Posted: 08 May 2024 5 min. read

VwGH: Keine Wiedereinsetzung bei Organisationsverschulden

Wird eine Frist auf Grund eines Verstoß gegen den internen Organisationsablauf versäumt, liegt regelmäßig grobes Verschulden vor, welches einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 BAO entgegensteht.

Überblick

 

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer Frist nach § 308 BAO setzt voraus, dass die Fristversäumnis nicht grob verschuldet wurde („es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt“). Grobes Verschulden kann im Regelfall ausgeschlossen werden, wenn ein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet und der dort vorgesehene Organisationsablauf auch eingehalten wird.

 

Sachverhalt

 

Der Revisionswerberin, einer GmbH, wurde ein Abgabenbescheid zugestellt; der Geschäftsführer vermerkte auf dem Bescheid handschriftlich das Ende der Beschwerdefrist irrtümlich mit 26.10.2020, anstelle richtigerweise 26.9.2020, und trug diese Frist in den elektronischen Fristenkalender ein. Nach den Vorgaben des Fristenkontrollsystems der GmbH hätte die Eintragung der Frist mit einer Mitarbeiterin abgestimmt und von dieser im Anschluss kontrolliert werden müssen.

Die Mitarbeiterin als auch deren Vertretung waren am Tag der Bescheidzustellung abwesend, weshalb entgegen dem vorgesehenen Organisationsablauf, welcher für den Fall der Abwesenheit beider Personen keine Regelung enthielt, die Kontrolle entfiel. Bei einer von der Mitarbeiterin am Folgetag vorgenommenen stichprobenartigen Kontrolle der Fristenliste wurde die inkorrekte Eintragung nicht wahrgenommen.

In Folge der Fristversäumnis brachte die Revisionswerberin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist ein. Fraglich war, ob ein die Wiedereinsetzung ausschließendes grobes Verschulden an der Fristversäumnis vorlag.

 

VwGH: Bei Verletzung des oder Mangel im Kontrollsystem besondere Sorgfalt geboten

 

Die Büroorganisation einer (Kapital-)Gesellschaft muss dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen. Dazu gehört insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung dieses Zieles nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinne unzureichend, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden.

Im gegenständlichen Fall (VwGH 9.1.2024, Ra 2021/13/0091) war das Kontrollsystem zwar so ausgestattet, dass die Wahrung des Vier-Augen-Prinzips grundsätzlich gewährleistet war. Für den Fall der Abwesenheit beider Mitarbeiterinnen wurde aber keine Regelung getroffen, weshalb der vorgesehene Organisationsablauf bereits aus diesem Grund mangelhaft war. Zudem wäre – da der Geschäftsführer entgegen dem Kontrollsystem die Frist allein ermittelt und erfasst hat – bei der stichprobenartigen Kontrolle durch die Mitarbeiterin am Folgetag eine erhöhte Sorgfalt notwendig gewesen. Es lag daher kein lediglich minderer Grad des Versehens vor, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen war.

 

Fazit

 

Wird eine abgabenrechtliche Frist (etwa die Beschwerdefrist) versäumt, kann der dadurch erlittene Rechtsnachteil durch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist unter den Voraussetzungen des § 308 BAO vermieden werden. Voraussetzung einer Wiedereinsetzung ist unter anderem, dass die Partei kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Dies kann regelmäßig durch Einführung und Einhaltung der Vorgaben eines internen Fristenkontrollsystems belegt werden.

Ist das Kontrollsystem mangelhaft oder wird der dort geregelte Organisationsablaufs im Einzelfall nicht eingehalten, schließt dies eine Wiedereinsetzung aber nicht per se aus, sofern besonders sorgfältig vorgegangen wurde. Gerade bei einer (unter Umständen im Einzelfall nicht vermeidbaren) Verletzung des gegelten Organisationsablaufs bzw bei Vorliegen einer durch das Kontrollsystem nicht geregelten Sachverhaltskonstellation ist daher anzuraten, besondere Sorgfalt zu wahren und diese entsprechend stichhaltig zu dokumentieren.

 

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Florian Fiala, LL.M. (WU)

Florian Fiala, LL.M. (WU)

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Florian Fiala ist Berufsanwärter im Bereich Tax Litigation bei Deloitte Wien. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Steuerverfahrensrecht. Er ist regelmäßig als Fachautor und Vortragender tätig.

MMag. Alexander Lang

MMag. Alexander Lang

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Alexander Lang ist Partner in der Steuerberatung bei Deloitte in Wien. Als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie zertifizierter Finanzstrafexperte hat er sich auf Tax Litigation spezialisiert. Dabei vertritt er gemeinsam mit seinem Team Klienten im Bereich des Finanzstrafrechts und in komplexen Rechtsmittelverfahren. Seine weiteren Tätigkeitsschwerpunkte stellen die steuerliche Beratung von österreichischen und internationalen Unternehmen sowie die Besteuerung von Kapitalvermögen dar.