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Umqualifizierung Werkvertrag – Dienstvertrag

Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Arbeitswelt haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten in vielen Bereichen entscheidend verändert. Die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag ist in der Praxis nicht immer ganz einfach und verläuft oft fließend. Im Zuge von Lohnabgabenprüfungen (GPLA) stellen solche Abgrenzungssachverhalte oftmals ein Risiko einer möglichen Umqualifizierung dar. Die folgende Übersicht soll als Orientierungshilfe für die Unterscheidung zwischen unselbstständiger (Dienstvertrag) u selbständiger Erwerbstätigkeit (Werkvertrag) dienen.

Die wichtigsten Merkmale eines Selbstständigen/Werkvertrages sind insbesondere:

  • Die Herstellung eines konkret definierten Arbeitsergebnisses (Werk) gegen Entgelt wird geschuldet
  • Es herrscht keine Bindungen des Auftragnehmers an Arbeitszeit und Arbeitsort; dh. keine Integration in die betrieblichen Strukturen des Auftraggebers
  • Der Auftragnehmer kann sich vertreten lassen.
  • Es werden eigene Betriebsmittel des Auftragnehmers verwendet.
  • Sämtliche Kosten sind mit dem Werkhonorar abgegolten.
  • Es liegt eine leistungsbezogene Bezahlung vor.
  • Der Auftragnehmer trägt das volle Unternehmerrisiko (Gewährleistung für Mängel des Werks).

Die wichtigsten Merkmale eines echten Dienstnehmers sind im Allgemeinen:

  • Der Dienstnehmer schuldet die Arbeitsleistung (auf bestimmte oder unbestimmte Zeit).
  • Der Dienstnehmer ist im Bereich der Arbeitszeit und Arbeitsort an die Vorschriften des Dienstgebers gebunden; dh Integration in die betrieblichen Strukturen des Dienstgebers.
  • Der Dienstgeber hat Weisungs- und Kontrollbefugnis über den Dienstnehmer.
  • Es liegt eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Dienstnehmers gegen Entgelt vor.
  • Der Dienstnehmer hat eine persönliche Leistungspflicht und kann sich nicht vertreten lassen.
  • Der Dienstgeber stellt die Betriebsmittel bereit.

Die Folgen einer Umqualifizierung können für den Auftraggeber sehr weitrechend sein. Hierbei können erhebliche Kosten im sozialversicherungs-, arbeits- und abgabenrechtlichen Bereich entstehen.

Der als Dienstgeber Qualifizierte ist dazu verpflichtet, die gesamten Sozialversicherungsabgaben rückwirkend für bis zu fünf Jahre nachzuzahlen. Aufgrund des seit 1. Juli 2017 in Kraft stehenden Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) soll es grundsätzlich zu einer beitragsrechtlichen Rückabwicklung kommen, wodurch die Beitragsbelastung des Dienstgebers gesenkt wird. Angedacht ist, dass alle zu Unrecht geleisteten Beiträge des vormals Selbstständigen (an die SVA) an den zuständigen Krankenversicherungsträger des nunmehrigen Dienstgebers zu überweisen. Der zuständige Krankenversicherungsträger berechnet die Beiträge unter Anrechnung des Überweisungsbetrages, wobei ein Überschuss von Amts wegen an den Versicherten ausbezahlt wird. Für diese Rückabwicklung gibt es derzeit allerdings von den Sozialversicherungsträgern noch keine Durchführungsregelung, weshalb vorerst den nunmehrigen Dienstgeber die volle Beitragsbelastung trifft.

Für den ehemals Selbstständigen ist durch die Umqualifizierung des Vertragsverhältnisses nunmehr auch das Arbeitsrecht anwendbar. Das bedeutet, er kann unter Berücksichtigung der relevanten Verfalls- respektive Verjährungsbestimmungen beim Arbeits- und Sozialgericht seine arbeitsrechtlichen Ansprüche einklagen. Damit drohen dem Dienstgeber die Nachzahlung von Sonderzahlungen, Urlaubs- und Feiertagsentgelt und weiterer Ansprüche, die sich aus Gesetz oder Kollektivvertrag ergeben. Strafen wegen einem potentiellen Lohndumpings können sich auch im Falle von Umqualifizierungen ergeben, sofern die zustehenden Mindestentgelte nicht geleistet wurden.

Wird auch einkommenssteuerlich die Selbstständigkeit des Auftragnehmers verneint und bestehen aus diesen Jahren Einkommenssteuerschulden, so haftet der Auftraggeber ebenso bis zur Höhe der Lohnsteuern, die er an das Finanzamt abführen hätte müssen, wenn der bisher Selbstständige als Dienstnehmer abgerechnet worden wäre.

Viele Problematiken im Zuge der Selbstständigkeit können unter Bedachtnahme der nachfolgenden Punkte vermieden werden:

  • Vermeiden Sie den Anschein eines Arbeitsverhältnisses durch z. B. Anwesenheitspflicht an einem bestimmten Arbeitsplatz oder zu bestimmten Arbeitszeiten.
  • Vermeiden Sie Anknüpfungspunkte, die für eine Integration des Selbstständigen in den Betrieb sprechen (zB Firmenhandy, eigene Firmen-Mail-Adresse, Erwähnung auf der Firmen-Website etc.)
  • Vermeiden Sie die Vereinbarung von fixen Monatsentgelten oder überhaupt Urlaubsregelungen.
  • Definieren Sie ein zu erstellendes Werk, einen Projektanfang, einen Projektverlauf, ein Projektende sowie einen Leistungsumfang.
  • Die Bezahlung sollte leistungsbezogenen sein, bei Projektfortschritt sowie bei Teillieferung. Der Auftragnehmer soll mit eigenen Betriebsmitteln arbeiten.
  • Vereinbaren Sie kein Konkurrenzverbot oder keine ausschließliche Tätigkeit für Ihr Unternehmen.
  • Vereinbaren Sie keine Sozialleistungen.

Abschließend sei noch erwähnt, dass mit dem SV-ZG die Möglichkeit geschaffen wurde, das Vorliegen einer selbstständigen bzw. unselbstständigen Erwerbstätigkeit bescheidmäßig feststellen zu lassen. Diese Versicherungszuordnung (ASVG oder GSVG) soll mit ihrer Bindungswirkung vor allem Rechtsicherheit bei der Abgrenzung bieten. Diese Bindungswirkung gilt jedoch nur, solange keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eintritt. Dies ist häufig dann gegeben, wenn sich die Beschäftigung anhand der oben angeführten Kriterien charakteristisch ändert.

Für Rückfragen steht Ihnen Ihr Deloitte Berater gerne zur Verfügung.

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