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Deloitte Senior Hires Survey 2020
Erwerbstätigkeit im Alter gewinnt an Bedeutung, wird aber durch Hürden gebremst – ein ungenutztes Potenzial am Arbeitsmarkt?
Die Gesellschaft wird zunehmend älter und seit einigen Jahren erreicht auch die Generation der Babyboomer nach und nach das Pensionsalter. Dass diese Entwicklung tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, wird schon lange vermutet. Die Deloitte Senior Hires Survey 2020 bestätigt nun: Das Thema Erwerbsarbeit in der Pension wird auch aus Sicht der Unternehmen in Zukunft an Relevanz gewinnen. Neben hinderlichen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen und hohen Personalkosten stellt aber die Stigmatisierung von PensionistInnen eine große Hürde in der Praxis dar.
Die Zahl der älteren ArbeitnehmerInnen wächst und auch der Anteil der erwerbstätigen PensionistInnen nimmt in Österreich zu. Im Sommer 2020 hat Deloitte in Kooperation mit dem Social Business Vollpension über 200 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter sowie 250 Personen ab 60 Jahren zu Erwerbsarbeit im Alter befragt. Unter Senior Hires versteht man erwerbstätige Personen über 60 – unabhängig davon, ob diese Personen bereits eine Alterspension beziehen.
Die Key Findings der Studie
- Steigende Relevanz: 90 % der befragten Unternehmen glauben, dass Erwerbsarbeit in der Alterspension an Bedeutung gewinnen wird
- Fehlendes Angebot: 86 % der befragten Personen ab 60 beklagen zu geringes Stellenangebot für ältere ArbeitnehmerInnen
- Stigma Pension: 23 % der Unternehmen äußern Bedenken über Leistungsfähigkeit von PensionistInnen
- Generationenmix als Chance: 89 % der Unternehmen sehen im Wissenstransfer zwischen Jung und Alt einen Vorteil
Die Befragung belegt: 90 % der Unternehmen rechnen damit, dass die Erwerbsarbeit in der Pension an Bedeutung gewinnen wird. Die Zusammenarbeit mit pensionierten ArbeitnehmerInnen bietet den Unternehmen eine Möglichkeit, dem anhaltenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Die Relevanz des Themas wurde zwar erkannt, in der Praxis mangelt es jedoch noch am entsprechenden Angebot: Sowohl 71 % der UnternehmensvertreterInnen als auch 86 % der befragten Personen ab 60 Jahren glauben, dass Jobangebote für Senior Hires der Nachfrage nicht gerecht werden. Der Arbeitsmarkt kommt aber bereits in Bewegung: 84 % der befragten Unternehmen geben an, Personen über 60 zu beschäftigen, fast die Hälfte der Betriebe arbeitet bereits mit PensionistInnen zusammen.
Stigma Pension als Hürde am Arbeitsmarkt
Die Umfrage unter den Unternehmen zeigt aber auch: Insgesamt wird PenionistInnen weniger zugetraut als nichtpensionierten Personen über 60. So sorgen sich 23 % der UnternehmensvertreterInnen über eine verminderte Leistungsfähigkeit von PenionistInnen. Die Hürden bei der Beschäftigung von pensionierten Personen werden zudem deutlich höher bewertet als bei nichtpensionierten älteren Arbeitnehmern.
Es zeigt sich, dass die Begrifflichkeiten beim Thema Arbeiten im Alter eine essenzielle Rolle spielen: Nur 11 % der Unternehmen sehen aktuell einen Mehrwert darin, PensionistInnen zu beschäftigen – bei Senior Hires im Allgemeinen sind es hingegen 25 %. Der Begriff Pension scheint mit einem Stigma belegt, das fest in unseren Köpfen verankert ist.
Das bekommen die erwerbstätigen PensionistInnen direkt zu spüren: 27 % sehen in dieser Stigmatisierung eine Hürde in ihrem Arbeitsalltag. Eine weitere große Herausforderung ist für 31 % der erwerbstätigen PensionistInnen das komplexe Steuerrecht. Gerade auf steuerrechtlicher Ebene mangelt es sowohl bei ArbeitgeberInnen als auch ArbeitnehmerInnen an Klarheit. Hier gibt es dringenden Optimierungsbedarf.
Erfahrungsaustausch als Chance
Generell überwiegen für die befragten Personen über 60 jedoch die positiven Aspekte im Zusammenhang mit der Erwerbsarbeit während der Pension: Über die Hälfte verbindet damit Fitness, Mobilität sowie die Aufrechterhaltung und Pflege sozialer Beziehungen. Auch die Themen Selbstverwirklichung und Sinnstiftung spielt eine wichtige Rolle. Allerdings geht auch jeder Dritte davon aus, dass ein Zuverdienst während der Pension finanziell notwendig ist. Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt die älteren ArbeitnehmerInnen in diesem Punkt vor Herausforderungen. Für die Mehrheit der Befragten gelten nämlich trotz des erhöhten gesundheitlichen Risikos keine Sonderregelungen am Arbeitsplatz.
Für die Unternehmen bietet die Beschäftigung von Personen über 60 Jahren vielseitige Chancen: Vor allem die Möglichkeit des Wissenstransfers und Erfahrungsaustausches (89 %) sowie der Ausgleich personeller Engpässe (45 %) wird dadurch ermöglicht. Die Potenziale der Zusammenarbeit mit Senior Hires wird von jenen Unternehmen höher eingestuft, die damit bereits Erfahrung gesammelt haben.
COVID-19 stellt den österreichischen Arbeitsmarkt gerade vor große Herausforderungen. Das Potenzial von generationengemischten Teams sollte gerade in der Krise nicht aus den Augen verloren werden. Denn ein diverser Arbeitsmarkt ist nicht nur resilienter, sondern auch wichtig für ein funktionierendes Sozialsystem. Es braucht gezielte Initiativen seitens der Politik, um die Teilhabe älterer Personen am Erwerbsleben zu erleichtern und so den Austausch zwischen Jung und Alt zu fördern.
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