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OGH: Tücken für Händler bei der Bestellung und Abholung von Waren

Das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) ist vielen Online-Händler ohne stationäres Geschäftslokal bekannt, da seine Anwendung umfassende Informationspflichten und ein grundsätzlich 14-tägiges Rücktrittsrecht bewirkt. Gerade in Zeiten der COVID-19 Pandemie setzen aber auch stationäre Händler vermehrt auf die Telefon- und/oder Onlinebestellung und anschließende Abholung der Waren durch die Kunden.

Fraglich ist dabei, ob auch in solchen Fällen die Bestimmungen des FAGG anwendbar sind. Unlängst bot sich dem Obersten Gerichtshof (OGH) im Zusammenhang mit der Bestellung von Gebrauchtwagen die Möglichkeit einer Klarstellung zu dieser Frage.

Das FAGG kommt zur Anwendung, wenn (i) unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln und ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit ein Fernabsatzvertrag zwischen Unternehmen und Verbraucher abgeschlossen wird und (ii) das Unternehmen ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem betreibt. Generelle Ausnahmen für die Anwendung des FAGG gelten lediglich für Fernabsatzverträge unter 50 Euro sowie für bestimmte andere in § 1 Abs 2 FAGG genannte Verträge.

Gegenstand der Entscheidung des OGH in 6 Ob 36/20t war primär die Frage, ob schon bei der Möglichkeit der Abholung von Waren (hier eines Gebrauchtwagens) von einem für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem gesprochen werden kann. Hierzu führt der OGH aus, dass für die Beurteilung des Fernabsatzes (und somit der Anwendung des FAGG) maßgeblich ist, ob der Unternehmer seinen Vertrieb organisatorisch - zumindest auch - auf einen regelmäßigen Absatz per Distanzgeschäft (Fernabsatz) ausgerichtet hat, wofür auch ein selbst eingerichtetes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem ausreichen kann. Erfasst werden etwa Websites mit Bestellmöglichkeit, Onlineshops, telefonische oder sonst automatisierte Bestellmöglichkeiten und Warenrücknahmen, Callcenter, Warenkataloge mit Bestellkarten, Teleshopping und anderes. Hierbei genügt es, wenn der Vertrieb zumindest zum Teil im Fernabsatz erfolgen kann. Die Art der Lieferung bzw. Abholung der Waren spielt hingegen keine Rolle für die Beurteilung des Vorliegens eines Fernabsatzvertrags.

Doch was bedeutet diese Entscheidung für Händler? Die eingangs genannten Händler, die in Zeiten der Pandemie ihren Kunden die Bestellung mittels Telefon oder E-Mail sowie die Warenabholung vor Ort ermöglichen, müssen auf die Einhaltung der Vorschriften des FAGG ein besonderes Augenmerk legen. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Informationspflichten nach § 4 Abs 1 FAGG, das informieren über das Bestehen des Rücktrittsrechts nach § 4 Abs 3 FAGG sowie die Übermittlung der Bestätigung des Fernvertragsabschlusses nach § 5 Abs 2 FAGG.

Verstöße gegen das FAGG können neben der Sanktionierung mit Verwaltungsstrafen auch bei der Auslegung von Vertragsinhalten relevant sein und schlussendlich zur Anpassung oder Anfechtung des Vertrags berechtigen. So bewirken Verstöße gegen die Informationspflichten im Zusammenhang mit dem 14-tägigen Rücktrittsrecht eine Verlängerung des selbigen auf 12 Monate. Schließlich könnten auch Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Klagen gegen jene Unternehmen einbringen, die sich trotz Anwendbarkeit des FAGG die Erfüllung der damit einhergehenden Pflichten ersparen.

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