Perspektiven

Fünf praktische Überlegungen im Rahmen der Umsetzung von IFRS 9

Das IASB-Projekt zur Überprüfung der Bilanzierung von Finanzinstrumenten hatte zwei Ziele: die Vereinfachung der Bilanzierung von Finanzinstrumenten und die Behebung von Mängeln bei deren Ansatz und Bewertung, die im Zuge der Finanzkrise aufgedeckt wurden.

IFRS 9 ist anzuwenden für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen, und es ist daher unbedingt erforderlich, Übergangsregelungen, Bilanzierungsmöglichkeiten und praktische Hilfsmittel in Betracht zu ziehen und einen detaillierten Plan für die Umsetzung der Standards zu finalisieren.

Die Auswirkungen der Norm gehen weit über eine einfache technische Umstellung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden hinaus. Es können unter Umständen eine Umstrukturierung der Risikomanagement- und Finanzfunktionen und wesentliche Änderungen bei der bilanziellen Erfassung von Kreditverlusten, bei der Datenverwaltung, Informationssystemen, Governance-Strukturen und internen Kontrollen erforderlich sein.

1. Risikomanagementstrategie: Verändert die neue Norm, wie ein Unternehmen Risiken steuert?

Die Auswirkungen der neuen Norm könnten im Hinblick auf die Kapitalverwaltung und die Steuerung des Geschäftsmodells entscheidend sein. Das Wertminderungsmodell wird mit einiger Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf das Eigenkapital und den Bilanzgewinn haben, aber es wird voraussichtlich auch eine höhere Volatilität bei den Rückstellungen hervorrufen. Diese Konsequenzen könnten einige Unternehmen dazu bringen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken, was wiederum zu Umstrukturierungen, zur Veräusserung von Beteiligungen und zur Neupositionierung in anderen Marktsegmenten führen könnte.

Es kann für Unternehmen ebenfalls angebracht sein, ihre aktuelle Risikomanagementstrategie sowie die Finanzinstrumente zu überprüfen, die sie bislang verwendet haben, um Finanzrisiken zu steuern. IFRS 9 ermöglicht die Steuerung einer grösseren Anzahl von Risiken bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherungsbilanzierung, d. h. es existieren Möglichkeiten zur Implementierung von dynamischeren Absicherungsprogrammen.

Unternehmen sollten daher ihre derzeitige Absicherungsstrategie überprüfen, indem sie sämtliche Risikoquellen, ihre Risikobereitschaft und die verfügbaren Absicherungsoptionen beurteilen, um diejenigen Auswirkungen und Möglichkeiten alternativer Bilanzierungsmethoden zu identifizieren, die besser an ihre Risikomanagementaktivitäten angepasst sind.

2. Klassifizierung und Bewertung: Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden sollten

IFRS 9 erfordert die Einstufung von Finanzinstrumenten in eine von drei Kategorien: zum beizulegenden Zeitwert über die Erfolgsrechnung („at fair value through profit or loss“ – FVTPL), zu fortgeführten Anschaffungskosten und zum beizulegenden Zeitwert mit Erfassung der Veränderungen im sonstigen Gesamtergebnis („at fair value through other comprehensive income“ – FVTOCI).

Die Einstufung bestimmt, wie die Finanzinstrumente in den Jahresabschlüssen erfasst und wie sie bewertet werden. Es existiert ein auf Grundsätzen basierender Klassifizierungsansatz für alle Arten von finanziellen Vermögenswerten, der von zwei Kriterien abhängt: dem Geschäftsmodell und den Merkmalen der Cashflows der betrachteten finanziellen Vermögenswerte.

Die Herausforderungen, die mit der Klassifizierung von Finanzinstrumenten verbunden sind, sollten nicht unterschätzt werden. Folgendes wird hierzu notwendig sein:

  • die Beurteilung der Art und Weise, wie das Unternehmen seine Kredite und Forderungen in Bezug auf sein Geschäftsmodell und die Vereinnahmung von vertraglich vereinbarten Cashflows aus diesen Vermögenswerten verwaltet,
  • die Durchführung einer Überprüfung aller finanziellen Vermögenswerte, um einen konsistenten Ansatz bei der Klassifizierung und Bewertung zu gewährleisten sowie
  • die Entwicklung eines Verständnisses der Vorschriften in Bezug auf die Umklassifizierung von Finanzinstrumenten zwischen Kategorien.

3. Das Modell der erwarteten Kreditverluste („expected credit loss model“ – ECL-Modell): eine echte Herausforderung!

Im Rahmen des zukunftsorientierten Ansatzes nach IFRS 9 müssen Unternehmen erwartete Kreditverluste unmittelbar in gewisser Höhe erfolgswirksam als Aufwand erfassen. An jedem darauffolgenden Bilanzstichtag ist das erwartete Kreditrisiko dann neu zu bewerten, um einen etwaigen signifikanten Anstieg des Kreditrisikos und des erwarteten Verlustes zu berücksichtigen.

Die Umsetzung des ECL-Modells kann eine echte Herausforderung für Unternehmen darstellen:

  • Sie müssen Schätzungen der erwarteten Kreditverluste über die Laufzeit des Finanzinstrumentes anstellen und deren Risiken kontinuierlich überwachen. Darüber hinaus müssen sie neuen Anforderungen an die Finanzberichterstattung gerecht werden.
  • Die Auslegung von „signifikanter Anstieg“ und „Ausfall“ ist Ermessenssache – die Schätzung der „erwarteten Verluste“ wird daher keine leichte Aufgabe sein.
  • Sie müssen ein ECL-Modell entwickeln, das es ermöglicht, die Methode zur Bestimmung der erwarteten Verluste (bzw. des Verlusterwartungswertes) auf verschiedene Anlageklassen anzuwenden.
  • Es ist eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen den Risikomanagement- und den Finanzabteilungen erforderlich.

4. Auswirkungen auf IT-Systeme, Prozesse und Kontrollen

Nicht alle Daten, die nach IFRS 9 erforderlich sein werden, sind innerhalb der Risikomanagement- und Finanzabteilungen ohne Weiteres verfügbar. Es kann gegebenenfalls eine umfassendere Berichterstattung und Dokumentation in Bezug auf das Geschäftsmodell und die Sicherungsbilanzierung erforderlich sein, und es sind zukunftsgerichtete Daten nötig, um das Wertminderungsmodell zu implementieren.

Die Informationssysteme müssen im Hinblick auf folgende Aspekte angepasst werden:

  • Berechnung der erwarteten Verluste auf der Grundlage von Zahlungsprognosen, verfügbaren Risikodaten und Ausfallwahrscheinlichkeiten
  • Berichterstattung in Übereinstimmung mit den Vorgaben nach IFRS 9

Fragen rund um die Qualität der Daten, deren Verfügbarkeit und deren Erfassung werden aller Voraussicht nach bei der Umsetzung von IFRS 9 im Vordergrund stehen. Es ist daher wichtig, die Umsetzung bereits vor der Einführung neuer Systeme, Prozesse und Modellierungsinstrumente zu planen, um sich auf die unvermeidlichen Änderungen in Bezug auf Organisation und Governance vorzubereiten.

5. Kommunikation

Es wird für Unternehmen unerlässlich sein, die Auswirkungen von IFRS 9 an die Märkte, ihre Aktionäre und andere Interessengruppen zu kommunizieren und dabei zu betonen, dass es sich bei manchen Änderungen lediglich um buchmässige Berichtigungen handeln wird, während andere direkte Folgen für die Geschäftsfelder nach sich ziehen werden.

Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass alle Interessengruppen entsprechend informiert werden und die gesamte Kommunikation (intern und extern) korrekt und präzise ist und im Einklang mit der neuen Norm erfolgt.

In Anbetracht der zahlreichen Beurteilungsspielräume bei der Anwendung von IFRS 9 zusammen mit der Ausrichtung auf die Risikomanagementstrategie erwarten wir, dass die Vergleichbarkeit der Finanzberichte zwischen verschiedenen Unternehmen nach der Einführung von IFRS 9 sinken wird.

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