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Wie steht es um die Gleichstellung in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten?
Weltfrauentagsumfrage 2023 - selten findet sich Chancengerechtigkeit in Unternehmenszielen österreichischer Unternehmen verankert, nach wie vor gibt es geschlechterspezifische Hürden aber langsam kommen auch Veränderungsprozesse ins Rollen.
Wir haben anlässlich des Weltfrauentages 2023 rund 200 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter zum Status quo der Geschlechtergleichstellung in ihren Betrieben befragt. Das Ergebnis: Chancengerechtigkeit ist leider immer seltener in den Unternehmenszielen österreichischer Unternehmen verankert, geschlechterspezifische Hürden halten sich im Berufsleben sehr hartnäckig.
Die Abfederung von Krisen stand in den letzten Jahren im Fokus der Führungskräfte. Vermeintlich weniger akute Themen sind damit in den Hintergrund gerückt. Die Thematik der Gleichstellung hat in Österreichs Wirtschaft an Bedeutung verloren.
Die Key Findings der Befragung:
- Rückläufige Bedeutung: Nur bei 41 % der Unternehmen ist Gleichstellung strategisch verankert
- Langsamer Paradigmenwechsel: Chancengleichheit wird immer seltener an Vollzeit geknüpft
- Hartnäckige Hürden: Konservative Rollenbilder und unpassende Rahmenbedingungen sind die größten Herausforderungen für Frauen
- Wirksame Maßnahmen: Frauen fordern strukturelle Veränderungen, Männer suchen Lösungen im Status quo
Vor zwei Jahren war die Gleichstellung der Geschlechter noch bei der Hälfte der Befragten strategisch in den Unternehmenszielen verankert. Auffällig ist zudem, dass Angestellte die Gleichstellungsbestrebungen ihrer Unternehmen je nach Geschlecht unterschiedlich wahrnehmen: 60 % der Männer sind der Meinung, dass Gleichstellungsmaßnahmen aktiv umgesetzt werden, aber nur 38 % der Frauen sind davon überzeugt.
Die Unternehmenswelt ist in Sachen Chancen-
gerechtigkeit noch lange nicht dort, wo sie sein sollte.
Gundi Wentner, Partnerin Deloitte Consulting
Erfolgreiche Karriere auch in Teilzeit möglich
Arbeitnehmer:innen in Teilzeitbeschäftigung waren in der Vergangenheit oft mit Bedenken rund um die sogenannte Teilzeit-Falle konfrontiert. Unsere Umfrage zeigt, dass sich das Paradigma, dass erfolgreiche Karrieren nur in Vollzeit möglich sind, langsam, aber sicher auflöst. Vor vier Jahren knüpfte noch mehr als die Hälfte der Befragten Chancengleichheit an das Beschäftigungsausmaß, heute nur mehr 38 %. Vor allem jüngeren Generationen ist eine ausgewogene Work-Life-Balance und reduzierte Arbeitszeit wichtig, gleichzeitig jedoch auch berufliche Weiterentwicklung und Führungsverantwortung. Derzeit sind die Rahmenbedingungen dafür aber noch nicht ideal – denn wer langfristig in Teilzeit arbeitet, muss bei der Karriere Abstriche machen.
Frauen stoßen im Berufskontext nach wie vor viel häufiger auf Herausforderungen als ihre männlichen Kollegen. Als größte Hürden gelten immer noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, konservative Rollenbilder sowie hinderliche Rahmenbedingungen, aber auch die Hierarchieebene spielt eine große Rolle. Der Frauenanteil in Spitzenpositionen ist nach wie vor sehr gering.
Die vielzitierte gläserne Decke ist nach wie vor schwer zu durchbrechen, gleichzeitig bietet sich durch die anstehende Pensionierungswelle die Möglichkeit, nachhaltige Veränderungen ins Rollen zu bringen. Unternehmen sollten diese Chance jetzt nutzen.
Elisa Aichinger, Partnerin, Deloitte Consulting
Uneinigkeit über wirksame Maßnahmen
Bei der Frage nach wirkungsvollen Maßnahmen für mehr Gleichstellung in Unternehmen wird Flexibilität bei den Arbeitszeiten besonders häufig angeführt. Es zeigt sich jedoch auch hier, dass die Geschlechter unterschiedlicher Auffassung sind: So sehen Männer die Möglichkeit von Top-Sharing, also die Aufteilung einer Managementposition auf zwei Personen, sowie Flexibilität beim Arbeitsort als zielführende Maßnahmen für Gleichstellung. Frauen hingegen fordern häufiger eine grundlegende Veränderung der Unternehmenskultur, gezielte Frauenförderung sowie Mentoring.
Nachhaltigkeit und Gleichstellung - in der Praxis noch zwei Paar Schuhe
Um die Rolle als Arbeitgeber nicht nur auf ökologischer, sondern auch auf sozialer Ebene nachhaltiger zu gestalten, sollten Gleichstellung und Chancengerechtigkeit berücksichtigt werden. Das gemeinsame Vorantreiben beider Themen ist in den Organisationen aber noch eine Ausnahme.
63 % der Befragten assoziieren soziale Nachhaltigkeit mit Gleichstellung. Aber nur knapp die Hälfte dieser behandelt die Themen inhaltlich (46 %) und personell (49 %) gemeinsam.
Vor dem Hintergrund des akuten Fach- und Arbeitskräftemangels müssen die Ansprüche der potenziellen Mitarbeiter:innen dahingehend ernstgenommen werden.
Eva-Maria Burger, Expertin für Inklusion, Deloitte Consulting
Für den Erfolg von Anstrengungen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Gleichstellung sind personelle Ressourcen, finanzielle Mittel und ein Berichtswesen ausschlaggebend. 52 % der Befragten verfügen über finanzielle Mittel, um die soziale Nachhaltigkeit innerhalb des Unternehmens zu forcieren, hingegen haben nur 28 % auch ein Budget zur erfolgreichen Entwicklung von Diversität und Gleichstellung. In Sachen Berichtswesen besitzen zwei Drittel der Betriebe ein System, um die Fortschritte beim Thema Nachhaltigkeit festzuhalten, aber lediglich weniger als die Hälfte haben ein solches Reporting für Diversität und Gleichstellung implementiert.
Die Regulatorik im Bereich Nachhaltigkeit gab in den vergangenen Jahren einen wichtigen Anstoß für die aktive Bearbeitung des Themas. Auch bei der Gleichstellung kann die Regulatorik einen neuerlichen und notwendigen Push bewirken - etwa die neue EU-Rechtsvorschrift zur ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten und Vorstandsetagen.
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