachtungsweise. Für Wertveränderungen bis zum Beginn der Einkünfteerzielung kann die Ermittlung der ImmoESt pauschal erfolgen (fiktive Anschaffungskosten anstelle des Veräußerungserlöses); Wertveränderungen ab Beginn der Einkünfteerzielung sind „regulär“ zu ermitteln (fiktive Anschaffungskosten anstelle der tatsächlichen Anschaffungskosten). Beim Grund und Boden ist unabhängig davon durchgängig eine pauschale Besteuerung vorzunehmen. Im gegenständlichen Fall hat der VwGH jedoch die Anwendung der gespaltenen Einkünfteermittlung – entgegen der Ansicht des BFG – abgelehnt, da die AfA beim Gebäude nicht von den fiktiven Anschaffungskosten zu bemessen war.

 

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Mag. Georg Lenhardt

Mag. Georg Lenhardt

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Georg Lenhardt ist Berufsanwärter in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Beratung von Privatpersonen (Private Clients), Privatstiftungen und Familienunternehmen sowie im Bereich der Immobilien- und Kapitalvermögensbesteuerung.

Elisabeth Bauer

Elisabeth Bauer

Senior Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Elisabeth Bauer ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Beratung von Privatpersonen (Private Clients), Privatstiftungen, und Familienunternehmen sowie im Bereich der Immobilien- und Kapitalvermögensbesteuerung.