Perspektiven

Corona-Krise bringt Schweizer Wirtschaft in Nöte

Der Schweiz steht ein Wirtschaftseinbruch bevor, der seinesgleichen sucht. Als Folge der globalen Coronavirus-Pandemie haben im März 2020 etliche Regierungen massive Einschränkungen für Gesellschaft und Wirtschaft angeordnet und somit den Welthandel und die Nachfrage nach Schweizer Exportprodukten einbrechen lassen. Weil auch der Schweizer Bundesrat weite Teile des öffentlichen Lebens stilllegte, ist die Binnenwirtschaft ebenfalls stark tangiert.

Das Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) geht von einem Produktionseinbruch von etwa 25% der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung aus. Sollte es zu einer V-Rezession (starker Einbruch mit zügiger Erholung) kommen, rechnet das SECO für das Jahr 2020 mit einem BIP-Rückgang von 7% und einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 2,3% (2019) auf 4%. Bei einer schwerwiegenderen Rezession (starker Einbruch, schwache Erholung) dürfte der BIP-Rückgang sogar 10% betragen und die Arbeitslosenquote auf 4,5% steigen.

Auch wenn sich das Ausmass des Wirtschaftseinbruchs derzeit noch nicht genau abschätzen lässt und die Prognosen mit vielen Unsicherheitsfaktoren verbunden sind, ist jetzt schon klar: Die Corona-Krise hat die Schweizer Wirtschaft mit voller Wucht getroffen, sowohl Angestellte als auch Selbständigerwerbende. Das zeigt eine von Deloitte Mitte April durchgeführte repräsentative Umfrage von 1'500 in der Schweiz lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter.

Selbständigerwerbende: viele Verlierer, kaum Profiteure

Gemäss Umfrage mussten bisher 18% der Selbständigerwerbenden ihren Betrieb schliessen. Bei weiteren 21% sind die Umsätze auf null gefallen. Weitere 38% haben angegeben, dass ihre Umsätze zurückgegangen sind, wenn auch nicht auf null. Zählt man diese Anteile zusammen, hatte die Corona-Krise bisher für 77% aller Selbständigerwerbenden negative wirtschaftliche Folgen. Dem stehen gerade einmal 10% gegenüber, die steigende Aufträge zu verzeichnen hatten und somit von der Krise profitieren konnten. Bei den restlichen 21% hat sich die finanzielle Lage bisher nicht geändert.

Wie ernst die Lage für die Unternehmen und vor allem die Klein- und Mittelbetriebe ist, zeigt sich an der Flut von Kreditanträgen. Im Rahmen des vom Schweizer Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Banken aufgegleisten Kreditprogramms für KMUs wurden bis Mitte April bereits über 100'000 Kreditverträge für ein Volumen von über 16 Mrd. CHF abgeschlossen. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat die Schweiz den KMUs damit relativ rasch und unbürokratisch unter die Arme gegriffen und somit eine Konkurswelle fürs erste verhindert.

Angestellte: Abfederung durch Home-Office

Stark betroffen von der Corona-Krise sind auch die Arbeitnehmer. Gemäss Umfrage von Deloitte hat sich die Arbeitssituation von 63% aller Angestellten in der Schweiz seit der Corona-Krise im negativen Sinne geändert. Mehr als die Hälfte davon musste ihr Pensum reduzieren, 27% ihre Überstunden abbauen, 24% ihre Ferien vorbeziehen und 2% wurden gar entlassen.

Wie stark die individuellen Angestellten jeweils betroffen sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Gradmesser dürften die Einschränkung durch den angeordneten Lockdown sein, also wie stark ein Beruf von den Massnahmen des Bundesrates eingeschränkt ist. Dies hängt – ein paar wenige Ausnahmen wie etwa das Gesundheitswesen ausgenommen – vor allem davon ab, ob ein Beruf nur in unmittelbarem Kontakt mit anderen Menschen ausgeführt werden kann. Ökonomen der Universität Basel haben kürzlich gezeigt, dass je stärker eine Branche auf den physischen Kontakt von Menschen angewiesen ist, desto negativer der Effekt auf die Arbeitslosigkeit.

Als weiteren Gradmesser kann das Home-Office herangezogen werden. Selbst wenn gewisse Berufe aufgrund ihres unmittelbaren Kontaktes nicht mehr ausgeführt werden dürfen, können diese möglicherweise digital erbracht werden. Man denke etwa an einen Kundenberater oder Karrierecoach. So zeigt die Umfrage von Deloitte, dass in Branchen mit einem hohen Home-Office-Anteil die Zahl der Angestellten, die ihr Pensum auf null reduzieren mussten (und somit Kurzarbeit beantragen mussten oder entlassen wurden), tief ist. Anders gesagt: Je affiner eine Branche gegenüber Home-Office, desto geringer die Einschnitte für die Angestellten. Das Home-Office dient somit als eine Art Abfederung der staatlichen Einschränkungen.

Ausblick: Krise ist noch nicht ausgestanden

Die Corona-Krise hat die Schweizer Wirtschaft bereits voll getroffen. Allerdings konnten die wirtschaftlichen Auswirkungen etwas abgefedert werden, indem viele Unternehmen rasch Kredite erhielten und viele Angestellte Kurzarbeit anmelden und/oder ins Home-Office wechseln konnten. Ausgestanden ist die Krise aber noch nicht. Im Gegenteil: Auch wenn gemäss Deloitte-Umfrage 71% der Angestellten nicht mit einer Entlassung rechnen, halten zumindest 12% dieses Szenario für eher wahrscheinlich und 7% sogar für sehr wahrscheinlich. Ähnlich düster wie bei den Angestellten sind die Zukunftsaussichten beim Kleingewerbe und den Freelancern: 24% der Selbständigen halten es für sehr oder eher wahrscheinlich, dass sie als Folge der Corona-Krise Konkurs anmelden müssen.

 

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