Pressemeldungen

„Was nicht dokumentiert wurde, gilt als nicht gemacht“

Oder: Die Dokumentationspflicht der Unternehmensführung im Einklang mit gesetzlichen Anforderungen und Änderungen in der Informationsablage

Im Fokus des 10. Wiener Symposiums zum Wirtschafts- und Finanzstrafrecht stehen der Wandel des Informationsflusses und die gesetzliche Pflicht insbesondere für Entscheidungsträger, Prozesse nachvollziehbar zu dokumentieren. Von der Auffassung „Jedes Schrifterl ist ein Gifterl“ bis hin zur akribischen Dokumentenablage, gilt es nun für Unternehmen im Zeitalter der Cloud die entsprechenden Maßnahmen hierfür zu implementieren. In einer oftmals unendlichen Datenflut die entscheidende Information zu identifizieren, verursacht einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Dies stellt für Unternehmen eine Herausforderung dar, ist aber gerade im Hinblick auf das Wirtschaftsstrafrecht von großer Bedeutung. Dies zeigt sich beispielsweise bei forensischen Untersuchungen, in denen es darum geht, die Entscheidungsfindung vor längerer Zeit nachzuvollziehen, und die zudem unter einem enormen Zeitdruck stattfinden. Aber auch im Hinblick auf das Bilanz- und Finanzstrafrecht sowie das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 sind organisatorische Vorkehrungen zur Absicherung der Organe sowie zur nachträglichen Strafbefreiung durch Tätige Reue bzw. Selbstanzeige erforderlich.

Wien, 22. September 2015 – Unternehmen stehen heute mehr denn je vor der Aufgabe, Entscheidungen aufgrund gesetzlicher Anforderungen nachvollziehbar zu dokumentieren. Diese Dokumentationspflicht steht im Spannungsfeld dazu, dass der Informationsfluss sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren signifikant erweitert hat: Daten bzw. Informationen werden nicht nur unternehmensintern, sondern vor allem mit Dritten über das Internet, mobile Geräte und modernste Speicherplätze, wie die „Cloud“, ausgetauscht. „Für die Unternehmensführung wird es von Relevanz sein, entsprechende Prozesse zu implementieren, um ‚Herr der Daten‘ zu bleiben, selbst wenn diese in naher Zukunft vollständig in die Cloud ausgelagert werden“, erklärt Karin Mair, Partner & National Leader von Deloitte Forensic.

Offenlegung ist nicht gleich „Offenlegung“
Im neuen Bilanzstrafrecht als Teil des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015 (BGBl  I 112/2015) wurde neben der Schaffung eines einheitlichen Bilanzstrafrechts die Möglichkeit der „Tätigen Reue“ bei Bilanzdelikten vorgesehen. Wer freiwillig falsche Angaben richtig stellt oder unvollständige Angaben, jeweils vor Abschluss der jeweiligen Informationserteilung, nachträgt, soll nicht bestraft werden. „Aufgrund der zeitlichen Einschränkung der Tätigen Reue kann nur in einem sehr restriktiven Bereich eine Straflosigkeit erfolgen“, erklärt Bernhard Gröhs, Managing Partner von Deloitte Österreich.

Aufgrund der Tatsache, dass bei finanzstrafrechtlichen Vergehen bei „konsequenter“ Verbuchung gleichzeitig auch Bilanzvergehen im Raum stehen, dürfen Finanz- und Bilanzvergehen nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Diese hängen eng miteinander zusammen und bringen Unternehmen nicht selten in einen Interessenskonflikt. Dies zeigt sich bei der „Selbstanzeige“, die, ähnlich der „Tätigen Reue“, im Finanzstrafrecht für den Unternehmer ein probates Mittel darstellt, um Straffreiheit hinsichtlich des Finanzvergehens zu erlangen. Neben der „Rechtzeitigkeit“ ist zudem Folgendes von Relevanz: Sollte mit einem Finanz- auch ein Bilanzvergehen verbunden sein, kann die strafbefreiende Selbstanzeige für das Finanzvergehen gleichzeitig eine nicht strafbefreiende Anzeige für das Bilanzvergehen darstellen. Diese Problematik trifft nicht nur die Täter, sondern auch neue Organe (Geschäftsführer, Vorstände etc.), die bemerken, dass in der Vergangenheit derartige Vergehen begangen wurden und die eine Verbandstrafe für die Gesellschaft abwenden wollen. „Die Möglichkeit, auch hinsichtlich eines allfälligen Bilanzvergehens straffrei zu werden, ist dann oftmals nicht mehr gegeben“, erklärt Alexander Lang, Partner von Deloitte Tax.

Die „goldene Mitte“ als adäquate Maßnahme
„Was nicht dokumentiert wurde, gilt als nicht gemacht“ – Der Fokus forensischer Untersuchungen liegt oftmals auf der Erhebung der Entscheidungsfindung, welche vor längerer Zeit stattgefunden hat. Den Ergebnisfindungsprozess adäquat zu dokumentieren ist für die Unternehmensführung daher nicht nur im Hinblick auf das Bilanz- und Finanzstrafrecht, sondern auch auf den Untreue-Tatbestand, § 153 StGB, von Relevanz. Wie bei jedem Prozess ist es wichtig, dass dieser an die Unternehmensstruktur und deren regulatorisches Umfeld angepasst ist und technische Neuerungen effizient und sicher miteinbezieht. „Nur so kann gewährleistet werden, dass mithilfe der so geschaffenen Transparenz selbst Grauzonen erkannt und gemieden werden können“, konkludiert Bernhard Gröhs.

War der Artikel hilfreich?