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Nachhaltige Dekarbonisierung: Neue Handlungsoptionen in der Mobilität
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Dekarbonisierung des Verkehrs in der Schweiz
Die Ablehnung des CO2-Gesetzes stellt die Klimapolitik der Schweiz vor neue Herausforderungen. Die Strategien zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens, bis 2030 Treibhausgasemissionen zu halbieren, müssen nun neu überdacht werden – und ebenso die Umsetzung des ambitionierten Klimaziels des Bundesrates, bis 2050 Netto-Null zu erreichen.
Eine Deloitte-Umfrage zu den Hintergründen der Ablehnung zeigt indes, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht einfach klimaskeptisch ist, sondern grundsätzlich Emissionen vermeiden will und klimafreundliche Lösungen in der Mobilität mehrheitlich befürwortet.
Emissionsreduktion in der Mobilität: Wünschenswert aber unwahrscheinlich?
Bezüglich der Einschätzung der Fortschritte von Massnahmen zur Reduktion von Emissionen bis 2030 in verschiedenen Mobilitätsbereichen lassen sich klare Unterschiede bezüglich «Wünschbarkeit» und «Wahrscheinlichkeit» von Erfolgen feststellen (siehe Abbildung 1).
Die grosse Mehrheit (68% der Befragten) sehen die Verlagerung des Cargo-Verkehrs von Strasse auf Schiene als am wünschenswertesten. Hintergrund hierfür sind wohl aber nicht nur Klimagründe, sondern auch die individuell wahrgenommene Behinderung der Privatmobilität durch den Güterverkehr auf Strassen – zumal die Schweiz im europäischen Vergleich bereits Spitzenreiter bei der Verlagerung des Cargo-Verkehrs auf die Schiene ist. Alle anderen Massnahmen in den Bereichen Luftverkehr, fossiler Privatverkehr und Elektromobilität erscheinen allerdings ebenfalls jeweils mehr als der Hälfte der Befragten wünschenswert.
Abbildung 1: Fortschritte bei der Reduktion von Emissionen
Als am wahrscheinlichsten erachten die Befragten Fortschritte bei der Elektrifizierung von Fahrzeugflotten und der Förderung von Elektroautos (45%) sowie bei der Verlagerung des Cargo-Verkehrs von Strasse auf Schiene (40%). Als Hindernisse für eine breitere Elektrifizierung und Adoption von Elektroautos erweisen sich allerdings die weiterhin fehlenden Lade-Infrastrukturen, höhere Anschaffungskosten (trotz günstigerer Betriebskosten), Einschränkungen bei der Reichweite und Skepsis in der Bevölkerung bezüglich Lebensdauer und Recycling von Batterien.
Am wenigsten wahrscheinlich halten die Befragten Fortschritte in der Reduktion von Emissionen bis 2030 im privaten und geschäftlichen Luftverkehr (30%) sowie im fossil betriebenen Privatverkehr (36%). Nachhaltige Transformationen in den kommenden Jahren im Luftverkehr sind am ehesten erwartbar in den Bereichen CO2-Kompensationen, Erwerb von Zertifikaten und Beimischung von synthetischen Treibstoffen. Beim fossil betriebenen Privatverkehr dürften technologische Verbesserungen wie effizientere Motoren im Vordergrund stehen.
Nach dem Nein zum CO2-Gesetz liegt es mehr als je zuvor am Willen der Bürgerinnen und Bürger als Konsumenten, Arbeitgeber oder Verkehrsteilnehmer, ob wir unsere Emissionen nachhaltig reduzieren werden – oder nicht.
Rolf Brügger, Regierung und Öffentlicher Sektor Director
Guter Mix von Reduktionsmassnahmen
Wenn es um die unterschiedliche Ansätze zur Reduktion der Umweltbelastung durch Emissionen geht, werden diese zwar mehrheitlich begrüsst und als (z.T. ausserordentlich) wünschenswert empfunden – doch bis zu einem Viertel der Befragten bezweifeln, dass diese wünschenswerten Ansätze auch realistisch sind (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Fortschritte bei der Reduktion von Emissionen
Kompensationen von entstandenen Emissionen – wie beispielsweise durch Preiserhöhungen für Flugreisen – werden zwar von 53% der Befragten als eher oder sehr wünschenswert angesehen, aber nur 38% schätzen deren Umsetzung als realistisch ein. Ein Viertel (26%) der Befragten halten die Umsetzung dieses Verursacheransatzes zur Reduktion der Umweltbelastung für unrealistisch. Den gleichen Trend illustriert auch eine Zusatzfrage zum CO2-Gesetz, bei dem im Vorfeld der Abstimmung jede/r Zweite einer Flugticketabgabe zustimmte und jede/r Vierte klar dagegen war.
Bei der Frage nach der Änderung des persönlichen Verhaltens als Beitrag zur Emissionsreduktion – wie beispielsweise weniger Autofahren – ergibt sich auch eine Diskrepanz zwischen «Wünschbarkeit» und «Realisierbarkeit». Sechs von Zehn der Befragten sehen es als eher oder sehr wünschenswert, ihr eigenes Verhalten zu ändern, jedoch nur etwas mehr als jede/r Dritte sieht dies auch als realistisch. Es ist zu vermuten, dass dabei weniger das eigene Verhalten kritisch gesehen wird, als das der anderen.
Am wünschenswertesten und realistischsten wird die Reduktion von Emissionen über neue Produkte und Dienstleistungen eingeschätzt (71% respektive 46% der Befragten). Neue Innovationen und technologische Fortschritte werden als am erfolgversprechendsten angesehen, um eine Reduktion der Umweltbelastung durch Emissionen zu erreichen. Eine Technologieskepsis, wie man sie aus anderen Ländern wie Deutschland kennt, ist erfreulicherweise in der Schweiz eher nicht ausgeprägt.
Wichtiger wird künftig sicher ein ausgewogener Mix von sich ergänzenden Massnahmen zur nachhaltigen Dekarbonisierung in der Mobilität – d.h. nicht nur einfach CO2-Kompensationen, sondern auch ein verändertes Verhalten aller Beteiligten sowie finanzielle Anreize, die Förderung neuer Technologien und neue Geschäftsmodelle und Mobilitätskonzepte.
Über die Studie
Die vorliegende Studie diskutiert die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Schweiz zur nachhaltigen Dekarbonisierung in der Mobilität. Sie basiert auf einer Bürgerbefragung und Interviews mit Experten aus dem privaten (Unternehmen) und öffentlichen (Regierung, Hochschulen) Sektor. Das Thema der nachhaltigen Dekarbonisierung der Ernährung, des Wohnens und am Arbeitsplatz werden in separaten Studien fokussiert.