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Deutschland digital

Fünf-Punkte-Plan für Deutsch­lands Zukunfts­fähigkeit 

Die digitale Transformation ist in vollem Gange und löst disruptive Veränderungen aus. Der Innovationsdruck wächst, die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften wird auf die Probe gestellt. Der Fünf-Punkte-Plan für den Standort Deutschland.

Mit einer leistungsfähigen, innovativen und international erfolgreichen Industrie geht Deutschland bei der digitalen Revolution einen gründlichen Weg. Doch damit er zu höherem Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit führt, braucht es mehr Geschwindigkeit und entschlossenes Handeln in zentralen Bereichen. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind dabei Digitalisierungspartner und stehen gemeinsam in der Verantwortung. 

Mehr Europa in der digitalen Wirtschaft

Deutschland und Europa sind wirtschaftlich eng verwoben: Wachstum und Beschäftigung hierzulande hängen vom europäischen Umfeld ab. 57,8 Prozent der Importe und 57,3 Prozent der Exporte wickelte Deutschland von Januar bis August 2015 mit den EU-Partnern ab. Zugleich werden wesentliche regulatorische Impulse mit Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung in Brüssel gesetzt. Umgekehrt spielt Deutschland als treibende Wirtschaftskraft in der EU eine zentrale Rolle für Europa. Es liegt im Interesse beider Seiten, den bislang zersplitterten digitalen Binnenmarkt zu vollenden. Deloitte unterstützt innovative regulatorische Ansätze wie die „Digital Single Market“-Initiative der Europäischen Kommission. Diese soll den EU-Binnenmarkt für das digitale Zeitalter fit machen – unter anderem durch Modernisierung des Urheberrechts, Erleichterung des elektronischen Handels und Abschaffung des Geoblockings.

Daten sind der Rohstoff der Zukunft. In der Smart Factory sind Bauteile, Maschinen und Produktionsebenen miteinander vernetzt. Sie liefern enorme Datenmengen, die mit Hilfe leistungsstarker Analytics-Tools nutzbar gemacht werden. Industrie 4.0  wird gelingen, wenn sichere Standards gewährleistet sind und Unternehmen Autonomie über ihre Daten haben. In der erforderlichen Neuregelung der Gesetzgebung zum Umgang mit Daten darf es keine nationalstaatlichen Einzelgänge geben, sondern es bedarf einer gesamteuropäischen Lösung. Die Datenschutzgesetzgebung sollte die Auswirkungen digitaler Trends wie Big Data und Internet der Dinge auf das tägliche Leben berücksichtigen und europaweit eine einheitliche Anwendung der Normen sicherstellen.

Digitaler Binnenmarkt für Europa

Europäische Standards für Datenschutz

Bessere Rahmenbedingungen für Forschung und Unternehmertum

Innovationen sind Triebfeder für Wachstum und Wohlstand. Deutschland muss seine Innovationsfähigkeit außerhalb der traditionell patent-fixierten Technologieinnovationen erhöhen und im internationalen Innovationswettbewerb zulegen. Der Staat steht dabei in der Verantwortung, stabile finanzielle, rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Forschung und Unternehmertum zu schaffen.

Forschungsförderung optimieren

Der Standort Deutschland muss als Forschungsstandort für Digitalisierung attraktiv gemacht werden. Als wesentlicher Faktor für die Innovationskraft eines Standortes gilt der Anteil des Staates an der Finanzierung von Forschung und Entwicklung. Mit 2,85 Prozent des BIPs rangierte Deutschland 2013 über dem OECD-Durchschnitt. Führende Nationen wie Israel und Korea erreichen 4,21 Prozent bzw. 4,15 Prozent. Diese Lücke gilt es zu schließen. Darüber hinaus setzen die meisten OECD-Länder steuerliche Forschungsförderung ein. Es ist höchste Zeit, dieses Thema auch in Deutschland anzugehen. Für zusätzlichen Innovationsschub sollten Förderprogramme für zukunftsträchtige Themengebiete wie alternative Mobilität, Internet der Dinge, erneuerbare Energien, Medizintechnik, Bio- und Gentechnologie sorgen.

Neugründungen zielgerichtet unterstützen

Junge Unternehmen können Beschleuniger des Wandels einer Volkswirtschaft sein. Sie eröffnen etablierten Unternehmen neue Wachstumswege und werden so zu einem wichtigen Faktor für alle Wirtschaftsbereiche. Deutschland braucht daher mehr Unternehmertum. Zum Ausbau des Gründertums ist die Ausstattung junger, innovativer Unternehmen mit ausreichend Kapital von zentraler Bedeutung. 2014 wurden nach Rechnungen des Bundesverbands deutscher Kapitalgesellschaften 650 Millionen Euro als Venture-Kapital investiert – 70 Millionen weniger im Vergleich zu 2013. Start-ups in Deutschland fehlt es an Finanzierung in der Gründungs-, aber vor allem in der Wachstumsphase. Abwarten ist hier keine Option. Der Staat muss die Rahmenbedingungen für private Investoren hierzulande attraktiver gestalten – zum Beispiel durch steuerliche Anreize für Wagniskapitalgeber. Ein Wagniskapitalgesetz tut dringend Not.

Durch Kooperation können junge und etablierte Unternehmen zusätzlich an Schlagkraft gewinnen. Etablierte Unternehmen erschließen neue Innovationsquellen, während Start-ups Zugang zu unternehmerischem Wissen, fachlichen Erfahrungen, Kapital und Netzwerken erhalten. Mittel zum Zweck können entsprechend gestaltete Corporate Accelerators sein. Sie schlagen eine Brücke zwischen Konzernen mit gewaltigen Ressourcen und innovationsgetriebenen Start-ups. Corporate Accelerators ermöglichen eine neue Wachstumsstrategie und bringen zukunftsfähige Innovationen und Geschäftsmodelle hervor. 

Steuerliche Forschungs­förderung einsetzen

Gründertum ausbauen

Neue Bildungsangebote

Bildung und die Generierung verwertbaren Wissens sind Schlüsselelemente für höhere Wertschöpfung in modernen Wissensgesellschaften. Durch die Digitalisierung verändern sich Berufsbilder und Kompetenzprofile. Die Nachfrage nach hochqualifizierten Talenten wird weiter steigen – und dies vor dem Hintergrund alternder Bevölkerung und sinkender Schülerzahlen. Der Handlungsbedarf wächst.

Nachwuchsinteresse an MINT-Berufen stärker fördern

Den deutschen Unternehmen fehlen Fachkräfte in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen: Ende September 2015 blieben 164.400 Stellen in den MINT-Berufen unbesetzt. Dieser Mangel verdeutlicht die geringe Attraktivität der technologisch wichtigen Disziplinen der Natur- und Ingenieurwissenschaften für Jugendliche. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind gefordert, das Nachwuchsinteresse an den MINT-Berufen mit höherer Intensität zu fördern. Zum einen durch engere Integration der MINT-Fächer in die Schulbildung. Zum anderen sollen junge Menschen verstärkt durch Praktikumsangebote und praxisbezogene Förderprogramme für eine Ausbildung oder Studium im MINT-Bereich begeistert werden.  

Ausbau digitaler Kompetenzen vorantreiben

Der Einsatz von Data Analytics in Unternehmen kann Wettbewerbsvorteile schaffen. Bislang haben Unternehmen in diesem Themenfeld vor allem in Technik und Software investiert. Zukünftig wird vor allem der Aspekt Talente erfolgskritisch werden. Bei der Suche nach qualifizierten Experten sollte Know-how im Entwickeln neuer Analyse-Perspektiven und -Modelle im Vordergrund stehen. Dabei sind unterschiedliche Kompetenzen vonnöten: die richtigen Fragen stellen, relevante Zusammenhänge finden und komplexere Analysen auf Grundlage von passgenau entwickelten Algorithmen durchführen.

Noch bietet der Hochschulsektor in Deutschland aber kaum dezidierte Studiengänge in diese Richtung; wenn diese Lücke nicht bald geschlossen wird, können sich erhebliche Nachteile ergeben. Der Auf- und Ausbau von Studiengängen muss daher mit Vehemenz vorangetrieben werden. Das gilt auch für die Zusammenarbeit von Unternehmen und Universitäten, damit Deutschland bei der Aus- und Weiterbildung von Analytics-Spezialisten zügig vorankommt.

Neben der fachlichen Kompetenz in der Aufbereitung und Analyse von Daten ist es notwendig, den kritischen Umgang mit Daten zu lernen. Die „Datenquellenkritik“, also das Hinterfragen der Sinnhaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Basisdaten und Analysen, bekommt eine zunehmende Bedeutung, die bereits in der Schulbildung verankert werden muss.

Nachholbedarf zeigt sich darüber hinaus bei den Bildungsangeboten für Senioren im Umgang mit der Informationstechnologie. Dabei werden intelligente Technologien den Alltag älterer und hilfsbedürftiger Menschen vereinfachen – zum Beispiel Smart Home oder E-Health-Angebote für eine bessere medizinische Versorgung.  

MINT-Berufe in Schulbildung integrieren

Aus- und Weiter­bildung von Analytics-Spezialisten vorantreiben

Bildungsangebote für Senioren erweitern

Mehr Vertrauen in digitale Technologien

Staat und Wirtschaft müssen gemeinsam Strategien für eine Kultur des Vertrauens und der Sicherheit in die digitalen Technologien entwickeln, um die Akzeptanz in der Bevölkerung und in den Unternehmen zu verbessern. Aufklärung und Transparenz im Umgang mit den Daten von Bürgern sowie Teilhabe sind Voraussetzungen für Lösungsansätze, die breiten Konsens finden. Staat und Unternehmen stehen hier noch in der Pflicht.

Deutschland ist ein Industrieland mit innovativen mittelständischen Unternehmen. Sie sind  technologisch breit aufgestellt und auf den Weltmärkten führend. Doch im digitalen Wettlauf mit der internationalen Konkurrenz braucht es mehr Tempo in der Umsetzung von 4.0-Lösungen. Voraussetzung dafür sind sichere Standards für digitale Produktion und Dienstleistung. Für die nachhaltige Stärkung der Sicherheit von Daten, Prozessen und Infrastrukturen im digitalen Zeitalter brauchen Deutschland und Europa eine Collective Intelligence,  die aus der vertrauensvollen Zusammenarbeit und dem Austausch von Informationen entsteht.

Aufklärung und Transparenz im Umgang mit Daten 

Collective Intelligence für Europa

Staat als Katalysator

Deutschland wird die Herausforderungen der Digitalisierung meistern, wenn alle Akteure Verantwortung übernehmen und  proaktiv handeln. Der Staat muss seinen Beitrag dazu leisten. Durch Investitionen in den Ausbau der digitalen Infrastruktur und in die digitale Verwaltung übernimmt er die Rolle eines modernen Dienstleisters für Bürger und Wirtschaft und wirkt als Katalysator für die Förderung digitaler Innovationen. In Zeiten von Big Data sind Daten ein wertvolles Gut, dessen Wert steigt, wenn es geteilt wird. Der Staat könnte zum Vorreiter werden – beispielsweise durch die freie Zugänglichkeit öffentlicher Daten von Bund, Ländern, Kommunen und öffentlichen Unternehmen in standardisierten Formaten und APIs.

Datenschutz und Cybersicherheit sind für die deutsche Wirtschaft von zentraler Bedeutung. In Zeiten der Globalisierung sollten die Standards international gesetzt werden. Deloitte unterstützt die Reform des Safe-Harbor-Abkommens und die Verhandlungen zum transatlantischen Handelspartnerschaft (TTIP). Beide Initiativen sehen wir als Chance, eine gemeinsame Vorstellung der Nutzung der Daten zu entwickeln und ein hohes Datenschutzniveau auf beiden Seiten des Atlantiks zu erreichen. 

Investitionen in digitale Verwaltung

Freie Zugänglichkeit öffentlicher Daten

Hohes Datenschutz­niveau in Europa und den USA