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Einblicke in den Joballtag des Transfer Pricing Teams
Interview mit Anna Pereguda
Du bist seit bald 10 Jahren im Verrechnungspreis-Team von Deloitte beschäftigt, was versteht man unter Verrechnungspreisen?
Verrechnungs- oder Transferpreise sind diejenigen Preise, die zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens oder zwischen verschiedenen Gesellschaften eines Konzerns für innerbetrieblich ausgetauschte Güter und Dienstleistungen (z.B. Warenlieferungen, Lizenzen, Darlehen) verrechnet werden. Die Besonderheit von Verrechnungspreisen besteht darin, dass sie sich nicht auf einem Markt durch das Kräftespiel zwischen Angebot und Nachfrage bilden, sondern von Unternehmen individuell festgesetzt werden. Insbesondere wenn der innerbetriebliche Austausch grenzüberschreitend erfolgt, müssen Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen so ausgestaltet sein, wie zwischen fremden Dritten, also unabhängigen Unternehmen. Ansonsten könnte man Gewinne teilweise ins Ausland verschieben. In Unternehmen sollte also ein adäquates Verrechnungspreissystem existieren, damit die Rahmenbedingungen für Verrechnungen eindeutig geklärt sind und es nicht zu einer späteren möglichen Doppelbesteuerung kommt. Wir analysieren genau diese „Fremdüblichkeit“ und sehen uns an, wie die konzerninternen Preise festgesetzt worden sind, oder ob etwas am Verrechnungspreissystem geändert werden muss, um hier bei internationalen Betriebsprüfungen keine bösen Überraschungen zu erleben.
Was macht die Arbeit mit Verrechnungspreisen so spannend?
Wir analysieren in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise das gesamte Unternehmen, wie z.B. die Wertschöpfungsprozesse, die Transaktionen, die Funktionen der einzelnen Abteilungen. Spannend ist hier vor allem die Vielfalt an Unternehmen mit denen wir in Berührung kommen: von Parfum- über Banken, bis zur Autoindustrie ist alles dabei. Man lernt so sehr viele Industrien kennen und hat mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten, meist auf Führungsebene, zu tun. Wir sind eine internationale Abteilung eingegliedert in ein größeres Deloitte-Netzwerk an Verrechnungspreisexperten. Es ist aufregend international mit unterschiedlichen Deloitte-Büros zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen.
Wie sehen Verrechnungspreisprojekte in der Praxis aus?
Verrechnungspreise sind vor allem ein Projektgeschäft. Dabei behandeln wir die vielfältigsten Themen, die mit Verrechnungspreisen zu tun haben. Zu den häufigsten gehören sicherlich die Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen inkl. der Auswahl der Verrechnungspreismethode, die Erstellung von Richtlinien, die Analyse der Verzinsung bei Finanztransaktionen und die Unterstützung bei Betriebsprüfungen. Oft tritt der Klient kurzfristig an uns heran und möchte z.B. sein Verrechnungspreissystem dokumentieren weil sich bspw die Betriebsprüfung angekündigt hat. Wir arbeiten dabei eng mit den Klienten und auch mit unseren Deloitte Partnerbüros zusammen.
Mit welchen Herausforderungen bist du in deinem Arbeitsalltag konfrontiert?
Oft muss man in einer sehr kurzen Zeit ein großes Volumen an Informationen analysieren und die entsprechenden Unterlagen vorbereiten. Dabei darf man etwaige Problem- und Risikobereiche sowie steuerliche Querschnittsthemen (wie bspw Umsatzsteuer) nicht übersehen. Projektgeschäft bedeutet auch die Notwendigkeit von Projektmanagement. Man hat teilweise viele Projekte gleichzeitig laufen und muss da den Überblick behalten. Sehr viele Unternehmen haben selbst noch keinen eigenen Verrechnungspreisspezialisten in der Finanz- oder Steuerabteilung, sodass wir hier auch sehr oft noch Bewusstsein schaffen müssen, worauf es ankommt.
Wie hält man sich in so einem komplexen Bereich up-to-date?
Verrechnungspreise sind sehr international. Man muss immer versuchen sich auf dem Laufenden zu halten. Wenn es neue Entwicklungen auf OECD-Ebene oder eine wegweisende internationale Gerichtsentscheidung gibt, müssen wir das natürlich sofort wissen und in unserer täglichen Arbeit berücksichtigen, da dies auch für Österreich relevant sein kann. Wir nehmen an nationalen und internationalen Schulungen iRd Deloitte Academy, Webinaren und Fokusgruppen in unserem internen Deloitte-Verrechnungspreis-Netzwerk teil und bekommen regelmäßig Newsletter zu aktuellen Themen zugeschickt.
Was ist so besonders an Deloitte Österreich?
Ich habe hier begonnen zu arbeiten, weil Deloitte eine der größten und vor allem eine internationale Steuerabteilung hat. Für mich sind das Deloitte-Netzwerk und vor allem die Einbindung in dieses Netzwerk sehr wichtig. Man arbeitet also auch wirklich mit den verschiedensten Kollegen aus anderen Ländern, wie z.B. Deutschland, Niederlande, China, Indien oder den USA, zusammen. Englisch muss man also nicht nur „theoretisch“ können. Man muss genau die Dinge, die man auf Deutsch dem Klienten erklärt, auch genauso gut auf Englisch erklären und dokumentieren können. Dazu gehören auch die notwendigen steuerlichen und verrechnungspreisrelevanten Fachvokabeln.
Welche Ausbildung bereitet gut auf das Gebiet der Verrechnungspreise vor?
Ein Wirtschaftsstudium wäre sicherlich sehr hilfreich, da während unserer Arbeit eher wirtschaftliche Zusammenhänge im Vordergrund stehen. Zusätzlich ist eine internationale Spezialisierung, vielleicht sogar im internationalen Steuerrecht, ein Vorteil. Es gibt interne Schulungen zu Verrechnungspreisen, jedoch muss man auch selber ziemlich dran bleiben und sich für neue Themen interessieren. Also Fachzeitschriften und Newsletter wirklich laufend lesen. Da wir uns aber auch sehr viel mit ökonomischen Analysen beschäftigen, bietet das Verrechnungspreisthema auch für Absolventen der VWL eine breite Vielfalt an Themenstellungen. Außerdem macht weder die Automatisierung noch die Technologisierung vor Verrechnungspreisen halt, daher gibt es mittlerweile auch breite Betätigungsfelder für Wirtschaftsmathematiker, Wirtschaftsinformatiker oder ähnliche Studienrichtungen.