Posted: 04 Jun. 2020 5 min Lesezeit

COVID-19 Briefing: Neues Konsumverhalten oder zurück zu alten Gewohnheiten?

Fast drei Monate sind vergangen, seit die Bundesregierung weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus beschlossen hat. Drei Monate, in denen Konsumenten nicht wie gewohnt einkaufen, Angehörige und Freunde besuchen oder verreisen konnten. Hinzu kamen gesundheitliche und finanzielle Sorgen. Dieser Ausnahmezustand verlangte von allen eine Veränderung von Routinen und eine Anpassung der Gewohnheiten an die neuen Umstände. Seitdem die Maßnahmen schrittweise gelockert wurden, haben die Menschen wieder mehr Freiheiten. Doch wie gehen sie nun damit um? Kehren sie zu alten Gewohnheiten zurück, oder etablieren sich neue Verhaltensmuster? Ein guter Zeitpunkt für ein erstes Resümee, wie sich das Einkaufs-, Reise- und Mobilitätsverhalten von Konsumenten in der Hochphase der Kontaktbeschränkungen und in den ersten Wochen der Lockerungen entwickelt hat. Dabei zeigt sich ein Fokus auf Regionalität und eine ausgeprägte digitale Nutzung. 

 

Der Global-Consumer-Pulse-Survey

 

Der Global-Consumer-Pulse-Survey von Deloitte analysiert den Einfluss von COVID-19 auf das Verhalten von Konsumenten. Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Befragung mit mehr als 12.000 Verbrauchern in 13 Ländern, darunter rund 1.000 Befragte aus Deutschland. Die Erhebung ist als fortlaufende Studienreihe mit zehn Ausgaben angelegt, um die Entwicklungen bis zum Herbst 2020 zu erfassen. Die Ergebnisse werden zweiwöchentlich publiziert und geben Unternehmen hilfreiche Anhaltspunkte, um schnell und effektiv auf die sich veränderten Bedürfnisse und Einstellungen der Verbraucher reagieren zu können. 

 

Phase 1: Konsumentenverhalten während des Shutdowns 

 

Die erste Befragung des Global Consumer Pulse Surveys wurde zwischen 15. und 17. April 2020 durchgeführt, in einer Phase, in der die COVID-Ängste in Deutschland besonders groß waren. 65 Prozent der deutschen Befragten sorgten sich um die Gesundheit ihrer Angehörigen, und 49 Prozent machten sich Gedanken um das eigene Wohlergehen. 

 

Konsum verlagert sich ins Internet

In dieser Phase hat sich nur rund ein Drittel der Befragten beim Einkaufen in stationären Geschäften sicher gefühlt. Um das Infektionsrisiko zu vermeiden, bevorzugten 17 Prozent der Konsumenten Lebensmittel online zu kaufen, bei Haushaltsprodukten lag der Wert bei 18 Prozent und für Medikamente bei 31 Prozent. Aufgrund der Shutdowns von Geschäften erlebte der Onlinehandel besonders in den Kategorien Bekleidung (54%), elektronische Geräte (54%) und Bücher (56%) eine starke Nachfrage. Vor allem jüngere Konsumenten vollzogen den Wechsel vom Offline- zum Onlineshopping und trieben den Konsum an. Da ältere Menschen ihren Konsum seltener ins Internet verlagerten, gingen ihre geplanten Ausgaben in all jenen Produktkategorien zurück, die von den Shutdowns betroffen waren. 

 

Kaufentscheidungen werden bewusster

Gleichzeitig veränderten sich die Bedürfnisse und Einstellungen der Verbraucher. Sie konsumierten bewusster und kauften bevorzugt Produkte von Unternehmen, die gut auf die Krise reagiert haben. Außerdem legten sie einen gesteigerten Wert auf regionale Produkte und waren bereit, für Annehmlichkeiten wie Lebensmittellieferungen und Abo-Modelle einen Aufpreis zu bezahlen. Auch bei den weltweit zu beobachteten Hamsterkäufen war Deutschland keine Ausnahme: 40 Prozent der befragten Konsumenten legten einen Vorrat an, der über ihren unmittelbaren Bedarf hinausging. 

 

Alles wird digital

Der Shutdown und die Kontaktbeschränkungen haben nicht nur das Einkaufsverhalten beeinflusst, sondern auch zu einem Boom bei digitalen Produkten und Dienstleistungen geführt. Anstelle von Treffen mit Freunden oder Familienangehörigen planten 51 Prozent, über Videokonferenzen zu kommunizieren. Anstatt zur Bank zu gehen, beabsichtigten 52 Prozent die Nutzung von Banking-Apps, und 30 Prozent der Befragten wollten Sportangebote durch virtuelle Fitnesskurse ersetzen. 

 

Reisen momentan undenkbar

Im Gegensatz dazu konnte die Tourismusbranche ihr Geschäftsmodell nicht eins-zu-eins ins Internet verlagern. Weltweit hindern strikte Ein- und Ausreisesperren die Menschen an Urlaubsreisen. Hinzu kommt, dass Konsumenten sich nicht sicher fühlen, in Hotels zu übernachten oder generell zu fliegen. Dementsprechend sind die geplanten Ausgaben für Reisen mit Stand Mitte April um 31 Prozent zurückgegangen. Lediglich einer von fünf Konsumenten hat zu diesem Zeitpunkt aktiv nach Hotel- und Flugangeboten gesucht.

Neben dem Reisen beabsichtigten die Konsumenten auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (54%) und Ride-Hailing (47%) einzuschränken; das eigene Fahrzeug besaß hingegen einen besonders hohen Stellenwert. Hier zeichnet sich ein Gegentrend zu den neuen Mobilitätsdiensten ab, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben.

 

Phase 2: Die Lockerungen bringen ein Stück Normalität zurück 

 

Ein Monat nach der ersten Befragung sieht die Lage in Deutschland schon wieder etwas zuversichtlicher aus. Mit dem Rückgang der Neuinfektionen sinken auch die Sorgen um die eigene Gesundheit (von 49 auf 40 Prozent). Die Bedenken um die Gesundheit der Familienangehörigen fallen von 65 auf 51 Prozent. 

 

Kaufzurückhaltung lässt nach

Auch die finanziellen Sorgen der Verbraucher lassen nach. Nur noch 27 Prozent (anstelle von 33% im Vormonat) sind besorgt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und dadurch anstehende Zahlungen nicht begleichen zu können. Die optimistischeren Zukunftserwartungen führen dazu, dass weniger Konsumenten größere Anschaffungen auf einen späteren Zeitprunkt verschieben (34 Prozent im Vergleich zu 46% Mitte April).

So steigt auch die Anschaffungsneigung von langfristigen Gebrauchsgütern wieder. Verglichen mit dem Vormonat (49%), beabsichtigen Mitte Mai nur noch 40 Prozent der Fahrzeugbesitzer einen Autokauf zu vertagen und ihr Fahrzeug länger zu behalten, als ursprünglich geplant. Außerdem müssen Verbraucher wieder seltener mit attraktiven Angeboten zum Kauf nicht-essentieller Produkte angeregt werden. 

 

Marken- und Produktpräferenzen stabilisieren sich

Was die Markenwahl der Produkte angeht, so bevorzugten Verbraucher zu Beginn der Pandemie Produkte von vertrauten und bewährten Herstellermarken, die ihnen in turbulenten Zeiten ein Gefühl der Sicherheit gaben. Zwei Wochen nach der ersten Erhebung nahm dieses Bedürfnis bereits wieder ab (41 anstatt 49 Prozent) und günstigere Eigenmarken standen wieder vermehrt auf der Einkaufliste der Konsumenten (33 anstatt 28 Prozent). Dieser Trend ist auch einen Monat nach der ersten Befragung konstant geblieben. Die Markenpräferenzen der Verbraucher scheinen sich also zu stabilisieren. Auch der hohe Stellenwert regionaler Produkte verfestigt sich tendenziell. Zwar ist im Vergleich zur Erhebung Ende April bzw. Anfang Mai der Wert von 47 Prozent zwei Wochen später wieder leicht gesunken –  trotzdem ist auch aktuell fast jeder zweite Konsument (42%) bereit, für regionale Produkte mehr Geld zu bezahlen.

 

Online Boom schwächt ab

Veränderungen im Konsumentenverhalten zwischen Mitte April und Mitte Mai zeigen sich vor allem beim Onlineshopping. Mit der schrittweisen Öffnung der Geschäfte sinkt die Bereitschaft der Verbraucher, Produkte übers Internet zu bestellen. Jedoch plant noch jeder zweite Befragte in den nächsten vier Wochen, Bücher online zu kaufen. Für Bekleidung und Schuhe liegt der Wert bei 38 und für elektronische Geräte bei 43 Prozent. 

Ein Rückgang der Onlineaktivitäten lässt sich ebenfalls bei digitalen Produkten und Dienstleistungen beobachten. So können sich aktuell nur 14 Prozent der Befragten vorstellen, Telemedizin und virtuelle Arztbesuche in Anspruch zu nehmen. Im Monat zuvor waren noch 26 Prozent dazu bereit. Trotz leichtem Rückgang werden Streaming-Dienste (44%), Zahlungs-Apps (46%) und Videokonferenzen (39%) von Verbrauchern weiterhin häufig genutzt. Diese Services könnten sich also langfristig etablieren.

 

Fazit: Zwei Schritte vor, einer zurück

 

In Deutschland sind Mitte Mai erste Anzeichen einer Entspannung der Lage erkennbar. Langsam kehren Konsumenten zur Normalität und zu alten Gewohnheiten zurück. In vielen Bereichen stabilisieren sich Konsumverhalten, Bedürfnisse und Präferenzen der Verbraucher. Doch auch neue Routinen und Einstellungen, die sich seit dem Beginn der Corona-Krise entwickelt haben, werden Konsumenten vermutlich zukünftig beibehalten.  

So ist der Fokus auf regionale Produkte ein Trend, der sich längerfristig durchsetzen könnte. Ein Grund liegt in dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis in Krisenzeiten. Verbraucher scheinen regionalen Produkten mehr zu vertrauen, besonders in Zeiten, wo die Einhaltung von Hygienevorschriften extrem wichtig ist. Auch wollen Konsumenten die heimische Wirtschaft unterstützen und greifen daher vermehrt zu Produkten von regionalen Herstellern. Es zeichnet sich also ein Gegentrend zur fortschreitenden Globalisierung ab. Lokal statt global scheint das Gebot der Stunde.

Der digitale Konsument ist ein weiterer Trend, der wohl nicht nur von kurzer Dauer sein wird. Zu Beginn der Krise machten Konsumenten in Sachen Digitalisierung zwei Schritte nach vorne. Viele Verbraucher – von jung bis alt – waren gezwungen, auf digitale Alternativen umzusteigen. Der anfängliche Boom ließ Mitte Mai bereits etwas nach, und Konsumenten machten wieder einen Schritt zurück. Doch einmal ausprobiert, dürften die Menschen auch langfristig von den digitalen Möglichkeiten steten Gebrauch machen und somit die Digitalisierung Schritt für Schritt vorantreiben.

Über die neusten Entwicklungen können Sie sich unter folgenden Quellen informieren:

 

Ansprechpartner/in Research:

Anna Elin Seidel

Associate Manager | Trend Research

aseidel@deloitte.de 

 

 

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In den COVID-19 Briefings werden die verschiedenen kurzfristigen bis langfristigen Effekte der vorherrschenden Krise auf die Wirtschaft beleuchtet.

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Karsten Hollasch

Karsten Hollasch

Partner

Karsten Hollasch ist Partner im Bereich Financial Advisory mit Sitz in Düsseldorf. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich Transaction Services für Corporate- sowie Private-Equity-Kunden. Darüber hinaus verfügt er über Erfahrung in nationalen und internationalen Due-Diligence-Projekten. Er leitet weltweit den Private-Equity-Sektor in Financial Advisory und hat seit 2023 auch die Gesamtverantwortung über alle Businesses für das Private Equity Geschäft auf EMEA-Ebene. Darüber hinaus war er bis 2023 Leiter des Industriesegments Consumer Business bei Deloitte Deutschland und DCE.

Egbert Wege

Egbert Wege

Partner

Egbert Wege leitet als verantwortlicher Partner den Sektor Consumer Products & Retail sowie den Bereich Innovation. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf den Themen Handel, Multichannel, Digital Transformation, Digital Marketing sowie Markteintrittsstrategien und Digitalisierung, Kundenbindung, Branding und Innovation. Seine Handelserfahrungen an der Konsumentenschnittstelle bringt er auch in die Branchen Finanzdienstleistungen, Travel und Pharma ein. Egbert ist seit 1999 in der Beratung tätig. Zwischen 2005 und 2011 arbeitete er sechs Jahre lang für ein führendes internationales Versandhaus u. a. als Geschäftsführer.