The resolvability challenge for banks

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CRD V und CRR II – der neue regulatorische Rahmen

Drei Jahre nach dem die CRD IV bzw. die CRR finalisiert wurden, steht der europäischen Bankensektor nun vor einer (erneuten) Überarbeitung der Capital Requirements Directive und Capital Requirements Regulation (CRD V und CRR II). Gemeinsam mit weiteren legislativen Neuerungen wurde das mehr als 500 Seiten umfassende Paket am 23. November 2016 veröffentlicht. Die Überarbeitungen von CRD IV und CRR sowie die Änderungen der Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) und der Single Resolution Mechanism Regulation (SRMR) werden wohl bis Anfang des nächsten Jahrzehnts signifikante Veränderungen im Aufsichtsrecht mit sich bringen.

Unterschiedliche Auffassungen

Die Vorschläge der EU-Kommission kommen zu einem Zeitpunkt, wo die Zukunft des Basler Akkords unsicher erscheint: Die europäische Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Eigenkapitalanforderungen hat sich in jüngster Zeit so deutlich wie selten gezeigt. Offenbar besteht eine zunehmende Bereitschaft, mit der europäischen Umsetzung notfalls auch deutlich von den Vorgaben des BCBS abzuweichen.

In Verbindung mit der offenbar in letzter Minute hinzugekommenen Anforderung, dass bestimmte außereuropäische Institute ihre gesamten Aktivitäten in der EU unter einer zentralen Zwischenholding oder einem Zwischeninstitut bündeln sollen, zeigt dies die unterschiedlichen Perspektiven bei der internationalen Koordination im Bereich des Bankenaufsichtsrechts.

Dementsprechend ist die Situation für die Banken momentan noch offen, was es schwierig macht klar zu definieren, wer wie betroffen sein wird und was die richtige strategische Antwort auf die Herausforderungen ist.

 

Langwierige Verhandlungen erwartet

Die Vorschläge der Kommission und der sich nun anschließende Rechtsetzungsprozess werden den Rahmen für die aufsichtsrechtlichen Entwicklungen der nächsten zwei bis drei Jahre setzen. Mit der überarbeiteten CRR werden wesentliche noch ausstehende Elemente der „Basel III“-Agenda umgesetzt, insbesondere die Net Stable Funding Ratio (NSFR) und die Leverage Ratio (LR). Darüber hinaus enthält die neue CRR auch zentrale Elemente der Anforderungen der Arbeiten des Financial Stability Boards mit Blick auf das „Too-big-to-fail“-Problem: Die Anforderungen an die neue Total Loss Absorbing Capacity (TLAC) werden auch in der EU für die global systemrelevanten Institute (G-SIBS) umgesetzt.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Verhandlungen auf EU-Ebene, die dem Trilog-Prinzip unterliegen, sehr langwierig sein können. Dementsprechend ist es gut möglich, dass das Inkrafttreten der neuen Regelungen hinter dem vom Basler Ausschuss angestrebten Datum liegen wird.

Wichtiger noch ist aber der Umstand, dass viele Elemente des noch zu finalisierenden Basler Rahmenwerks (oft als „Basel IV“ bezeichnet) im Vorschlag der Kommission gar nicht enthalten sind. Dies betrifft insbesondere die Überarbeitung der Standardansätze für Kreditrisiken und operationelle Risiken sowie die Neugestaltung der sogenannten Capital Floors zu. Diesbezüglich muss die Kommission zu gegebener Zeit weitere Vorschläge unterbreiten.



Abweichungen von den internationalen Standards

Das Paket CRD V/CRR II enthält zum Teil höchst unterschiedliche Regulierungsinitiativen. Der Großteil dient der Umsetzung verschiedener internationaler Aufsichtsstandards in EU-Recht. Die Kommission zeigt aber auch zunehmende Bereitschaft, von den Vorgaben des Basler Ausschusses und des FSB abzuweichen, um Besonderheiten der EU zu berücksichtigen.

Zu den wichtigsten Abweichungen von den internationalen Vorgaben zählen:

  • Die Neuregelungen im Kontext der Unterlegung von Marktpreisrisiken (Umsetzung des FRTB) sollen über einen Zeitraum von drei Jahren schrittweise eingeführt werden. Dabei soll die EU-Kommission die Option erhalten, die Übergangsphase ggf. zu verlängern. Die Implementierungsfrist des Basler Ausschusses (Januar 2019) wird somit eindeutig nicht eingehalten.
  • Die Anwendung der neuen Marktrisikoanforderungen soll nur für große Handelsbuchinstitute gelten. Der Schwellenwert für Nichthandelsbuchinstitute steigt. Kleinere Handelsbuchinstitute können einfachere Ansätze rechnen, die nicht Teil des neuen Basler Marktrisikostandards sind. Vergleichbare Erleichterungen sollen auch für die Unterlegung der Wiedereindeckungsrisiken gelten.
  • Mit Blick auf die NSFR sollen die Anforderungen für Interbank Funding und Derivatetransaktionen für einen mehrjährigen Zeitraum reduziert werden; ebenfalls mit der Option, den Zeitraum weiter zu verlängern.
  • Die Vergünstigungen für Forderungen an KMUs sollen auf ein Forderungsvolumen von bis zu EUR 1,5 Mio. ausgeweitet werden. Das BCBS hatte bereits 2014 die Besserstellung dieser Forderungen als „wesentliche Abweichung“ vom Akkord bezeichnet, die abgeschafft werden sollte. Stattdessen hat sich die EU-Kommission allerdings für die Beibehaltung bzw. eine Ausdehnung entschieden, denn auch für EUR 1,5 Mio. übersteigende Beträge soll zukünftig eine um 15% erleichterte Anrechnung möglich sein.
  • Bei der Ermittlung der Leverage Ratio können Initial Margins, die im Zuge von über CCPs geclearten Derivatetransaktionen erhalten wurden, bei der Bemessungsgrundlage unberücksichtigt bleiben.

Die Gefahr eines fragmentierten weltweiten Banksaufsichtrechts beschränkt sich nicht nur auf die genannten Themen. Der Vorschlag der Kommission, europäische Zwischenholdings zu fordern, ist vielmehr eine Kehrtwende gegenüber dem bisherigen Standpunkt. Die US-Behörden wurden seinerzeit für vergleichbare Anforderungen von europäischer Seite scharf kritisiert.

Die Bildung einer europäischen „Dach-Gesellschaft“ wird für einige außereuropäische Institute mit EU-Ablegern zu einer großen Herausforderung werden. Zwar ist denkbar, dass die Anforderungen im Zuge von Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den US-Behörden über die Anwendung des Dodd-Frank-Acts noch wegfallen könnten. Die Richtung, in die sich die Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden bewegt, ist jedoch bislang wenig vielversprechend.

Dieser Richtungswechsel wird auch von den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen befeuert: Es gilt, eine Benachteiligung der Wettbewerbsposition europäischer Institute zu verhindern. Die Vorschläge der CRR II insgesamt wurden daher von der EU-Kommission nicht zuletzt vor dem Hintergrund formuliert, den zusätzlichen Kapitalbedarf der Institute nicht über Gebühr ansteigen zu lassen. Dieses Ziel gilt auch für die abschließenden Verhandlungen im Basler Ausschuss.

 

Der weitere Rechtssetzungsprozess

Mit Veröffentlichung der Kommissionsentwürfe beginnt nun auf politischer Ebene die Diskussion um die endgültige Ausgestaltung der neuen Anforderungen. Die Vorschläge müssen vom Europäischen Parlament und vom Rat der angenommen und beschlossen werden.

Zudem müssen – neben der Richtlinie und der Verordnung – an verschiedenen Stellen nachgelagerte Dokumente erstellt und verabschiedet werden. Hierzu wird insbesondere die EBA im Auftrag der Kommission mit der Ausarbeitung von Sekundärrechtsakten beginnen. Parallel dazu müssen die nationalen Gesetzgeber entsprechende Umsetzungs- und Begleitvorschriften erlassen. Dementsprechend wird das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen nicht kurzfristig – vermutlich nicht vor 2019 – erfolgen.

Dabei ist zu erwarten, dass sich im Laufe der Trilog-Verhandlungen die Anforderungen im Detail noch ändern werden. In Verbindung mit den noch fehlenden Sekundärrechtsakten bedeutet dies, dass die zukünftigen Anforderungen und das konkrete Erstanwendungsdatum noch eine Zeit lang unklar bleiben werden. Dies ist vor allem für Banken, die auch außerhalb der EU aktiv sind, eine Herausforderung, da in anderen Jurisdiktionen ggf. abweichende Zeitpläne und Regulierungsdetails zu beachten sind.



Wie reagieren?

Das Paket aus CRD V und CRR II dürfte für die Banken in der EU zu den wichtigsten regulatorischen Vorhaben der nächsten Jahre zählen. Dementsprechend sollte sich jedes Haus detailliert mit den neuen Bestimmungen auseinander setzen. Hierbei sollte nicht zuletzt zeitnah analysiert werden, inwieweit die neuen Regelungen umfassende Umsetzungsprojekte erfordern werden, damit die jeweiligen (Teil-)Projekte fristgerecht abgeschlossen werden können. Hierfür sind – soweit noch nicht geschehen – angemessene Budgets (auch in Form von Mitarbeitern) vorzusehen.

Bei den Töchtern internationaler Bankengruppen ist die ggf. erforderlich werdende EU-Zwischenholding ein herausragendes Thema: Bei der Umsetzungsplanung ist zu beachten, dass die neue Holding eine aufsichtliche Zulassung erhalten muss. Für den damit verbundenen Zulassungsprozess ist ausreichend Zeit vorzusehen. Gleichzeitig stehen einige der hier betroffenen Gruppen ohnehin vor dem Problem, die „Brexit“-Auswirkungen umsetzen zu müssen, was für diese zusätzliche Komplexität mit sich bringt.

Bei der Planung muss ferner berücksichtigt werden, dass wesentliche Aspekte aus der Umsetzung von „Basel IV“ im vorgelegten Paket noch nicht behandelt werden. Ein weiteres Paket zur Überarbeitung der CRR (und wohl auch der CRD) dürfte dementsprechend zu gegebener Zeit folgen. Auch hier ist nicht auszuschließen, dass die EU-Vorschriften vom Basler Standard abweichen könnten, was die bereits angesprochene internationale Zersplitterung des Aufsichtsrechts fortsetzen würde.

Deloitte wird die weitere Entwicklung im Kontext von CRD V/CRR II intensiv beobachten. Zu verschiedenen Themen der CRR II, insb. Marktpreisrisiken und Wiedereindeckungsrisiken, haben wir in den letzten Monaten White Paper publiziert. Aktualisierungen der Publikationen im Hinblick auf die Vorschläge der Kommission sowie eine tiefergehende Analyse der neuen Anforderungen sind in Arbeit.

Gerne stehen wir Ihnen für einen fachlichen Austausch und eine individuelle Auswirkungsanalyse als Ansprechpartner zur Verfügung.

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