Die „neue Normalität“ der Personalverrechnung

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Die „neue Normalität“ der Personalverrechnung

Ob Gastronomiebetrieb, handwerkliches Gewerbe oder Handel, das Jahr 2020 wird allen Betrieben, gleich welcher Sparte diese auch angehö- ren, wohl für immer in Erinnerung bleiben. Mit dem Lock-Down rollte eine Gesetzeslawine über ganz Österreich und bedeckte Unternehmen mit einer Unmenge neuer Auflagen und Vorschriften. Neben der allgemeinen finanziellen Unsicherheit aufgrund von Umsatzeinbußen galt es, sich im Wirr- warr von Mindestabstandsregelungen, Homeoffice-Bestimmungen, Entgeltfortzahlungsverpflichtungen infolge Corona, Maskenpflicht und vielem mehr zu orientieren.

Eine Kurzarbeit - Drei Phasen - Zahl- reiche Änderungen.

Als staatliche Stütze in dieser „neuen Normalität“ wurde in einer Hauruck- Aktion die COVID-19-Kurzarbeit aus dem Boden gestampft. Medienwirksam als vereinfachte Variante des bereits in der Finanzkrise 2008 bewährten Modells präsentiert, kam kurz darauf die Ernüchterung. Eine einfache und rasche Lösung lässt das hoch komplexe System österreichischer Personalverrechnungsnormen schlichtweg nicht zu. Nicht um- sonst ist die Vereinfachung der Lohn- und Gehaltsabrechnung bereits seit Jahren ein Dauerbrenner in jedem Regierungsprogramm.

Um Unternehmen dennoch rasch finanzielle Unterstützung zu sichern, bedurfte es daher noch zahlreicher Änderungen. Waren anfangs in der ersten Phase (1. März bis 31. Mai 2020) noch die Ausfallstunden mit den fixen AMS-Pauschalsätzen (inkl. anteilige Sozialversicherungsbeiträge und Lohnnebenkosten sowie anteilige Sonderzahlungen) zu multiplizieren, muss ab der Phase 2 (Erstanträge oder Verlängerungen ab 1. Juni bis 30. September) die Beihilfe mittels dreier Komponenten ermittelt werden. Die neue Berechnung setzt sich aus der Kurzarbeitsunterstützung plus 27 Prozent für Dienstgeber-Beiträge und Lohnnebenkosten (Komponente 1), sowie anteiligen Sonderzahlungen plus 30 Prozent für Dienstgeber-Beiträge und Lohnnebenkosten (Komponente 2) und der Beitragsdifferenz auf die höhere Beitragsgrundlage zur Sozialversicherung (Komponente 3) zusammen.

Am 1. Oktober soll schlussendlich die Phase 3 des Modells eingeläutet werden. Unter- nehmen haben hierbei die Möglichkeit, die Kurzarbeit für 6 Monate (bis 31. März 2021) zu beantragen bzw zu verlängern. Um künftig Fördermissbrauchsfälle bereits bei der Beantragung herausfiltern zu können, wird ein erweitertes Genehmigungsverfahren eingeführt. Bei diesem wird die wirtschaftliche Betroffenheit der Unternehmen und die vorzulegende Prognoserechnung überprüft. Zudem wird die Mindestarbeitszeit nunmehr von 10 auf 30 Prozent angehoben. Nur in Ausnahmefällen kann diese Grenze mittels Zustimmung der Sozialpartner unterschritten werden. Auch die Höchstarbeitszeit (in Phase 1 und 2 noch 90 Prozent) wurde auf 80 Prozent heruntergesetzt. Für die Arbeitnehmer selbst ändert sich nur wenig.

So bleibt es bei der Einkommens-Nettoersatzrate von 80 bis 90 Prozent. Neu ist aber die dynamische Betrachtung des Garantieentgelts wonach zB KV- Erhöhungen oder Biennalsprünge mitberücksichtigt werden müssen. Die in Phase 1 noch zulässige Durchrechnung über den Kurzarbeitszeitraum ist bereits in der Phase 2 der monatsgetreuen Abrechnung gewichen. Eine vormals von Wirtschaftsvertretern geforderte Weiterbildungspflicht wurde abgeschwächt, in Form einer Bereitschaft der Mitarbeiter zu Weiterbildungen, umgesetzt. Für jene Betriebe die bereits im März mit der Kurzarbeit gestartet haben, ist zudem eine unbürokratische Verlängerungsmöglichkeit für die planwidrige Lücke zwischen Ende der Kurzarbeit Phase 2 und Beginn der Phase 3 (1. Oktober) vorgesehen.

 

Senkung des Eingangssteuersatzes.

Nicht nur die Kurzarbeitsvorschriften befinden sich im stetigen Wandel. Auch die lang diskutierte Senkung des Lohn- und Einkommensteuersatzes von 25% auf 20% ist nunmehr rückwirkend ab 1. Jänner 2020 eingeführt worden. Spätestens bis Ende September 2020 soll dies vom Arbeitgeber durch Aufrollung in der Lohn- und Gehaltsabrechnung umgesetzt werden.

 

Sonderbetreuungszeit 2.0.

Seit dem 25. Juli 2020 (bis 30. September) besteht wiederum die Möglichkeit eine geförderte Sonderbetreuung mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren. Die neue Sommer-Sonderbetreuungszeit kommt für all jene ArbeitnehmerInnen in Frage, die eine Betreuungspflicht gegenüber einem Kind unter 14 Jahren oder einem Menschen mit Behinderung trifft. Zudem muss die Betreuung normalerweise
in einer Einrichtung oder Lehranstalt/ Kinderbetreuungseinrichtung erfolgen, welche während der Sommerferien geschlossen ist. Weiters darf auch kein anderer Anspruch auf Dienstfreistellung des Arbeitnehmers bestehen. 

Wie bereits bei der ersten Version (mit 31. Mai 2020 ausgelaufen), beträgt der mögliche Freistellungszeitraum maximal 3 Wochen. Auch der Rückerstattungsantrag auf ein Drittel des fortbezahlten Entgelts ist gleichgeblieben. Aufgepasst: Der Antrag muss diesmal allerspätestens bis 31. Oktober 2020 eingebracht werden, damit eine Rückerstattung auch genehmigt wird.

 

Steuerfreie Beträge für Essensgutscheine.

Mit dem Gastronomiehilfspaket wurde zudem die Höchstgrenze für steuerfreie Essensgutscheine angehoben. Ab dem 1. Juli 2020 können Gutscheine für Mahlzeiten bis zu einem erhöhten Wert von 8 Euro pro Arbeitstag (bis 30.6.2020 sind es nur 4,40 Euro) steuerfrei an die Mitarbeiter ausgegeben werden. Diese müssen jedoch – wie bereits bisher – so ausgestaltet sein, dass sie nur am Arbeitsplatz oder in einer Gaststätte zur dortigen Konsumation eingelöst werden können.

Für Gutscheine die beim Kauf von Lebens- mitteln eingelöst werden können, erhöht sich der steuerfreie Betrag auf 2 Euro pro Arbeitstag (bis 30.6.2020 waren es nur 1,10 Euro). Weiters dürfen sich die Arbeit- nehmer über die gelockerten Einlösebedingungen freuen. Grundsätzlich kann auch weiterhin vom Arbeitgeber nur ein steuerfreier Lebensmittel- oder Essensgutschein pro Arbeitstag ausgegeben werden. Eine Verbesserung für den Mitarbeiter ergibt sich aber dadurch, dass die Gutscheine nunmehr auch kumuliert ohne wertmäßiges Tageslimit eingelöst werden können. Zudem steht – laut den geänderten Lohnsteuerrichtlinien – einem Verbrauch der Gutscheine am Wochenende nichts mehr entgegen.

 

Urlaub und Entgeltfortzahlung in Zeiten von COVID-19.

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Gerade in der derzeit unsicheren Reiselage wirft dies aber auch zahlreiche arbeitsrechtliche Fragestellungen - insbesondere in Bezug auf die Entgeltfortzahlung – auf. Ob einem Arbeitnehmer der sich im Urlaub mit Covid-19 ansteckt oder dessen Rückkehr sich wegen behördlicher Maßnahmen verzögert, weiterhin das volle Entgelt gebührt, hängt unter anderem vom Vorliegen einer Reisewarnung ab. Vorwegzunehmen ist an dieser Stelle, dass der Arbeitgeber rechtlich gesehen nicht die Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer die Reise ins Ausland zu untersagen. Dies gilt auch, wenn es sich um ein Land handelt, für das eine Reisewarnung ausgesprochen wurde.

 

Welche Reisebestimmungen gibt es derzeit?

Die neu geschaffene „Reise-Verordnung“ (tritt mit Ablauf des 30. September 2020 außer Kraft) des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gibt Aufschluss darüber, ob nach dem Urlaub die Einreise nach Österreich ohne Einschränkungen möglich ist. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob es sich bei dem Urlaubsland um ein aus epidemiologischer Sicht „sicheres Land“ handelt. Wir weisen darauf hin, dass sich die nachfolgenden Ausführungen auf die aktuelle Rechtslage zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels beziehen, es hier aber jederzeit zu Änderungen kommen kann.

Für Personen, die aus einem der in der Anlage A1 der Verordnung genannten Staaten nach Österreich einreisen und ihren Wohnsitz in Österreich oder in einem dieser Staaten haben, ist die Einreise ohne Einschränkung möglich. Bei Anhaltung muss aber glaubhaft gemacht werden, dass die Person sich in den letzten 10 Tagen ausschließlich in einem dieser „sicheren“ Ländern aufgehalten hat.

Darüberhinausgehend wurden Reisewarnungen (Sicherheitsstufen 5 und 6) für bestimmte Länder ausgesprochen. So kommt es bspw. zu strengeren Regeln bei der Einreise aus Bulgarien, Rumänien, Portugal, Ukraine etc. (Anlage A2 der Verordnung). Bei diesen Herkunftsländern ist nun grundsätzlich ein ärztliches Gesundheitszeugnis (negatives Corona- Testergebnis) vorzuweisen, das nicht älter als 72 Stunden ist oder eine 10-tägige Quarantäne anzutreten.

Verstöße gegen die Einreisebestimmungen, wie etwa das unerlaubte Verlassen der Quarantäne, gelten als Verwaltungsübertretung. Die neu geschaffenen Bestimmungen haben aber auch Auswirkungen auf die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers. So wird der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung behält durchbrochen, wenn die COVID-19- Erkrankung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer ein Land mit aufrechter Reisewarnung (Sicherheits- stufen 5 und 6) bereist. Ein Entlassungsgrund liegt hierbei aber nicht vor.

Muss der Arbeitnehmer sich nach der Reise in ein „unsicheres Land“ (Anlage A2 der Verordnung) in eine Heimquarantäne begeben und kann daher seine Arbeit nicht verrichten, so hat er unter Umständen aber weder einen Erstattungsanspruch nach dem Epidemiegesetz noch einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber.

Beim Entzug der Entgeltfortzahlung ist aber Vorsicht geboten. Es kann nämlich durchaus der Fall sein, dass der Arbeitnehmer sich unverschuldet in einem Corona-Risiko-Gebiet aufgehalten hat (bspw. wenn es während des Aufenthalts zu einer neuen Einstufung des vormals „sicheren“ Gebiets kommt). Die Beweislast für die vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Herbeiführung der Dienstverhinderung trifft im Zweifelsfall den Arbeitgeber. Eine genaue rechtliche Abklärung im Vorfeld ist daher dringend anzuraten. Zudem empfehlen wir die offene Kommunikation der Rechtslage an die Arbeitnehmer, damit diese für sich selbst vor Reiseantritt eine Risikoabwägung vornehmen können.

Aufgepasst auch bei behördlich angeordneter Quarantäne durch Bescheid: Die Regeln des Epidemiegesetzes in Bezug auf eine Absonderung (bei Corona-Verdacht) gelten unabhängig davon, ob der Arbeit- nehmer seinen Urlaub in einem epidemio- logisch „unsicheren Land“ verbracht hat oder nicht. Wird der Arbeitnehmer daher von einer österreichischen Behörde mittels Bescheid unter Quarantäne gestellt, so ist das Entgelt jedenfalls fortzuzahlen. Der Arbeitgeber hat aber einen Anspruch auf Rückerstattung gegenüber dem Bund.

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