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COVID-19 und Mietrecht Vol. 2

Welche Auswirkungen hat der neue Lockdown?

Angesichts der steigenden Zahl aktiver Fälle von Sars-CoV-2 in Österreich war es wenig überraschend, dass die Bundesregierung mit Anfang November neue Maßnahmen zur Eindämmung gesetzt hat. Insbesondere Restaurants, Beherbergungsbetriebe und Sporteinrichtungen sind seit 03.11.2020 geschlossen und werden es bis zumindest 30.11.2020 bleiben.

Dieser Beitrag behandelt die Frage, ob und wenn ja, inwieweit sich im neuen Lockdown etwas für Mieter und Vermieter geändert hat. Die neuen Begleitregelungen zum Ersatz des Umsatzausfalles scheinen hierbei die Karten neu zu mischen.

Mietzinsminderung im ersten Lockdown – klarer Fall?

Nach Schließung der meisten Handels- und vieler Dienstleistungsbetriebe im März 2020 wurden die Bestimmungen der §§ 1104 und 1105 ABGB, die bisher ein relativ unbeachtetes Dasein in der Rechtsordnung gefristet haben, vielfach in den Medien thematisiert. Diese Regelungen sehen vor, dass Mieter bei Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes wegen außerordentlicher Zufälle (wie insb „Seuche“) keinen Mietzins zahlen müssen; bei nur teilweiser Brauchbarkeit ist ein im Verhältnis der geminderten Brauchbarkeit verringerter Mietzins zu entrichten.

In der juristischen Literatur wurde vereinzelt versucht, Argumente dafür zu konstruieren, dass die andauernde Pandemie kein außerordentlicher Zufall im Sinne des § 1104 sei. Die herrschende Lehre hat dies anders gesehen. In der Zwischenzeit sind die ersten bezirksgerichtlichen Urteile zu dieser Frage ergangen und die Richter sind – wenig überraschend – der Mehrheit gefolgt und haben Mietzinsminderungsansprüche dem Grunde nach bejaht. Auch wenn noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt, kann die Ansicht, die Corona-Pandemie sei kein Fall des § 1104, daher nicht mehr ernsthaft aufrechterhalten werden.

Dennoch sind keinesfalls alle offenen Fragen geklärt. In Einzelfällen wird es oftmals noch gerichtlicher Klärung bedürfen: zB in welcher Höhe der Lieferbetrieb von Restaurants (als Fall nur teilweiser Unbrauchbarkeit) eine Mietzinszahlungspflicht bedingt und inwieweit bei nicht ausdrücklich geschlossenen Betriebsstätten, wie Büros etc, auch teilweise Unbrauchbarkeit vorliegt.

Mietzinsminderung für November – alles wie bisher?

Obwohl die Schließung der nunmehr betroffenen Betriebsstätten im Alltag genau so wirkt wie zu Beginn des Jahres, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen für Betreiber diesmal gänzlich anders. Unmittelbar nach Bekanntgabe der neuen Maßnahmen hat die Regierung auch verlautbart, dass schnelle und unbürokratische finanzielle Hilfe zur Abfederung des wirtschaftlichen Schadens bereitgestellt wird. Offiziell wurde dies am 06.11.2020 in Form der „Richtlinie zur Gewährung eines „Lockdown-Umsatzersatzes“. Diese Richtlinie sieht – im Wesentlichen – vor, dass die betroffenen Betriebe 80 % des Vorjahresumsatzes für November ersetzt bekommen.

Dies wirft die Frage auf, ob nunmehr überhaupt „Unbrauchbarkeit“ des Mietobjektes vorliegt. Die Beantwortung hängt davon ab, was man als Zweck der Anmietung eines Geschäftslokals ansieht: die Führung des Betriebs bzw den Kundenverkehr als Selbstzweck oder die Erwirtschaftung von Umsätzen zur Förderung des wirtschaftlichen Fortkommens des Betreibers.

Es mag zwar nunmehr vielfach so sein, dass die Benützung des Mietgegenstandes zu dem im Vertrag erlaubten Verhalten (oftmals als „Mietzweck“ bezeichnet) wie zB „Betrieb einer Bar“ nicht mehr möglich ist. Dennoch wird der Mietgegenstand der wirtschaftlichen Causa der Anmietung, nämlich der Erzielung von Einkünften, immer noch gerecht. Das Umsatzsurrogat
gelangt ja einzig aufgrund des Betriebs des Unternehmens im Mietgegenstand ins Vermögen des Mieters. Es wäre daher unrichtig, im aktuellen Fall (auch nur teilweise) Unbrauchbarkeit der geschlossenen Mietgegenstände anzunehmen. Schon aus diesem Grund bestehen daher keine Ansprüche auf Mietzinsminderung.

Unabhängig von dieser zivilrechtlich-dogmatischen Begründung, können auch
verfassungsrechtliche Erwägungen nur zu diesem Ergebnis führen. Die Richtlinie sieht nämlich ausdrücklich vor, dass Fixkostenzuschüsse und Kurzarbeit nicht auf den Umsatzersatz anzurechnen sind. Bekommt nun ein Mieter bzw eine Mieterin 80 % seines / ihres Umsatzes ersetzt, wäre er / sie im Ergebnis wohl gegenüber November 2019 sogar bereichert, wenn sie auch noch von der Mietzinszahlungspflicht befreit wäre – dies auf Kosten des Vermieters bzw der Vermieterin. Man kann dem Verordnungsgeber nicht unterstellen, eine derart eklatant gleichheitswidrige Regelung erlassen zu haben.

Fazit

Vermieter sollten sich von der Wunschvorstellung verabschieden, dass die Covid-19 Pandemie kein außerordentlicher Zufall im Sinne des § 1104 ABGB ist. Dennoch sind noch nicht alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit Mietzinsminderungsansprüchen und behördlichen Schließungen im ersten Lockdown geklärt. Aufgrund der Richtlinie zur Gewährung eines Lockdown-Umsatzersatzes im November 2020 ist die Ausgangssituation für die Beurteilung von Mietzinsminderungsansprüchen nunmehr eine gänzlich andere. Bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtung kann nicht von „Unbrauchbarkeit“ der geschlossenen Mietgegenstände gesprochen werden und scheidet einen Mietzinsminderungsanspruch daher vielfach aus.

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