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Analyse statt Routine

Digitale Prüfung

Die Digitalisierung erfasst alle Branchen und macht auch vor der Abschlussprüfung nicht halt. Algorithmen ermöglichen einen umfassenden Blick auf das Zahlenwerk. Neben Data Analytics und künstlicher Intelligenz verheißt der Einsatz der Blockchain-Technologie weitere radikale Änderungen.

Ein Beitrag aus dem Deloitte-Jahresbericht 2015/2016

Digitale Technologien halten Einzug in die Unternehmen und verändern sie nachhaltig: Geschäftsmodelle und Strukturen werden neu gestaltet, Prozesse digitalisiert. Für die Jahresabschlussprüfung bringt der tiefgreifende Wandel neue Möglichkeiten. Mit der digitalen Datenbasis und dem Einsatz ausgefeilter Prüfungssoftware lassen sich die zunehmenden Datenmengen mittels Algorithmen durchdringen und Risikoquellen umfassend erkennen. War früher die Stichprobenprüfung Basis für das Prüferurteil, wird künftig die Vollprüfung zum Standard. Auch der Prüfungsprozess selbst verändert sich. Über Softwareschnittstellen greifen die Prüfer auf die Daten des Rechnungs- und Finanzwesens zu und unterziehen Geschäftsvorfälle und Buchungen einer kontinuierlichen Überprüfung. Der Prüfungsprozess wird entzerrt, Routineaufgaben fallen weg und der Prüfer hat damit mehr Freiraum für komplexe Bilanzierungs-, Risiko- und Strategiefragen. Mit den Erkenntnissen aus der Datenauswertung lässt sich auch die Performance des Unternehmens steigern. Der Prüfer setzt sich intensiv mit den Entwicklungen im Unternehmen und dessen Marktumfeld auseinander und erkennt Optimierungspotenziale.

KI: mehr als ein Zukunftsthema

In der digitalen Ära werden kognitive Systeme nicht nur Analysen liefern, sondern auch gleich folgerichtige Schlüsse aus den Daten ziehen. Rohdaten werden automatisiert verarbeitet und ausgewertet. Die Fortschritte sind enorm. Wer die Entwicklung aktiv gestalten will, muss jetzt handeln. Deloitte experimentiert beispielsweise damit, wie sich künstliche Intelligenz für die Abschlussprüfung einsetzen lässt. „Für uns ist diese Technologie mehr als ein Zukunftsthema. Wir setzen uns schon heute damit auseinander und investieren in Zukunftsforschung“, sagt Prof. Dr. Martin Plendl, CEO Deloitte. Um Daten- und Risikoanalysen auf einem neuen, höheren Niveau zu ermöglichen, fließen weitere signifikante Investments in den Prüfungsansatz „Deloitte Audit“. Plendl: „Eine innovative Abschlussprüfung ist schließlich kein Selbstzweck, sie bringt weitere Qualitäts- und Effizienzgewinne für unsere Mandanten.“

Auch wenn die Automatisierung weiter voranschreitet, wird die Komplexität der Daten und IT-Landschaften auch künftig nur mit menschlichem Intellekt zu durchdringen sein. Die Kompetenz und die Erfahrung hochqualifizierter Wirtschaftsprüfer werden entscheidend sein, ihr Arbeitsfeld unterliegt aber einem radikalen Wandel. Neue Qualifikationen sind gefragt. Gebraucht werden nicht nur Expertise in den Bereichen Rechnungslegung, Compliance und Risikomanagement, sondern auch die analytischen Fähigkeiten des Data Scientist. Dabei geht es nicht ausschließlich um das Sammeln, Verarbeiten und Analysieren der Daten. Immer wichtiger werden die Interpretation und das Ableiten von Schlussfolgerungen. Das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers wird damit noch vielfältiger, komplexer, anspruchsvoller. „In diesem Zug gewinnen interdisziplinäre Weiterbildung und Teamarbeit weiter an Bedeutung“, betont Plendl.

„Eine innovative Abschlussprüfung ist kein Selbstzweck, sie bringt weitere Qualitäts- und Effizienzgewinne für unsere Mandanten.“

Prof. Dr. Martin Plendl, CEO Deloitte

Blockchain: der neue Disruptor

Nicht nur intelligente Algorithmen verändern den Auditprozess. Mit der vom Economist als „Trust Machine“ betitelten Blockchain entstehen für Wirtschafts­prüfer und ihre Mandanten weitere Chancen und Heraus­forde­rungen. Der Blockchain-Technologie wird nicht weniger zugetraut, als die Geschäftsprozesse ganzer Wirtschaftszweige zu revolutionieren. Unternehmen profitieren insbesondere von einem bestimmten Merkmal dieser technischen Lösung: Als dezentral geführte Datenbank liefert sie einen lückenlosen und fälschungs­sicheren Nachweis über jede Art von Transaktion und zwar ohne die Hilfe zentraler Instanzen. Derzeit befinden sich zahlreiche Anwendungen der Blockchain im Erprobungsstadium.

Für die Abschlussprüfung sind zwei Aspekte der Blockchain relevant: Es ist zum einen abzusehen, dass – entsprechende Reife und Akzeptanz der Blockchain-Technologie vorausgesetzt – Unternehmen ihre Transaktionen in der Blockchain hinterlegen und dann in ihre eigenen Buchhaltungssystemen nur noch „spiegeln“ werden. Dies würde das häufig nötige gegenseitige Abstimmen zwischen Vertragspartnern, aber auch innerhalb eines Konzerns überflüssig machen. Zum anderen ist die vom Gesetzgeber vorgeschriebene revisions­sichere Archivierung bestimmter Dokumente in der Blockchain bereits heute möglich. Gegenüber klassischen Dokumentenmanagement-Systemen hat dies den Vorteil, dass ein Zugriff auf die Daten auch unternehmensübergreifend erfolgen kann und eine Manipulation faktisch unmöglich ist.

Die Blockchain-Technologie stellt auch die Plattform für Kryptowährungen wie Bitcoin dar. Um diese nutzen zu können, braucht es Ansätze zur ordnungs­gemäßen Verbuchung von Digitalwährungen. Das ist eine Aufgabe für Wirtschaftsprüfer. Außerdem wird die Blockchain-Technologie spezifische Aktivitäten im Bereich Risikomanagement und Controlling erfordern, deren Wirksamkeit überprüft werden muss.

Das Verständnis für die Blockchain und die damit in Beziehung stehenden Anwendungen wird also in Zukunft in das Kompetenzportfolio des Wirtschafts­prüfers gehören. Einfache und repetitive Tätigkeiten wie der Abgleich von Konten werden mit dieser Technologie automatisiert oder, bedingt durch ihre Fälschungssicherheit, sogar ganz hinfällig. „Insofern wird die Blockchain den Trend zur Reduzierung von Routinetätigkeiten zugunsten einer Zunahme von analytischen und strategischen Leistungen in der Wirtschaftsprüfung weiter verstärken“, sagt Plendl.

Noch müssen die Voraussetzungen für den Blockchain-Einsatz im Finanzbereich der Unternehmen geschaffen werden. Einerseits muss die Technologie ihre Sicherheit, Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit über die nächsten Jahre unter Beweis stellen. Andererseits braucht es einen international gültigen rechtlichen Rahmen, der die vielen derzeit noch offenen regulatorischen Fragen beantwortet.

Im Mai 2016 hat Deloitte sein eigenes Blockchain Institute gegründet. Dieses Kompetenzzentrum bündelt Expertenwissen, fördert den interdisziplinären Austausch und entwickelt gemeinsam mit den Kunden Lösungen für die Umsetzung der Blockchain. Um Innovationschancen zu nutzen, kooperiert das Deloitte Blockchain Institute auf internationaler Ebene mit Universitäten, Forschungseinrichtungen sowie mit Start-ups, die derzeit an einer Vielzahl von Anwendungsfällen dieser neuen Technologie arbeiten.

„Die Blockchain wird den Trend zur Reduzierung von Routinetätigkeiten zugunsten einer Zunahme von analytischen und strategischen Leistungen in der Wirtschaftsprüfung weiter verstärken.“

Prof. Dr. Martin Plendl, CEO Deloitte