Banner

Artikel

Liquiditätssicherung in der Krise

Eine der aktuell größten Herausforderungen für Unternehmen ist es, die Liquidität zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs oder zur Finanzierung des Wiederanlaufs zu sichern. Darüber hinaus gilt es, mögliche Auswirkungen von COVID-19 im Rahmen von Szenarien zu simulieren und die Auswirkungen auf die finanzielle Situation des eigenen Unternehmens einzuschätzen.

Alle Stakeholder, wie zum Beispiel Gesellschafter, Finanzierer, wesentliche Lieferanten und Kunden, haben neben den eigenen Mitarbeitern ein besonderes Informationsbedürfnis hinsichtlich der Liquiditätslage. Darüber hinaus ist es gerade in unsicheren Zeiten wichtig, die persönliche Haftung der vertretenden Organe auszuschließen oder zumindest weitestgehend zu minimieren. Ein nachhaltiges Vertrauen unter allen Stakeholdern hilft dabei, gemeinsam mit der aktuellen Situation umzugehen.

Es ist ratsam, entsprechende Prozesse, Methoden und Modelle im Unternehmen zu etablieren oder bestehende Funktionen zu optimieren, um die Fähigkeit, fällige Verbindlichkeiten zu jedem Zeitpunkt bedienen zu können, aufrecht zu erhalten.

Was können Unternehmen in der aktuellen Situation machen, um – neben der Nutzung der COVID-19-Maßnahmenpakete der Regierung wie staatlich garantierte Überbrückungsfinanzierungen, Fixkostenzuschuss I und II, Stundungen der Abgaben bei Sozialversicherungen und Finanzbehörden, etc. – ihre Zahlungsfähigkeit zu erhalten und sichern?

Kurzfristige Liquiditätsplanung

Der erste Schritt für Unternehmer, die proaktiv Liquiditätssicherung betreiben wollen, ist die Analyse der Ist-Situation. Ausgehend vom aktuellen Bankstand empfiehlt es sich, eine kurzfristige Liquiditätsplanung zu erstellen. Diese soll sämtliche erwarteten Ein- und Auszahlungen berücksichtigen und möglichst realitätsnah sein. Für die nächste Woche sollte die Planung auf Tagesbasis, für die nächsten vier bis sechs Wochen auf Wochenbasis und für einen darüberhinausgehenden Zeitraum auf Wochen- oder Monatsbasis erstellt werden. Dabei gilt: Je besser die Datenbasis, desto verlässlicher ist die Aussage der Planung. Eine solide Liquiditätsplanung zeigt einem Unternehmer sehr rasch auf, ob in der nahen Zukunft eine Liquiditätslücke zu erwarten ist, wie groß diese Lücke sein wird und wie rasch dafür eine Lösung gefunden werden muss.

Reduktion der Kapitalbindung

Ein erstes Instrument für die nachhaltige Verbesserung der Zahlungsfähigkeit ist die verbesserte und bewusstere Steuerung des Nettoumlaufvermögens (Working Capital Management). Jedes Mal, wenn ein Unternehmer eine Rechnung legt und hierbei ein Zahlungsziel (z. B. 30 oder mehr Tage) gewährt, ist das nichts anderes als ein Kredit, der an die Kunden vergeben wird. Dies führt dazu, dass dringend benötigte Liquidität gebunden ist. Dieses gebundene Kapital kann freigesetzt werden, indem die Dauer zwischen Leistungs-erbringung und Rechnungslegung reduziert wird und folglich rasch Rechnungen gelegt werden.

Zudem können die gewährten Zahlungsziele verkürzt und bei verspäteten Zahlungen rascher der Mahnprozess gestartet werden. In diesem Zusammenhang sollten Unternehmer die ihnen eingeräumten Zahlungsziele möglichst ausreizen oder sogar um eine Verlängerung ansuchen. Schließlich kann der Geldbestand optimiert werden, indem weniger Vorräte auf Lager gehalten oder, so es möglich ist, gänzlich auf Just-in-time-Lieferungen umgestellt werden.

Kurzfristige Liquiditätssicherungsmaßnahmen

Während die bewusste Steuerung des Nettoumlaufvermögens einen nachhaltig positiven Effekt auf den Kapitalbestand hat, führt der Verkauf von Umlauf- oder Anlagevermögen zu einem kurzfristigen, positiven Einmaleffekt auf den Geldbestand. Im Zusammenhang mit dem Umlaufvermögen könnten zum Beispiel nicht mehr benötigte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen verkauft werden. Zudem können Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, die zum Beispiel ein langes Zahlungsziel aufweisen, gegen einen kleinen Abschlag auf die Forderungshöhe an eine Factorbank bzw. eine Factoringgesellschaft abgetreten bzw. verkauft werden (Factoring). Dadurch fließt der geschuldete Geldbetrag sofort ins Unternehmen und das Eintreten des Zahlungsziels muss nicht mehr abgewartet werden. Zudem kann ein stilles Factoring vereinbart werden, bei dem der Schuldner nicht über den Verkauf der Forderung informiert wird. Der Schuldner bekommt damit die vermeintlichen Zahlungsengpässe des Unternehmers nicht mit.

Zusätzlich kann Liquidität durch den Verkauf von Anlagevermögen freigesetzt werden. Am einfachsten und unproblematischsten ist der Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, also Vermögensgegenstände, die nicht für die eigene Leistungserstellung benötigt werden. Etwas komplizierter ist der Verkauf von betriebsnotwendigem Vermögen. Hierzu bieten sich Sale-and-Lease-Back Konstruktionen an, die zu einem kurzfristigen Liquiditätsanstieg führen. Dabei wird in einem ersten Schritt (sale) ein Vermögensgegenstand aus dem Eigentum des Unternehmens (z. B. ein Bürogebäude oder eine Produktionsmaschine) an eine Leasinggesellschaft verkauft, wodurch sofort der Kaufpreis als zusätzliche Liquidität ins Unternehmen fließt. In einem zweiten Schritt (lease back) vermietet die Leasinggesellschaft den Vermögensgegenstand an das Unternehmen zurück. Zu beachten ist, dass in der Folge regelmäßige Zahlungen für den Vermögensgegenstand fällig werden (Leasingraten), die ohne Sale-and-Lease-Back nicht anfallen würden.

Identifikation und Reduktion von Fixkosten

Klarerweise kann die Liquiditätssituation auch über die Reduktion von Kosten verbessert werden. Dabei sollten Unternehmen alle Ausgaben senken, aufschieben oder stoppen, die nicht unmittelbar der Weiterführung des

Reduktion von nicht unmittelbar notwendigen Reise- oder Marketingausgaben, die Verschiebung von Investitionen oder die Einbehaltung von Gewinnausschüttungen und Gesellschafterauszahlungen. Ergänzend dazu kann auch die Stundung von fälligen Zahlungen wie Kredittilgungen oder Steuerzahlungen zu einer vorübergehenden Verbesserung der Liquiditätssituation beitragen. Bei Stundungen ist zu beachten, dass diese nur einen vorübergehend positiven Effekt auf die Zahlungsfähigkeit haben, da diese lediglich aufgeschoben sind und zu einem späteren Zeitpunkt sehr wohl zu bezahlen sind.

Überbrückungsfinanzierung und Umschuldungen

Des Weiteren kann die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens auch durch die Kapitalzufuhr von außen erhöht werden. Hierbei kann sowohl auf Instrumente der Fremd-als auch Eigenfinanzierung zurückgegriffen werden. Neben der Erhöhung von bereits bestehenden Kreditlinien haben Unternehmen die Möglichkeit, einen Überbrückungskredit bei einer Bank zu beantragen. In der Regel handelt es sich dabei um eine äußerst kurzfristige Form der Kapitalüberlassung (in der Regel wenige Monate). Wie bei vielen anderen Krediten auch, verlangen Banken dafür häufig Sicherheiten in Form von Hypotheken oder Pfandrechten an Immobilien, Grundstücken, Forderungen oder Fahrzeugen. Sind im Unternehmen keine Sicherheiten mehr vorhanden, werden häufig Sicherheiten durch die Gesellschafter oder Dritte verlangt. Häufig verlangen Banken de Liquiditätsplanung und eine plausible integrierte Planungsrechnung bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Cashflow-Rechnung für die nächsten ein bis drei Jahre. Darüber hinaus können die Eigentümer des Unternehmens auch Einlagen leisten oder ein Gesellschafterdarlehen geben. Alternativ kann ein neuer Partner mit an Bord geholt werden, der im Rahmen einer Kapitalerhöhung liquide Mittel zuschießt.

Ihr Berater und wir von Deloitte Tirol erarbeiten gerne zusammen mit dem Unternehmen ganzheitliche Konzepte, individuellen Ansätze und konstruktive Lösungen für zum Beispiel Cash Forecasts, Liquiditätspläne, Working Capital Management, Zahlungsverkehr und Adaptierung bestehender Liquiditätsplanungen und unterstützen bei der Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten durch Abwicklung eines kompetitiven Bieterprozesses zwischen Kreditgebern. Ein Engpass bei den liquiden Mitteln kann bei jedem Unternehmen rasch zur Zahlungsunfähigkeit und damit potentiell auch in eine Insolvenz führen, daher sollten Unternehmen proaktiv mögliche existenzbedrohende Liquiditätsengpässe frühzeitig erkennen, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten und das Unternehmen sicher durch.

War der Artikel hilfreich?