Patient centricity, digital technology

Analysen

Die Pharmaindustrie und der vernetzte Patient

Wie digitale Technologie den Patienten in den Mittelpunkt stellt

Es gibt inzwischen weltweit über 260 000 Gesundheits-Apps und 70% der Patientengruppen nutzen mindestens eine App zum Umgang mit ihrer Erkrankung – somit ist klar, dass sich im Gesundheitswesen ein digitales Ökosystem entwickelt hat. Die neue Studie, die das Deloitte Centre for Health Solutions veröffentlicht hat, untersuchen, wie digitale Technologie der Pharmaindustrie dabei helfen kann Patientenzentrierung zu fördern, um relevant und rentabel zu bleiben und Gesundheitsergebnisse zu verbessern.

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Patient centricity

Was ist Patientenzentrierung?

Unter Patientenzentrierung versteht man vereinfacht gesagt die Entwicklung positiver Ergebnisse in der Gesundheitsversorgung durch die unmittelbare Einbindung der Patienten. Eine authentische Patientenzentrierung setzt Sensibilität dafür voraus, wie die Patienten ihren Zustand empfinden und was der einzelne Patient wünscht oder benötigt.

Bei der Patientenzentrierung unterscheidet man fünf Hauptaspekte:

  • Inklusivität
  • partnerschaftliche Zusammenarbeit
  • ein Umgang miteinander, der von Respekt, Mitgefühl und Offenheit geprägt ist
  • Ermutigung der Patienten, ihre eigene Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen
  • gemeinsame Ziele, die sich auf die Patienten und ihre Angehörigen konzentrieren

Warum ist die Patientenzentrierung so wichtig?

Die Pharmabranche befindet sich an einem Wendepunkt. Angesichts der zunehmenden Risiken wollen viele Unternehmen nun ihre Wirtschaftlichkeit unter Beweis stellen, indem sie auf neue Preismodelle, eine bessere Kontrolle ihrer Leistungsziele und die Einführung von Rundum-Services setzen, die "mehr als nur Tabletten" zu bieten haben. Es wächst die Einsicht, dass die Branche ein neues Geschäftsmodell braucht, wenn sie nicht nur gedeihen, sondern überhaupt überleben soll.

Wie trägt digitale Technologie zur
Patientenzentrierung bei?

  • Mobile apps

    Mithilfe von Apps für mobile Gesundheit (mHealth) können Patienten ihre Versorgung besser kontrollieren. Gleichzeitig wird dadurch die Kommunikation und Beurteilung ihres Gesundheitszustands durch das unmittelbare Umfeld, das Pflegepersonal und medizinische Fachkräfte erleichtert. Neuerdings machen sich auch die Pharmaunternehmen die zunehmende Beliebtheit von Gesundheits-Apps zunutze, um ihre Beziehung zu den Patienten zu vertiefen. In den Markt für "mHealth-Apps" hat sich die Pharmaindustrie unter anderem folgendermassen eingebracht:

    • Fast 70% der befragten Patientengruppen gaben an, dass die bekannten Patienten mindestens eine Gesundheits-App verwenden, um ihre Erkrankung zu bewältigen.
    • 2016 gab es weltweit 260 000 mHealth-Apps, die insgesamt 3,2 Milliarden Downloads generierten. Auf die Apps der zwölf grössten Pharmaunternehmen entfielen dabei 5,6 Millionen Downloads.
    • Die Zahl der Apps, die von den zwölf grössten Pharmaunternehmen entwickelt wurden, ist von 2012 bis 2016 um 48% gestiegen. Im jährlichen Vergleich hat sich das Wachstum der mit diesen Apps generierten Downloads zuletzt aber verlangsamt.

  • Internetportale

    Patientenportale sind sichere Internetseiten, die den Patienten rund um die Uhr einen praktischen Online-Zugang zu ihren persönlichen Gesundheitsdaten bieten. Dadurch werden die Patienten aktiv in ihre Behandlung eingebunden. Diese Portale werden von den Pharmaunternehmen erstellt und könnten den Patienten, medizinischen Dienstleistern und Kostenträgern dabei helfen, die Vorteile einer bestimmten Therapie zu verstehen. Zudem schärfen sie das Profil des betreffenden Pharmaunternehmens und schaffen neue Möglichkeiten zur Reform des pharmazeutischen Geschäftsmodells.

    Studien haben gezeigt, dass Patienten immer öfter auf Patientenportale zurückgreifen, um ihre Krankenakten einzusehen und mit ihrem Klinikpersonal zu kommunizieren.

  • Wearables

    Wearables sind intelligente elektronische Geräte, die am Körper getragen bzw. in den Körper implantiert werden und praktische Funktionsmerkmale beinhalten. Oft sind sie in Form von Smartwatches und anderen Armbändern zur Aufzeichnung der Vitalwerte, intelligenter Kleidung, selbstklebenden Sensoren, Brillen und Wirkstoffpflastern anzutreffen. Diese Geräte haben das Potenzial, bestimmte Aspekte der Unternehmenspraktiken in der Pharmaindustrie grundlegend zu verändern:

    • Veränderungen in der Rekrutierung und Bindung der Teilnehmer klinischer Studien bzw. in deren Verwaltung
    • Produktivitätssteigerung in der gesamten pharmazeutischen Wertschöpfungskette
    • Echtzeitüberwachung der Therapietreue, um etwaige Veränderungen des Krankheitsbildes zu prognostizieren oder die Patienten und das medizinische Personal darauf aufmerksam zu machen und so gegenläufige Therapieausgänge zu vermeiden.

    Mithilfe dieser tragbaren Geräte können die Pharmaunternehmen durch Echtzeitmeldungen der Patienten zu ihrem Gesundheitszustand einen engeren Kontakt zu den Patienten herstellen. Die Erfassung objektiver Echtzeitdaten wird dazu führen, dass ineffektive klinische Studien früher abgebrochen werden und der Behandlungsverlauf besser überwacht und schneller angepasst werden kann.

Herausforderungen, Strategien und zukünftige Wegbereiter für den Einsatz digitaler Technologie

Unser Bericht basiert auf umfassenden Literaturrecherchen, neuer Primärforschung zur Entwicklung und dem Einsatz von Gesundheits-Apps bei 12 grossen Pharmaunternehmen, einer Umfrage von 190 Patientengruppen sowie unserer Erfahrung im Gesundheits- und Life-Science-Sektor. Wir beschreiben die Herausforderungen, denen sich die Pharmaindustrie bei der Transformation gegenübersieht, sowie Strategien zur Verbesserung der Patientenzentrierung.


Herausforderungen bei der Einführung digitaler Technologie

Insgesamt haben wir sechs wichtige Herausforderungen identifiziert, denen die Pharmaindustrie im Hinblick auf Patientenzentrierung ausgesetzt ist. Diese sind:

  • Die traditionell produktbasierte Pharmabranche könnte sich mit dem Wandel hin zu einer agileren Kultur, in der der Patient im Mittelpunkt steht, schwertun: Eine solche Kultur erfordert eine andere Art der Patienteneinbindung und eine funktionsübergreifende Koordination.
  • Aufsichtsrechtliche Ungewissheit, was digitale Technologie und Patientenzentrierung betrifft:Trotz einiger Leitlinien trägt der rasche technologische Fortschritt zu der bereits komplexen aufsichtsrechtlichen Landschaft bei und schafft Unsicherheit im Hinblick auf die Erwartungen und Anforderungen seitens der Aufsichtsbehörden.
  • Datensicherheit und Datenschutz angesichts der Verbreitung medizinischer Apps und anderer digitaler Technologien: Die Pharmabranche muss sicherstellen, dass die grösstmögliche Datensicherheit und Privatsphäre sowie die Einwilligung der Nutzer eingehalten werden, von randomisierten kontrollierten Studien und anonymisierten Datenerhebungen bis hin zu identifizierbaren Daten, die im Rahmen eines patientenorientierten Ansatzes erhoben werden.
  • Der Ruf von Unternehmen kann die Patientenbereitschaft zur Interaktion mit der Pharmabranche gefährden: Durch Schlagzeilen zu überhöhten Preisen und fehlender Transparenz wurde das Vertrauen der Öffentlichkeit zerstört, sodass die Patienten weniger bereit sind, mit der Pharmaindustrie zu interagieren.
  • Gewinnung neuer Talente, die ein patientenorientiertes Ökosystem unterstützen können: Die traditionell risikoscheue Unternehmenskultur und fehlende Agilität der Pharmaindustrie, die eher Fehler vermeidet als Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen ("Fail Forward"), hat Auswirkungen auf das Gewinnen und Binden digital versierter Mitarbeiter.
  • Die geringe Gesundheits- und digitale Kompetenz von Patienten erschwert eine effektive Einbindung: Etwa 30 bis 50% der Patienten weisen geringe Gesundheitskenntnisse auf, was den Einsatz mobiler Gesundheitstechnologien erschweren kann.

Strategien zur Verbesserung der Patientenzentrierung

Wir haben fünf Strategien identifiziert, mit denen die Pharmaindustrie auf die oben dargelegten Herausforderungen reagieren kann, um zu gewährleisten, dass die Vision der Patientenzentrierung Realität wird. Diese sind:

  • auf Basis gemeinsamer Werte und funktionsübergreifender Arbeit Unternehmenskulturen und -strukturen ändern, um die Agilität und Innovation zu fördern und geeignete Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden
  • Partnerschaften entwickeln, um den Einsatz von digitaler Technologiewie Patientenportale und -plattformen zu unterstützen, um eine patientenorientierte Erfahrung zu ermöglichen
  • Automatisierung von Prozessen, die patientenorientierte Aktivitäten unterstützen, und Optimierung des Einsatzes von digital versierten Mitarbeitern, was dem Management klinischer Studien, der Überwachung der Markteinführung neuer Arzneimittel und der Freigabe von Marketinginhalten zugutekommen kann – digitale Hubs können zudem den Einsatz von digital-affinen Mitarbeitern optimieren
  • neue Contracting- und Preismodelle schaffen, die durch digitale Gesundheitstechnologie und Analysen von Big Data erzeugt und von Patientendaten und Erkenntnissen untermauert werden
  • mit Patienten, Kostenträgern, Gesundheitsdienstleistern und Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, um die Gesundheits- und digitale Kompetenz zu verbessern sowie neue Risiken zu prognostizieren und zu steuern, darunter Datensicherheit und Datenschutzrisiken

Zukünftige Wegbereiter der Patientenzentrierung

Der Einsatz von Strategien zur Einbeziehung der Patienten ist eng mit der Umstellung der Pharmaindustrie auf Rundumlösungen und einen Schwerpunkt auf bessere Gesundheitsergebnisse verknüpft, die durch digitale Technologie ermöglicht wird. Während "Beyond-the-Pill"- oder "Around-the-Pill"-Dienstleistungen schon länger im Gespräch sind, gewinnen sie jetzt deutlich an Bedeutung. Neue disruptive Technologien, Partnerschaften und Ideen umfassen:

  • Einsatz von Blockchain-Technologie, um die Wirksamkeit, Sicherheit und Rückverfolgbarkeit zu steigern
  • Einsatz von Gamification, um Patienten einzubeziehen und die Gesundheitskompetenz und Arzneimitteladhärenz zu verbessern
  • Einsatz von 3D-Druckern, um alle Phasen der Pharma-Wertschöpfungskette zu transformieren
  • Optimierung des Potenzials des vernetzten Patienten, um neue ergebnisbasierte Vorschläge zu entwickeln
  • Patienten zu echten Partnern beim Umgang mit ihrer eigenen Gesundheitsversorgung machen
  • Erfahrung von weniger traditionellen Akteuren mit disruptiven Technologien und der Einbindung von Kunden nutzen
  • Nutzung von weitverzweigten Forschungsnetzwerken und webbasierten virtuellen Studien

Diese Technologien, Partnerschaften und Ideen werden weitere Chancen auftun, um die Nachhaltigkeit und das Wachstum der Pharmaindustrie zu gewährleisten.

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